Am 5. Mai wäre Karl Marx 200 Jahre alt geworden. Was von dem Ökonomen und Gesellschaftstheoretiker heute noch übrig ist und welche Spuren in Kasachstan zu finden sind.

Prophet, Philosoph, Wissenschaftler? Am 5. Mai jährt sich der Geburtstag von Karl Marx zum 200. Mal. Und deutschsprachige Medien diskutieren allerorts darüber, wie der Ökonom heute einzuordnen ist. Dabei wird von einigen die Frage aufgeworfen, ob man jemanden, dessen Name in kommunistischen Systemen untrennbar mit Repressalien verbunden ist, tatsächlich ehren sollte.

In der Sowjetunion prangerte Marx‘ Konterfei stets neben denen von Lenin und Stalin. Nach Lenins Tod 1924 wurde der Marxismus-Leninismus zur offiziellen Staatsdoktrin in der UdSSR erklärt. In der Volksrepublik China beruft sich die seit 1949 regierende Kommunistische Partei noch immer auf die Lehren des Deutschen. Anlässlich seines 200. Geburtstages spendeten die Chinesen seiner Geburtsstadt Trier gar eine 4,4 Meter hohe und eine 2,3 Tonnen schwere Marx-Skulptur.

Marx in Kasachstan

Auch in der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan finden sich noch Spuren des Kapitalismuskritikers und Gesellschaftstheoretikers. Diese Spuren sind mit den Deutschen verbunden, die millionenfach von Stalin nach Zentralasien deportiert worden waren. In der Region Kostanai zum Beispiel erhielt eine Kolchose 1948 den Namen „Karl Marx“. 99 Prozent ihrer Bewohner waren ethnische Deutsche.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Kolchose ausgerechnet in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt – den Namen behielt sie jedoch. Das Dorf, in dem sich das Unternehmen befindet, heißt heute Osjornoje. Gerade einmal ein halbes Prozent der knapp 2000 verbliebenen Einwohner haben noch deutsche Wurzeln. Ohne Zuschüsse von Seiten des Staates und privaten Spendern würde das Dorf schon lange nicht mehr existieren.

Einer der Kasachstandeutschen, der noch in Osjornoje ausharrt ist Iwan Wetzstein, der Direktor der „Karl Marx“-GmbH. Vor dem Eingang der Firma grüßt einen der deutsche Denker. Doch obwohl seine Firma den Namen Marx‘ trägt, hat Wetzstein mit dem Philosophen nur wenig zu tun. „Ich bin kein Marxist, sondern Unternehmer“, sagt er. Dementsprechend seien auch keine größeren Festivitäten anlässlich des Jubiläums geplant.

Ein bisschen Marx findet sich dann aber doch noch in Osjornoje: Immerhin ist die Firma einer der größten Arbeitgeber der Region: 500 Mitarbeiter, knapp 120.000 Tenge (ca. 300 Euro) Durchschnittseinkommen. Nicht ohne Stolz erzählt Wetzstein, dass von denjenigen, die in den 1990er Jahren nach Deutschland auswanderten, keiner mit leeren Händen aus der Firma ausschied: „So viel, wie die Leute erarbeitet hatten, haben sie erhalten.“

Daten sind das neue Kapital

Der Name Marx wurde und wird von autoritären Regimen genutzt, um ihre Herrschaft zu rechtfertigen. Einige seiner Ansichten mögen totalitär gewesen sein, einige seiner Theorien, wie die wiederkehrenden Wirtschaftskrisen im Kapitalismus oder die zunehmende Machtkonzentration von Unternehmen, siehe Google, Amazon und Co., sind aktueller denn je.

Doch im Zeitalter der Digitalisierung sind Daten das Kapital. Wer Daten hat, hat Macht. Vielleicht sollte man sich zum 200. Geburtstag des Denkers daher weniger auf seine Ansichten aus dem 19. Jahrhundert fokussieren, sondern viel mehr darauf, wie die Probleme der heutigen Zeit zu lösen sind. Und vielleicht ist es nach 135 Jahren – solange ist Marx nämlich schon tot – auch einfach mal Zeit, ein neues Manifest zu verfassen.

Mit Material von Ljudmila Fefelowa

Othmara Glas

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