In wenigen Wochen wird mit sicher nicht unwesentlichem Aufwand der 20. Jahrestag der nationalen Unabhängigkeit Kasachstans begangen werden. Bereits jetzt werden Konferenzen und andere Maßnahmen mit breiterem Öffentlichkeitscharakter diesem Ereignis gewidmet.

 

Zweifelsohne hat Kasachstan Grund zum Feiern. In vielen Bereichen sind durchaus beeindruckende Ergebnisse erreicht worden. Das betrifft sowohl die Etablierung eines Wirtschaftssystems, das grundsätzlich marktwirtschaftlich funktioniert, den Aufbau einer Reihe moderner Institutionen und Organisationen, es sind Grundlagen eines Rechtsstaats und einer Bürgergesellschaft gelegt. Nach einem scharfen Einbruch in den 1990er Jahren wurde das Produktionsniveau von 1990 bereits in 2004 wieder erreicht, mit allerdings wesentlich modernerer Struktur als zu Sowjetzeiten.
Das Land wurde richtigerweise von Anfang an international geöffnet, die heutige Jugend kann sich kaum vorstellen, dass einmal der Besitz von Devisen verboten war und dass man nicht so ohne weiteres ins Ausland reisen konnte. Auf der Grundlage des – aus einem tiefen Tal – rasanten Wachstums der Produktion hat sich für viele Kasachstaner das materielle Lebensniveau deutlich erhöht, an leere Läden und Zuteilungen auch von elementaren Waren kann sich kaum noch jemand richtig erinnern. Die materielle Grundlage des Aufschwungs waren und sind die zahlreichen Bodenschätze, die für Kasachstan eine Art Geschenk des Himmels sind. In diesem Jahr jährt sich auch der 100. Jahrestag des Beginns der Erdölförderung hierzulande. Allein In den letzten 20 Jahren ist die Erdölförderung von 27 Mio t auf voraussichtlich 81 Mio t in 2011 gestiegen. Insgesamt wurde in den Jahren der Unabhängigkeit etwa eine Milliarde Tonnen des schwarzen Goldes gefördert und überwiegend auf den Weltmärkten verkauft. Dabei, wie auch in der gesamten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, gab es zwei große Etappen: die erste – die 1990er-Jahre – waren die Blut- und Tränenjahre Kasachstans. Mit dem Zerfall der UdSSR wurden auch die etablierten Strukturen des arbeitsteiligen Wirtschaftens überwiegend entwertet, es war eine rasante Talfahrt der Produktion zu verzeichnen. Menschen verließen massenhaft das Land, oft waren einfache Bedürfnisse wie stabile Stromversorgung nicht gesichert.
Das Vertrauen in die Zukunft des Landes, in die Politik oder auch in die neu geschaffene nationale Währung waren sehr niedrig. Der Ölpreis lag mit teilweise 9 Dollar pro Barrel deutlich unter dem Selbstkostenniveau, der Staat war über lange Strecken zahlungsunfähig, Löhne und Gehälter wurden meist mit mehreren Monaten Verspätung ausgezahlt. Zwar wurden auch in dieser Zeit Pläne und Konzeptionen zur Verbesserung der Lage ausgearbeitet und praktisch angeschoben, der entscheidende Durchbruch kam jedoch erst mit dem spürbaren Ansteigen der Ölpreise ab etwa 2000, die in der Spitze bis auf 150 Dollar hochschnellten.
Rettung kam also letztlich von oben, sprich von den rohstoffhungrigen Weltmärkten. Doch das war irgendwie egal, schließlich stinkt Geld nicht. Die „goldene“ zweite Etappe dauerte klar bis zur eigenverschuldeten Immobilienkrise im Jahre 2007, die durch die Weltfinanzkrise 2008-2009 verstärkt wurde. Zwar ist noch nicht eindeutig zu sagen, dass Kasachstan diese Krise überwunden hätte, auf jeden Fall ist das Land weniger hart betroffen gewesen, als andere Volkswirtschaften. Das letzte Jahrzehnt wurde durchaus genutzt, um die Strukturen in vielen Bereichen zu verändern.
Der Staatsapparat und das Steuersystem wurden modernisiert, der Bildung wird stärkere Aufmerksamkeit gewidmet, die Innovationen als Motor strategischer Wirtschaftsentwicklung wird breit propagiert und organisiert, die internationale Zusammenarbeit intensiviert. Zwar sind in diesem Jahrzehnt bei weiten nicht alle Pläne aufgegangen, und es gibt in allen Bereichen viele Baustellen. Doch prinzipiell scheint das Land dafür gerüstet zu sein, schrittweise den Herausforderungen der nächsten 20 Jahre entsprechen zu können. Ohne effektivere Arbeit als bisher werden jedoch viele Pläne nur Papiertiger bleiben.

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