Europa erweckt im Moment den Eindruck der finanziellen Instabilität und eines schlechten Krisenmanagements. Da steckt zweifelsohne eine Portion Wahrheit drin, doch die Lage ist differenzierter, als sie auf den ersten Blick erscheint.

Zuerst sei noch einmal daran erinnert, dass von den etwa 40 Ländern Europas gegenwärtig 27 Mitglieder der Europäischen Union sind, welche einen integrierten Wirtschaftsraum mit freiem Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr darstellt. Die Schweiz und Norwegen, als hochentwickelte westliche Industriestaaten, sind nicht EU-Mitglieder, arbeiten aber mit dieser sehr eng zusammen. Siebzehn der 27 EU-Mitgliedstaaten bilden die Eurozone, d.h. diese Länder haben freiwillig und bewusst auf einen wichtigen Teil nationaler Souveränität in Form einer eigenen nationalen Währung verzichtet und den Euro als gemeinsames Zahlungsmittel eingeführt.

Nun hat sich herausgestellt, dass die Eurozone eine Reihe von Konstruktionsfehlern hat, die man sicher schon früher hätte erkennen und damit beseitigen können. Es ist in der großen Politik aber auch nicht prinzipiell anders als im gewöhnlichen Leben: läuft irgendetwas Neues erst einigermaßen, ist man eine Zeitlang über das einfache Funktionieren froh und verschiebt durchaus erkannten Verbesserungsbedarf auf später. Krisen sind in dieser Hinsicht wertvoll, denn sie stoßen die Nase auf die Dinge, die bisher versäumt wurden oder nicht optimal geregelt sind. Aus dieser Sicht ist die Eurokrise eher kein Drama, sondern eine Bestätigung der Regel, dass jede Generation seine Erfahrungen mit Krisen machen muss und dass es keinen endgültigen ultimativen Krisenschutz geben kann und vielleicht auch gar nicht geben sollte.

Die notwendigen Schritte zur Behebung der Euro-Konstruktionsfehler sind erst einmal prinzipiell eingeleitet, dennoch wird es nicht nur drei oder fünf Jahre dauern, bis die Grundpfeiler des Euro wieder stabil sind und nicht bröckeln wie im Moment.

Bei der Reparatur der Europfeiler kommen auch Erfahrungen zum Einsatz, die Länder zwar zu etwas anderen Zeiten und in etwas anderen Situationen gemacht haben, die aber dennoch prinzipielle Aussagen auf das Heute erlauben. Von solchen Ländern gibt es in Europa einige; Schweden gehört dazu. Das mit neun Millionen Einwohnern kleine Land gehört zwar zur EU, ist aber nicht Mitglied der Eurozone. Schweden hatte seine Finanzkrise in den 1990er Jahren, die sich in den gleichen Merkmalen wie heute in Bezug auf Italien oder Spanien manifestieren: nicht zahlungsfähige Banken, hohe Staatsverschuldung von über 80 % des BIP, Zweifel der Märkte an der Zahlungsfähigkeit des Staates, Herabstufung des Ratings und folglich Ansteigen der zu bietenden Zinsen für Staatsanleihen, Flucht aus der schwedischen Krone und deren drastische Abwertung. Heute jedoch steht Schweden in Europa wie ein stabiler Finanzfelsen in den tobenden Geldmärkten und gilt für viele als realer Zufluchtsort für die Rettung des Geldwertes.

Was haben die Schweden nun in und mit ihrer Krise gemacht? Das Parlament hat sich erstens harte disziplinarische Regeln der Haushaltdisziplin vorgegeben, die mit großer Konsequenz, wenn oftmals auch mit Schmerzen, eingehalten wurden. Zweitens wurde die Bevölkerung davon überzeugt, dass Wohlstand mit geborgtem Geld nur ein kurzes Leben haben kann. Die einfachen Leute waren damit zu Einschnitten bereit. Und drittens wurden die unternehmerischen Kräfte von der Leine gelassen, sprich, es wurden private Initiativen und Wachstum gefördert: die Arbeitsgesetze wurden liberalisiert, Bürokratie reduziert, neue Technologien gefördert. Im Ergebnis verfügt das heutige Schweden über eine innovationsgetriebene Wirtschaft und einen Stand staatlicher Schulden von nur 35 % des BIP. Das Land ist Vorbild, fast schon Blaupause für notwendige Reformen in anderen Staaten. Es geht also auch anders, zuerst einmal muss man jedoch auch reformieren wollen.

Bodo Lochmann

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