Vor 16 Jahren bereits hatte Kasachstan den Antrag auf Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) gestellt, und mehrfach war in den letzten sechs bis sieben Jahren auch über den bevorstehenden Beitritt berichtet, aber eher wohl spekuliert worden. Jetzt aber hat die WTO in Genf offiziell erklärt, dass Kasachstan die zweiseitigen Hauptverhandlungen zur Öffnung der Waren- und Dienstleistungsmärkte nun abgeschlossen hat. Insgesamt hat Kasachstan mit 30 Staaten über die Fragen des freien gegenseitigen Zugangs von Waren und mit 14 Staaten hinsichtlich von Dienstleistungen eine Einigung erzielt.

Hierin kommt auch das System der WTO zum Ausdruck: nicht ein einheitliches Zentrum führt seitens der WTO die Verhandlungen, sondern die interessierten Mitgliedstaaten zu den sie interessierenden Themen untereinander. Folglich sind die Vereinbarungen über die Mitgliedschaft in der WTO zwar nach einheitlichen Rahmenbedingungen geregelt, im Detail aber durchaus unterschiedlich und die Interessen des jeweiligen Mitgliedslandes durchaus angemessen berücksichtigend. Das ist ein nicht unwichtiger Hinweis, schließlich sind hierzulande Vorurteile und Fehlwissen hinsichtlich des „Diktators WTO“ ziemlich verbreitet.
So wie es aus Sicht Kasachstans wohl richtig war, die Beitrittsverhandlungen bis etwa 2005 nicht unnötig zu forcieren, so notwendig war es, dies in den letzten drei bis vier Jahren zu tun. Schließlich ändert sich das internationale wirtschaftliche Umfeld ständig, und die gestern erreichten Verhandlungsergebnisse können schnell schon nicht mehr aktuell sein, so dass neue Verhandlungen notwendig sind. Vor allem aber sind nun mit der Zollunion Kasachstan – Russland – Weißrussland, vor allem aber mit dem Beitritt Russlands zur WTO Tatsachen geschaffen wurden, die die Mitgliedschaft Kasachstans in der WTO überfällig machen.

Der Abschluss der zweiseitigen Verhandlungen öffnet nun – fast – das Tor in die Weltfreihandelszone, der mittlerweile fast alle Staaten angehören. Um die Sache rund zu machen, sind nun noch „lediglich“ die erreichten Ergebnisse in die kasachische Gesetzgebung einzubauen. Außerdem sind noch mehrseitige Verhandlungen zu sogenannten Systemfragen (vor allem die Mitarbeit Kasachstans in den WTO-Gremien) und zum schwierigen Problem der Begrenzung der Subventionen für die Landwirtschaft zu Ende zu führen. Doch da hier in den letzten Jahren bereits gute Fortschritte erreicht worden sind, dürfte auch der Abschluss dieser Teilgespräche eine Sache der nahen Zukunft sein. Bei den Landwirtschaftssubventionen geht es u.a. um das Festlegen des Basisjahres, von dem aus die staatliche Unterstützung der landwirtschaftlichen Produzenten schrittweise reduziert werden muss. Da Russland es nicht geschafft hat, das im Jahr 1990 (als noch sehr hohe Subventionen aus dem sowjetischen Staatshaushalt flossen) durchzusetzen, wird das für Kasachstan erst recht nicht möglich sein. Realistisch ist wohl ein Basisjahr von Ende der 1990er Jahre.

Bei den kasachischen Unternehmen sind die Meinungen hinsichtlich der Folgen des WTO-Beitritts nach wie vor geteilt. Manche Unternehmen können die neuen Möglichkeiten kaum erwarten, während sich andere vor der zunehmenden Verschärfung des Wettbewerbs eher fürchten. Schaut man sich die Erfahrungen anderer Länder mit dem Beitritt zur WTO an, so fallen diese durchaus unterschiedlich aus. Als abschreckendes Beispiel in dieser Frage wird immer wieder Kirgisien genannt, das der WTO bereits in den 1990er Jahren beigetreten ist, ohne davon einen nachhaltigen Impuls für seine Wirtschaftsentwicklung erfahren zu haben. Auch Vietnam und Kambodscha sind ähnliche Beispiele. Hier hat sich nach dem WTO-Beitritt zwar der Export erhöht, aber die wirtschaftliche Entwicklung verläuft nicht so, wie erträumt.

Das ist auch verständlich, schließlich ist die WTO keine Art Weltwirtschaftsregierung, die für die inneren Zustände in den Mitgliedsstaaten verantwortlich ist. Die gemeinsame Verantwortung der WTO-Mitgliedsstaaten ist „lediglich“ die Schaffung maximal freier Bedingungen des Waren- und Güteraustauschs und des Schutzes des geistigen Eigentums. Die inneren Voraussetzungen für eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft – wie innovative Leistungskraft, moderne Infrastruktur, ein hohes Ausbildungsniveau, gut funktionierendes internationales Marketing der nationalen Unternehmen u. ä. – bleibt natürlich Aufgabe der jeweiligen nationalen Unternehmen und Regierungen. Effekte aus der WTO-Mitgliedschaft wird auch Kasachstan nicht erwarten können, wenn nicht ständig zuhause die Hausaufgaben gemacht werden.

Bodo Lochmann

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