Kseniya Voevoda hat für uns das Umweltengagement der Menschen in ihrem Heimatland Usbekistan unter die Lupe genommen. Dort gibt es inzwischen eine Reihe von Initiativen, doch die Beteiligung ist noch ausbaufähig. Das hat seine Gründe. Platz 2 in der Kategorie „Text Erwachsene“ unseres Wettbewerbs „Nachhaltiges Zentralasien“.

Wenn die Pandemie endet und die Machtübergabe in den USA abgeschlossen sind, werden wir uns umschauen und wieder verstehen: Es gibt ein Hauptproblem, das praktisch nicht gelöst ist: die Umwelt, die unter Verschmutzung und Vermüllung leidet. Seit Jahrzehnten haben Menschen aktiv zu diesem Zustand beigetragen, und nun können sie ihn nicht mehr umkehren. Oder sie wollen das gar nicht, weil sie ökologische Probleme gar nicht als echte Probleme ansehen.

Die Frage der Ökologie und Nachhaltigkeit steht in direktem Zusammenhang mit den grundlegendsten menschlichen Bedürfnissen. Diese müssen in den nächsten Jahrzehnten angesichts einer steigenden Weltbevölkerung wohl in immer größerem Maße befriedigt werden. Produkte, Kleidung und Waren werden im Überschuss produziert. Jedes Jahr erschöpfen die Menschen zunehmend die natürlichen Ressourcen der Erde. Wenn sich die aktuellen Nachfragetrends fortsetzen, werden die Menschen bis 2050 Umweltressourcen und Dienste nutzen, für die fast drei Planeten wie die Erde benötigt werden. Darüber hinaus besteht ein physiologischer Bedarf an reinem Wasser, optimalen Temperaturbedingungen, Luftfeuchtigkeit und Raum, was schon heute zu wirtschaftlichen Verlusten und sozialen Konflikten führt.

Großprojekte für Umweltschutz in Usbekistan

Zivilgesellschaft, Freiwillige und Aktivisten sind sich der Folgen für die Umweltsituation, die aus diesen Prognosen sprechen, immer mehr bewusst, und wollen handeln. Sie starten ambitionierte Umweltinitiativen, etwa in Usbekistan. Dort wurden letztes Jahr im Rahmen der Initiative „Wir für saubere Berge“ Ausflüge in die Chimgan-Berge (Region Taschkent) organisiert, bei denen jeder Freiwillige das Berggebiet von Müll befreien konnte. Die Veranstaltung fand mehrmals statt, da sich herausstellte, dass das Ausmaß der Verschmutzung zu groß war: In den Chimgan-Bergen gab es so viel Müll, dass eine kleine Gruppe von Aktivisten nicht einmal 1 Prozent der Gesamtverschmutzung beseitigen konnte. Mehr als 300 Personen nahmen an der zweitägigen Veranstaltung teil. Über 25.000 Quadratmeter Berghänge wurden vom Müll befreit. Die Menge der gesammelten Abfälle betrug fast 22 Tonnen. Der Organisator der Aktion bemerkte, es gäbe danach saubere, schöne Wiesen, anstelle der sichtbaren Trümmerdecke.

Ein anderes Großprojekt ist die „Hashar-Week”, die 2019 stattfand. Die Hashar-Tradition, übersetzt aus dem Arabischen als „gemeinsame Arbeit, Wohltätigkeit“, ist eine alte Tradition in Usbekistan, die auf die gegenseitige Unterstützung und freiwillige Teilnahme an Verbesserungen zielt. Das Projekt verfolgt das Ziel, Menschen dazu zu bewegen, Abfälle zu sortieren und zu recyceln. Im Rahmen des Projekts wurden soziale Videos im Fernsehen gezeigt, Müllwagen mit auffälligen Plakaten behangen und große Müllsortierstationen an öffentlichen Orten eingerichtet. Laut den Organisatoren wurden während der Projekt-Woche 17 Veranstaltungen organisiert. Von den 2,5 Millionen Einwohnern Taschkents nahmen etwa 400 Menschen an der Aktion teil und sammelten 1,5 Tonnen Müll.

Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung engagiert sich für Umweltbelange

Ein weiterer unschätzbarer Beitrag zur Erhaltung der Ökologie Usbekistans, nämlich zum Recycling, wird jeden Tag unbewusst von einem größeren Teil der Bevölkerung geleistet – durch Altpapiersammlung. In den Städten Usbekistans gibt es sogenannte Sammelstellen, an denen man gebrauchte Gegenstände abgeben kann. Die Zivilgesellschaft übergibt nicht nur Papier und Pappe, sondern auch Plastik- und Glasflaschen, die weiter zum Recycling geschickt werden. Für das gesammelte Kilogramm kann man durchschnittlich 0,50 Euro erhalten. Es ist für alle eine Win-Win-Situation: Menschen erhalten Geld für das Sammeln von Altpapier und helfen der Natur durch recycelte Materialien für die Papierherstellung.

Großartige Initiativen und fürsorgliche Menschen, die sich an der Lösung von Umweltproblemen beteiligen, sind aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Weniger als 1 Prozent der Einwohner der usbekischen Hauptstadt nahmen an den zwei genannten Großprojekten teil – und das, obwohl diese einen wichtigen Zweck hatten und über sie in den Medien und sozialen Netzwerken berichtet wurde. Der Anteil der Bürger in Usbekistan, denen Umweltprobleme nicht gleichgültig sind, ist sehr gering. Warum? Man kann es wohl am besten mit der Psychologie erklären.

Staat und Zivilgesellschaft sind gleich gefordert

Die Maslowsche Bedürfnishierarchie spiegelt eine der beliebtesten und bekanntesten Motivationstheorien wider: die Theorie der Hierarchie der Bedürfnisse. Die Grundlagen menschlicher Bedürfnisse sind physiologische – Hunger und Durst stillen, Sicherheit fühlen, Liebe, Respekt und Anerkennung haben. Wenn einige davon befriedigt sind, rücken andere immer nach oben. Die Sorge um die Ökologie kann auf die kognitiven Bedürfnisse zurückgeführt werden, die ganz am Ende der Pyramide stehen. Der existenzsichernde Lohn in Usbekistan ist viel niedriger als in Industrieländern. Dementsprechend kümmern sich die meisten um Essen und Mittel, nicht um die Umwelt. Daraus folgt, dass dem Menschen die Natur gleichgültig ist, wenn seine Grundbedürfnisse nicht gedeckt sind. Dies kann die geringe Anzahl der Menschen erklären, die sich zivilgesellschaftlich engagieren und für den Schutz der Umwelt interessieren.

Die Frage, wie man die Bevölkerung zu einem ökologischen Bewusstsein erziehen kann, muss man also auf staatlicher Ebene betrachten. Gelingt es der Politik, den Lebensstandard zu verbessern, wird dies auch das Umweltbewusstsein stärken. Und solange das Problem nicht gelöst ist, muss man jeden Tag in kleinen Schritten vorangehen: die Bürger regelmäßig über die nachhaltige Umweltnutzung informieren; darüber Unterrichtsstunden organisieren; Medienvertreter einbeziehen, um dem Thema Resonanz zu geben; und die Bezahlung für eine bestimmte Menge an Altpapier erhöhen. Auch Zivilgesellschaft und Freiwillige sind gefordert. Sie sollten weiter für eine nachhaltige Umwelt eintreten und immer wieder über ökologische Probleme informieren. Immerhin: 0,0016 Prozent engagierte Zivilgesellschaft sind besser als nichts.

Kseniya Voevoda

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Projekts entstanden, das vom Institut für Auslandsbeziehungen e.V. aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wird.
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