Zum 30-jährigen Jubiläum des Deutschen Theaters Almaty (DTA) spielte das Ensemble die wechselvolle Geschichte des Hauses nach: Von der Eröffnung des Theaters am 26. Dezember 1980 in Temirtau über den Umzug nach Almaty 1989, der folgenden Massenausreise der Russlanddeutschen bis hin zur Neuausrichtung des Theaters, das aktuell ohne eigene Bühne im Kulturhaus „ARO“ gastiert. An vergangene Glanzzeiten erinnerten sich die ehemalige Schauspielerin des DTA, Maria Albert-Warkentin und Regisseur Bulat Atabajew zurück. Das „Deutsche Theater Almaty als einmalige Institution in ganz Zentralasien“ beglückwünschte Barbara Fraenkel-Thonet, Leiterin des Goethe-Instituts Kasachstan. Sie verwies auch auf eine geplante Kooperation in diesem Jahr.

/Bild: Christine Karmann. ‚„Zum Geburtstag viel Glück!“ Leiterin und Chefregisseurin des DTA, Irina Simonowa (l.), mit ihren Mitarbeitern und den Geburtstags-Apfelstrudeln.’/

Die Suche nach der eigenen Bühne bleibt ein Hauptproblem des DTA.
Ohne Schal will Bulat Atabajew die Bühne des Kulturhauses „ARO“ nicht betreten. Schnell leiht sich der Regisseur das passende schwarz-weiß gestreifte Requisit von einem Schauspieler aus, dreht sich vor das Publikum und beginnt sich an seine einstige Arbeit als Chefregisseur am Deutschen Theater zu erinnern. „Das Deutsche Theater hat aus mir einen Regisseur gemacht“, sagt er, der Kasache, der in einer deutschen Siedlung bei Almaty aufgewachsen ist und von wolgadeutschen Mitschülern und Nachbarn die Liebe zur deutschen Sprache und Kultur gelernt hat.

Am deutschen Theater machte er seine ersten Schritte, inszenierte Schillers „Kabale und Liebe“ und „Auf den Wogen der Jahrhunderte“ des Russlanddeutschen Viktor Heinz über das Schicksal der Deutschen in Russland und Kasachstan. Mit der Massenausreise der Russlanddeutschen begann auch Bulat Atabajew sich vom Deutschen Theater zu verabschieden. „Ich hatte Angst zum Totengräber der Bühne zu werden, dass mit mir das Deutsche Theater Almaty stirbt“, sagt er.

Virus „Auswanderung“

Wie alle damaligen Ensemblemitglieder bis auf Schauspielerin Lydia Hann ist auch Maria Albert-Warkentin Anfang der 90er Jahre nach Deutschland ausgereist. „Wir waren vom Virus der ,Auswanderung’ infiziert“, sagt die verdiente Schauspielerin der Republik Kasachstan. Von 1980-1994 stand sie auf der Bühne des Deutschen Theaters. Heute leitet sie das Russlanddeutsche Theater Niederstetten in Deutschland und wechselt ohne Probleme zwischen Hochdeutsch und Russisch. Das ist nicht selbstverständlich. In einem deutschen Dorf von 70 Häusern bei Omsk in Sibirien geboren, sprach Maria Albert-Warkentin bis zur Einschulung mit sieben Jahren nur wolgadeutschen Dialekt.

Erinnerungen an die Anfänge

Regisseur Bulat Atabajew.

Zum 30-jährigen Jubiläum des Deutschen Theaters Almaty (DTA) erinnert sie sich auf der Bühne an ihre Kindheit in Sibirien. Wie sie merkte, dass der Sommer kam. Dann roch es im Hof immer nach Pfannkuchen, da die Mutter die Eingangstür nicht mehr zumachte. Wie es einmal vier Wochen durchgeregnet hat. Da schauten die Erwachsenen jeden Abend, ob die Sonne rot war, denn dann würde es auch am nächsten Tag weiterregnen. Klein-Maria wollte so gerne wieder barfuß laufen und bat die rote Sonne jeden Abend, dass sie nicht mehr böse sein sollte.

In den letzten 16 Jahren, „es waren schwere Jahre“, ist für Maria Albert-Warkentin Deutschland immer mehr zur Heimat geworden. Ihre Kinder kennen keine andere Heimat mehr. Deswegen ist sie mit ihnen zurück nach Sibirien gefahren. Den bewegenden Moment, wie sie ihr Elternhaus betritt, hat Maria Albert-Warkentin in einem Stück verarbeitet. „Das Zimmer sah aus wie damals. Tisch, Ofen, Fensterklappe, und am Tisch saß die alte Mutter mit der Fliegenpatsche. Vor Freude und Dankbarkeit sind mir die Tränen gekommen. Kein großes Haus und dickes Auto kann das Glück ersetzen, einmal wieder im Elternhaus aufzuwachen und der Mutter einen schönen guten Morgen zu wünschen.“

Wieder auf der Bühne des Deutschen Theaters Almaty zu stehen und sei es nur die des Kulturhauses „ARO“, ist für Maria Albert-Warkentin auch ein bewegender Moment. Die Tränen haben schon die ganze Wimperntusche verwischt. Und so viel möchte sie noch erzählen. Wie sie zusammen mit 29 Schauspielern von der Theaterhochschule in Moskau nach Termitau kam. Wie die Truppe 500 Mal „Der gestiefelte Kater“ aufgeführt hat. Wie sie auch die Geschichte der Russlanddeutschen und ihre Leiden im Arbeitslager auf die Bühne gebracht haben. Wie sie durch die Dörfer gezogen sind und volkstümliche Stücke gezeigt haben. „Die Menschen dort haben ja kein Hochdeutsch verstanden. Dürrenmatts ‚Physiker‘ oder Borcherts ‚Draußen vor der Tür‘ waren reine Stücke für das Stadtpublikum“, erinnert sich die Schauspielerin.

Suche nach neuen Wegen

Schauspielerin Maria Albert-Warkentin.

Seit 1994 steht Maria Albert-Warkentin in Deutschland mindestens einmal pro Woche auf der Bühne. Im baden-württembergischen Niederstetten leitet sie ein russlanddeutsches Theater, das mit deutschen, russischen und russlanddeutschen Stücken auch durch ganz Deutschland tourt. Gespielt wird nur in deutscher Sprache. Anders als das Deutsche Theater Almaty, das knapp die Hälfte seiner Aufführungen in russischer Sprache zeigt und zu den Inszenierungen in deutscher Sprache die Simultanübersetzung per Kopfhörer ins Russische anbietet. Nach der Massenausreise der Russlanddeutschen wird weiter nach neuen Wegen gesucht, wie man der Pflege und Verbreitung deutscher kultureller Traditionen gerecht werden kann.

„Zum Geburtstag viel Glück!“ Als die heutige Leiterin und Chefregisseurin des Deutschen Theaters Almaty, Irina Simonowa, in volkstümlicher deutscher Tracht das Lied anstimmt, leuchten die Kerzen hell auf den 16 Geburtstags-Apfelstrudeln. Die Gratulanten, Künstler benachbarter Theater und Repräsentanten staatlicher Einrichtungen, haben nicht an guten Wünschen für die Zukunft gespart. Auch bei der Suche nach einer eigenen Bühne für das Deutsche Theater Almaty sind sie erfinderisch geworden. Neben langstieligen roten Rosen, Urkunden, Landschaftsbildern und Jahrbüchern gab es ein Plüschkamel mit Jurte als Geschenk. Schließlich ähnelt die Jurte dem griechischen Amphitheater, und da wurde ja auch erfolgreich unter freiem Himmel gespielt. Maria Albert-Warkentin nimmt mit ihrer Truppe bereits erfolgreich an Freiluftaufführungen in Deutschland teil.

Von Christine Karmann

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