Seit 37 Jahren veranstaltet und überträgt der Österreichische Rundfunk den Literaturwettbewerb und renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis. Als das finanzielle Aus droht, fordern Tausende ihr Recht auf ein Kulturprogramm ein.

Was, wann und wo auf der heimischen Flimmerkiste erscheint, bestimmt der Österreicher am liebsten selbst. Der Streit um die Fernbedienung ist also vorprogrammiert. Besonders kritisch sieht man hierzulande das Programm im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ORF), denn dafür zahlt der Zuseher Gebühren. Ob hier Sport oder Krimi, Lesung oder Casting-Show läuft, entscheidet dennoch er: ORF-Chef Alexander Wrabetz. Er ist es auch, der im Juni ankündigt, den renommierten Lesewettbewerb rund um den Ingeborg-Bachmann-Preis nach 37 Jahren nicht mehr zu veranstalten und im TV zu übertragen (siehe DAZ Nr. 28). Zu teuer, zu wenig Zuschauer, zu wenig „fetzig“, lauten seine Gründe.

Appell an „Kulturauftrag“

Innerhalb von wenigen Stunden regt sich heftiger Widerstand: In den sozialen Netzwerken unterstützen mehr als 6500 Menschen eine Petition. „Die Initiative ergreifen und handeln“, fasst Initiator Günther Medweschek des lokalen Kulturvereins FreiraumK zusammen. Andere wiederum sammeln hunderte Protestzettel und plakatieren damit die Wände des TV-Senders. Die lokale Politik in Klagenfurt, wo der Lesewettbewerb stattfindet, schreit auf und die deutschsprachige Literaturszene gibt sich empört. Das Ende des Wettbewerbs sei „die Beseitigung des öffentlich-rechtlichen Auftrags“, heißt es von Seiten der österreichischen Autorenvereinigung „IG Autorinnen Autoren.“ Ähnlich formuliert das auch die Jury des Bachmann-Preises.

Alle zusammen erinnern sie damit an den gesetzlichen Auftrag des TV-Senders, in seinem Programm zur Information, Bildung und Kultur des Landes beizutragen. Kritiker sehen diesen Auftrag generell nicht erfüllt. Nun an der Existenz des renommierten Ingeborg-Bachmann-Preises zu rütteln, bringt bei vielen das Fass zum Überlaufen: „Letztlich will der ORF nur noch Infrastruktur zur Verfügung stellen, Geld machen, die Konkurrenz aus dem Feld schlagen und seinem Publikum das Gewohnte, an das er es gewöhnt hat, liefern“, ärgert sich Autorenvertreter Gerhard Ruiss im Gespräch mit der DAZ.

Wettschreien um die Quote

Nach etwa drei Wochen trifft der landesweite Aufschrei im ORF-Zentrum auf Gehör und Alexander Wrabetz zieht die Notbremse. „Der Bachmannpreis bleibt, weil er wichtig ist“, verkündet er. Für weitere fünf Jahre soll die Veranstaltung „auch im Fernsehen und Internet“ stattfinden. Für das engagierte Literaturvolk ein Erfolg: „Es ist gelungen die eigenen Interessen zu verteidigen“, freut sich Medweschek vom FreikaumK. Der Protest „hat die Führungsschicht unseres Landes offensichtlich doch beeindruckt.“

Trotz der Debatte kurz vor der Veranstaltung verfolgten auch dieses Jahr nicht mehr Zuseher als sonst die TV-Übertragung des Literaturpreises. Es ginge auch nicht um die Quote, argumentieren die Literaturfans. „Man könnte Dieter Bohlen und Sido um die Wette schreien lassen und damit höhere Quoten erzielen“, so Medweschek mit Bezug auf zwei polarisierende Juroren bei deutschsprachigen Casting-Shows. „Kunst- und Kultur abseits des Mainstreams unter ein Quotendiktat zu stellen, ist gefährlich.“

Allerdings bliebe die Frage offen, ob die ganze Debatte nur ein taktisches Spiel des TV-Chefs gewesen sein könnte. Dieser weist den Vorwurf entschieden zurück, Kritiker meinen dennoch, dass der ORF nur mit der Abschaffung der prominenten Veranstaltung drohte, um schließlich die nötigen Gelder dafür zu lukrieren.

Für Medweschek steht allenfalls fest: Ob nun Kalkül dahinter steckt oder nicht, die Vorkommnisse rund um den Buchpreis brachten einen Teil des österreichischen Publikums dazu, sich für ein besseres TV-Programm einzusetzen. „Es wird nunmehr an uns liegen, Druck zu machen“. Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Österreich liegt also mehr denn je in der Hand seines Publikums.

Von Daniela Neubacher

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