In Rumänien erscheint die einzige deutschsprachige Tageszeitung im östlichen Europa. Mit einer Auflage von 3.000 Exemplaren erreicht die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ) vor allem Leser aus den deutschen Minderheiten. Dabei berichtet sie über Politik, Gesellschaft und Kultur des ganzen Landes. Ein Besuch in der Redaktion.

Eine gelb angestrichene Doppelhaushälfte mit gepflegtem Vorgarten in einem Wohnviertel im Nordosten Bukarests: Nichts verrät, dass sich hier eine Zeitungsredaktion befindet. Drinnen eilen Menschen mit Notizheften und Korrekturfahnen in der Hand die Treppen hoch und runter. Um 14 Uhr ist Redaktionsschluss für die Ausgabe des nächsten Tages.

Die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ) erscheint dienstags bis samstags und ist damit die einzige Zeitung in deutscher Sprache im östlichen Europa mit beinahe täglichen Ausgaben. Zu ihren Lesern gehören vor allem die Mitglieder der deutschen Minderheiten: die Banater Schwaben und die Siebenbürger Sachsen. Obwohl die Zeitung vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien, der Interessenvertretung und dem organisierten Verband der deutschen Minderheit, herausgegeben wird, berichtet sie nicht nur über Themen der deutschen Minderheiten, sondern auch über Politik und Gesellschaft des ganzen Landes.

„Im Ressort Innenpolitik beschäftigen uns momentan die Lockerung der Antikorruptionsgesetze, die geplante Justizreform und die damit verbundenen Demonstrationen“, erzählt ADZ-Redakteur Philipp Hochbaum. Aber auch gesellschaftliche Kontroversen greift die Zeitung auf. So hat eine hohe Zahl an Masernerkrankungen im vergangenen Jahr eine Diskussion über das Impfverhalten der Rumänen ausgelöst.

„Die Frage, ob man sich impfen lassen oder sogar eine Impfpflicht einführen sollte, hat auch unsere Redaktion gespalten. Wir haben deshalb mit mehreren Pro– und Contra-Beiträgen die unterschiedlichen Meinungen deutlich gemacht“, sagt Hochbaum. Auch über aktuelle rumänische Kinofilme und Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt berichtet die Zeitung. Für die lokale Berichterstattung sind 13 Redakteure in fünf landesweiten Korrespondentenbüros zuständig. Insgesamt beschäftigt die Zeitung 21 angestellte Mitarbeiter, davon fünf aus den deutschen Minderheiten.

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Vom Neuanfang und neuen Wegen

Seit 2008 wird die Redaktion von Rohtraut Wittstock geleitet. Sie sitzt im Konferenzraum, ihr Blick schweift in den Garten. Mit ruhiger Stimme und einem Lächeln auf dem Gesicht erzählt sie über die Geschichte der ADZ. Schon im sozialistischen Rumänien war Rohtraut Wittstock Redakteurin der ADZ, die damals noch „Neuer Weg“ hieß. Seit der Gründung 1949 bis zur politischen Wende 1989 stand das Blatt unter staatlicher Zensur und hatte die Aufgabe, die deutsche Minderheit von der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu überzeugen. „1992 wagten wir den Neuanfang, gliederten einige Regionalzeitungen ein und brachten sie unter dem heutigen Namen heraus“, erinnert sie sich.

„Neuanfang“ bedeutete nicht nur von der neugewonnenen Pressefreiheit Gebrauch zu machen, sondern vor allem auch eine Lösung für die dramatisch geschrumpfte Leserschaft zu finden. Lebten Mitte der 1960er Jahre noch etwa 380.000 Rumäniendeutsche im Land, ging ihre Zahl im Jahr 2013 auf 36.000 zurück. Die meisten wanderten zwischen 1980 und den frühen 1990er Jahren aus. Im gleichen Zeitraum ging die Auflage der Zeitung von 60.000 Stück in den 1960ern auf 15.000 im Jahr 1990 zurück. Heute werden noch 3.000 Exemplare gedruckt.

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Trotz der Abwanderung ist die Medienlandschaft der deutschen Minderheiten auch heute noch vielfältig. Neben der Allgemeinen Deutschen Zeitung gibt es das lokale Wochenblatt Hermannstädter Zeitung, das ebenfalls über das Stadtgeschehen und nicht nur über die deutschen Minderheiten berichtet, anders als die lokalen deutschsprachigen Radio– und Fernsehsendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie widmen sich fast ausschließlich den Veranstaltungen und Belangen der deutschen Minderheiten und den deutsch-rumänischen Beziehungen.

Alle Medien sehen sich momentan noch mit einem anderen Problem konfrontiert: Junge Menschen lesen Zeitungen nur noch selten gedruckt und hören Radio kaum noch über UKW. Sie informieren sich lieber im Internet. Die ADZ hat eine gut betreute Facebook-Seite, aber die Artikel erscheinen dort und auf der Website erst, wenn die Zeitung schon bei den Abonnenten eingetroffen ist. Ein ausschließlich digitales Abo gibt es nicht.

„Wir kombinieren das Abonnement der PDF-Ausgabe mit dem Print-Abo, damit wir die Auflage beibehalten und so die Druckkosten niedrig halten können“, sagt Wittstock. Möchte die ADZ junge Erwachsene als Leser gewinnen, muss ihr Online-Angebot attraktiver werden. Vielleicht wird die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien auch hier bald einen Neuanfang wagen?

Von Carsten Fiedler

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