Der Deutsche Zollverein (1834-1871) diente als Instrument der damaligen politischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands, analog zur Europäischen Union. In einem direkten Vergleich von EU und EAWU werden Möglichkeiten und Grenzen eines einheitlichen Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Wladiwostok skizziert. Sollte man ihn besser bis Schanghai denken?

[…] De facto endet die Geschichte des Deutschen Zollvereins mit der Reichsgründung 1871. Die Zollvereinsverträge blieben zwar bestehen, die Funktionen des Deutschen Zollvereins gingen jedoch auf das Deutsche Reich über, das nach Art. 33 seiner Verfassung ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet bildet.

Der Zollverein lieferte ein Modell für die wirtschaftliche und schließlich politische Integration. Seine Integrationskraft ist vergleichbar mit der der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1951 und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957, die zur Europäischen Union (EU) führten. Verschiedene europäische Politiker sahen nämlich die beste Möglichkeit der europäischen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet, da nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (1954) die Zusammenarbeit im militärischen und politischen Bereich versperrt war.

Die Parallelen zur Entwicklung von Steuerabkommen seien nach Sunnita Jogarajan offensichtlich. Der Experte für Steuerrecht schreibt: „Obwohl es vor dem 1. Weltkrieg nur relativ wenige Steuerabkommen zwischen einigen Staaten gab, kann es nur wenig Zweifel über deren andauernden Einfluss auf die modernen internationalen Steuerbeziehungen. Die frühen Abkommen waren beträchtlich kürzer als ihre heutigen Gegenstücke, doch die wesentlichen Elemente (Gegenseitigkeit, Wohnsitz, Herkunft) blieben die gleichen.“ Die seit 1847 namentlich an den Deutschen Zollverein erinnernde Zeche und Kokerei „Zollverein“ in Essen gehört seit 2001 zum Weltkulturerbe der UNESCO und wird für kulturelle und museale Zwecke genutzt.

Deutschlands Rückkehr zum Alten Reich

Die Bezeichnung „Deutschland” findet zwar seit der Frühen Neuzeit Verwendung, doch wurde das Geschehen über lange Zeit von unterschiedlichen Bündnissen bestimmt. Das Heilige Römische Reich war kein Nationalstaat, sondern eine Art „Dachverband” unterschiedlicher Fürsten- und Herzogtümer. In ihm entwickelte sich langsam ein Eigenbewusstsein, das ab dem 15. Jahrhundert allmählich zum Zusatz „Deutscher Nation” führte. 1806 erlosch das Heilige Römische Reich; seine Gebiete wurden zum Spielfeld insbesondere für preußische, französische und österreichische Interessen. Zu dieser Zeit kam auch „die deutsche Frage” um die territoriale Ausdehnung eines deutschen Staates auf. Ein deutscher Nationalstaat entstand aber erst 1871 mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches. Mit der Wiedervereinigung von Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik gilt die „Deutsche Frage” als abschließend gelöst.

Im Heiligen Römischen Reich (kurz, „Altes Reich“) gab es einen Interessensausgleich (aka Machtausgleich) zwischen Kaiser („Zentralgewalt“), Reichstag („Oberhaus“), Fürsten („Regionalgewalten“) und Ständen („Volk“). Diese Kultur der Dialogfähigkeit lebt in der heutigen „Sozialpartnerschaft“ zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern fort und hat wesentlich dazu beigetragen, dass – z. B. durch betrieblich und staatlich geförderte Kurzarbeit – die letzte Finanzkrise ohne große Arbeitsplatzverluste überstanden wurde. Außerdem ist es in Deutschland wesentlich einfacher, Koalitionen zwischen Parteien zu schmieden, als, sagen wir, in Frankreich, Spanien, Großbritannien, wo diese Dialog-Tradition fehlt. […]

Die Fortsetzung dieses Beitrags lesen Sie in den nachfolgenden Ausgaben

Peter Enders, Galina Nurtasinowa und Ulf Schneider

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