Die Kanzlerin hat schon mit Robotern die Ghetto-Faust geübt und über das Aus der Deutschen bei der Fußball-WM geschäkert. Mit Künstlicher Intelligenz hat Angela Merkel eigentlich keine Berührungsängste. Trotzdem musste sie nach der holprigen Roboter-Unterhaltung im Sommer eine Gemeinsamkeit feststellen: Sie müssten wohl beide noch viel lernen. Roboter Sophia, der versucht, den Menschen zu imitieren. Doch auch die Kanzlerin und ihre Regierung beim Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

«Wir müssen besser und schneller in der Umsetzung unserer digitalen Vorhaben werden», räumt Merkel im Interview mit dem Nachrichtenportal T-Online ein. Nach der Wahl 2017 hatte sie das Thema ins Kanzleramt geholt. In dem einen Jahr wurden Arbeitsgruppen, Kommissionen, ein Digitalrat und ein Digitalkabinett eingeführt. Deutschland bekam mit Dorothee Bär eine Staatsministerin für Digitalisierung. Doch bisher gibt es wenig greifbare Ergebnisse. Seit Mittwoch sitzt das Bundeskabinett nun in Potsdam zusammen. Das Ziel: Der bisher ziemlich vagen Digitalstrategie Leben einhauchen.

 

Deutschland hat tatsächlich Nachholbedarf: Schon die Grundvoraussetzung – schnelles Internet – fehlt in vielen Regionen. Das ärgert nicht nur Familien, die Zuhause keine Filme streamen können. Die mittelständische Wirtschaft in bestimmten Regionen fällt zurück, weil Unternehmen mit schwacher Internetverbindung weniger effektiv arbeiten. Bei der digitalen Verwaltung ist nicht nur Vorzeigeland Estland längst viel weiter, bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz machen China und die USA Deutschland etwas vor – und das, obwohl die deutsche Grundlagenforschung Top-Ergebnisse bringt.

Im Koalitionsvertrag hatten Union – also CDU und CSU – und SPD viel versprochen: schnelles Internet überall, keine Funklöcher mehr, Behörden, in denen praktisch alles online geht, digitaler Wandel in der Arbeitswelt und in Schulen. Kritiker sagen, die vielen Zuständigen blockierten sich auf diesem Weg selbst. Merkel dagegen betont: «Diese Gremien haben jeweils eigene Aufgaben, die sich ergänzen und ineinander greifen müssen.»

Wo kommt die Digitalisierung voran, wo stockt sie? Eine Bestandsaufnahme zwischen Ist und Soll:

Schnelles Internet

Ziel der Bundesregierung sind Glasfaserleitungen bis vor jede Haustür. Bis 2025 soll der Ausbau des Netzes fertig sein, kündigte Kanzleramtsminister Helge Braun am Mittwoch in der Fernsehsendung ARD-«Morgenmagazin» an. Noch geht es aber schleppend voran: Einen richtig schnellen Internetanschluss mit mehr als 100 Megabit pro Sekunde hat nicht mal jeder zehnte Haushalt. Beim neuen Mobilfunkstandard 5G gibt es Zoff: Die Netzbetreiber sollen verpflichtet werden, Funklöcher zu schließen und eine nahezu flächendeckende Versorgung zu garantieren. Doch bei zu strengen Auflagen werden weniger Betreiber mitbieten, wenn die Lizenzen versteigert werden.

Digitales auf dem Amt

Vom Sofa aus das Auto ummelden, Reisepässe beantragen oder nach der Geburt das Kind anmelden? In anderen Ländern gibt es das längst, sogar Scheidungen kann man am Heim-Computer abwickeln. Hierzulande muss man noch aufs Bürgeramt, doch es geht zumindest langsam in die richtige Richtung: Die Bundesregierung hat die Einführung eines Bürgerkontos angekündigt, spätestens 2022 soll man Behördengänge online und vom Smartphone erledigen können. Dafür müssen allerdings 575 Verwaltungsleistungen digitalisiert werden. Was das zukünftig heißen könnte, lässt ein Prototyp (beta.bund.de) seit September erahnen.

Digitales in der Schule

Tablet Computer statt Schulhefte, interaktive Boards statt Tafeln und digitale Animationen statt Bilder: So sollen Schüler künftig lernen. Die Regierung will in fünf Jahren fünf Milliarden Euro zahlen, um die Schulen komplett internetfähig zu machen und digitalen Methoden zum Durchbruch zu verhelfen. Wo stockt es? Weil Bildung Ländersache ist, kann der Bund nicht grundsätzlich mitfinanzieren. Die Regierung will deshalb das Grundgesetz ändern, doch die Länder sind skeptisch. Kürzlich meldeten Bund und Länder aber Fortschritt: Am 6. Dezember soll eine Vereinbarung stehen.

Digitales beim Arzt

Faxgeräte und Nadeldrucker für Rezepte sind in Arztpraxen noch weit verbreitet – doch hier kommt die Digitalisierung voran. Spätestens 2020 sollen Ärzte papierlose Digitalrezepte ausstellen. Sie könnten dann auch nach Videosprechstunden Medikamente verschreiben. Ein Jahr später soll die elektronische Patientenakte mit Daten von Ärzten und Versicherungen kommen, die die Patienten freiwillig nutzen können. So können sie etwa Medikamentenpläne und Röntgenbilder auf dem Handy dabeihaben. Vorstellbar wäre noch viel mehr: Ortungen dementer Menschen über GPS-Systeme und Sturzsensoren für Pflegebedürftige etwa.

Digitales auf der Arbeit

Besonders Mittelständler arbeiten in Deutschland nicht so digital wie möglich. Ab Januar sollen sie für Qualifizierung und Weiterbildung Hilfen vom Bund bekommen, kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Mittwoch an. «Ich halte das für die Schicksalsfrage, dass wir das gut hinbekommen», sagte er im rbb-Inforadio. Sein Ministerium geht davon aus, dass durch die Digitalisierung bis 2025 etwa 1,6 Millionen Stellen wegfallen – aber auch 2,3 Millionen entstehen. Viele Menschen werden Umschulungen brauchen. In der Landwirtschaft sei die Digitalisierung schon weit, sagte Ministerin Julia Klöckner. Drohnen fliegen über Maisfelder, Erntemaschinen sortieren Trauben nach der Lese, Traktoren fahren per GPS autonom – vieles davon funktioniert aber nur mit stabilem Mobilfunknetz.

Künstliche Intelligenz

Wenn von Künstlicher Intelligenz gesprochen wird, fällt immer wieder der Vergleich zur Dampfmaschine. Ungefähr so wichtig könnte dieses Feld in den nächsten Jahren werden, meinen Experten. Was die Nutzung der lernenden Software angeht, laufen die USA und China Deutschland derzeit den Rang ab. Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass Deutschland zu einem weltweit führenden Standort wird und investiert deshalb rund drei Milliarden Euro vor allem in Forschung und Entwicklung. Ein Problem: Damit die Algorithmen trainiert werden können, braucht man große Mengen an Daten. Deutschlands hohe Datenschutzstandards machen die den Fortschritt schwierig.

Von Theresa Münch, dpa

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