Ausnahmezustand, Einreiseverbote, Schulschließungen – um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, hat die kasachische Regierung in der vergangenen Woche weitreichende Maßnahmen beschlossen. Das wirkt sich auch auf die Arbeit der deutschen Organisationen im Land erheblich aus. Deren Vertreter berichten, wie es ihnen in der aktuellen Krise ergeht.

Mario Schönfeld, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen

„Letzte Woche ging alles Schlag auf Schlag“, erinnert sich Mario Schönfeld von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA). Am Donnerstag verkündete Präsident Tokajew, dass die Schulen ab Montag geschlossen seien. Die Meldung verbreitete sich unter den Lehrern am Freitag via WhatsApp. „Seitdem kann ich nichts machen, mich mit keinem Verantwortlichen treffen“, so Schönfeld. Lehrern sei es untersagt, in die Schulen zu gehen. Der Deutsch-Koordinator arbeitet nun im Homeoffice.

Das größte Problem ist, dass aktuell keine Sprachprüfungen stattfinden können. Am 12. März wurde zwar noch landesweit die schriftliche DSD-I-Prüfung abgenommen. Auch den mündlichen Teil legten Schüler in den Regionen kurz vorher oder nachher ab. An den Almatiner Schulen aber waren die mündlichen Prüfungen später angesetzt. „Für sie gab es daher keine Chance mehr, sie noch durchzuführen“, so Schönfeld. Einzig an der Nasarbajew-Schule in Kalkaman habe es am Montag eine Ausnahme gegeben.

Noch problematischer: Auch die Aufnahmeprüfungen für die Studienkollegs, geplant für den 25. März, können nun nicht stattfinden. Ein Nachholtermin steht noch in den Sternen. Im schlimmsten Fall müssten die Prüflinge auf eigene Kosten zur Aufnahmeprüfung nach Deutschland fliegen.

Doch gibt es in der Krise auch Zeichen der Solidarität: „Das Goethe-Institut in Almaty wollte helfen und hat uns anstelle der Schulen ihre Räume für die Prüfungen angeboten“, schildert ZfA-Koordinator Schönfeld. „Das zeugt von einer guten Zusammenarbeit.“

Eva Schmitt, Goethe-Institut

Das Goethe-Institut unter Leitung von Eva Schmitt versucht derweil, der Situation bei allen Problemen doch etwas Positives abzugewinnen. Zwar leide man auch darunter, dass die Prüfungen alle unbefristet verschoben wurden und Sprachkurse als Präsenzveranstaltungen nicht stattfinden können. Dank der Erfahrungen, die die Kollegen andernorts schon gesammelt hätten, sei man aber gut auf das Kommende vorbereitet gewesen, so Schmitt: „Seit dieser Woche finden die Sprachkurse online per Skype statt, wir testen aber auch andere Formate.“ Die Teilnehmerzahl sei bislang gegenüber den Präsenzveranstaltungen gleich geblieben. Auch die Lehrkräfte kämen gut mit dieser Methode klar.

Weil inzwischen die Bibliothek für Besucher geschlossen ist, wirbt das Goethe-Institut nun auch noch mehr für die „Onleihe“ – „ein Verbundsystem, für das man sich kostenlos auf unserer Seite anmelden kann, und wo man nicht nur Material des Goethe-Instituts findet“, wie Schmitt erläutert.

Weitere mögliche Online-Angebote würden in dieser Woche erörtert, so die Leiterin. „Ich könnte mir zum Beispiel Autorenlesungen vorstellen, die online übertragen werden, mit Interaktionsmöglichkeiten für das Publikum.“ Darüber hinaus gebe es bereits Online-Tutorials sowie informative und Bildungsangebote auf den Webseiten der Goethe-Institute.

Was schmerzt, ist die Absage lange geplanter Veranstaltungen für die Dauer des Ausnahmezustands. Dazu zählt etwa eine Jazztournee, die im April mit sieben Konzerten in drei Ländern hätte stattfinden sollen. Kasachstan war als vorletzte Station ab dem 12. April vorgesehen. Da der Ausnahmezustand wohl bis zum 15. April andauern wird, hätte es aus Sicht von Schmitt keinen Sinn gemacht, daran festzuhalten – selbst wenn die Künstler vielleicht den letzten Teilabschnitt der Tournee (ab 18. April im turkmenischen Aschgabat) hätten bestreiten können, was aber keineswegs sicher ist.

Bartholomäus Minkowski, Deutscher Akademischer Austauschdienst

Für Bartholomäus Minkowski wechseln sich einsame Gänge zum Seminarraum mit Büro-Sitzungen im heimischen Wohnzimmer ab. Als DAAD-Lektor an der Deutsch-Kasachischen Universität Almaty hält er Fernunterricht, während die Studenten per Skype zugeschaltet sind. Aufgaben und Tests gibt‘s auf einer zusätzlichen Unterrichtsplattform zum Download.

Das Informationszentrum des DAAD, welches Minkowski in zweiter Funktion leitet, bleibt vorerst geschlossen. „Meine beiden Mitarbeiter reisen mit den Öffentlichen an, da sehe ich doch eine erhebliche Infektionsgefahr“, sagt Minkowski. Außerdem gebe es immer wieder auch ältere Gäste und Familien mit Kindern, die die persönlichen Beratungsleistungen des IC in Anspruch nähmen – ein zu hohes Risiko.

Die aktuelle Situation bietet dem Leiter aber auch zumindest einen Vorteil: „Wir können jetzt einige Arbeiten erledigen, die sonst liegen geblieben sind.“ Über Mail und soziale Netzwerke bleibt das IC erreichbar. Momentan ist die Zahl der Anfragen aber ohnehin überschaubar, weil die Auswahl der DAAD-Stipendiaten schon erfolgt ist. Diese stehen laut Minkowski dagegen vor einem ganz anderen Problem: „Es ist nicht sicher, ob unsere Stipendiaten auch nach Deutschland einreisen dürfen. Bislang gehe ich davon aus, dass die Stipendien für die Sommermonate nicht erteilt werden können.“ Gemeint sind die Hochschul-Sommerkurse des DAAD, die mit knapp fünfzig Studenten das größte Kontingent an Stipendiaten stellen.

Trotzdem zeigt Minkowski Verständnis für verschärfte Maßnahmen im Kampf gegen Corona: „Wir brauchen einen Mix aus besonnener Kommunikation, um Panik zu vermeiden, und entschlossenem Handeln – keine Peu-à-Peu-Reaktionen. Denn ich bin mir nicht sicher, ob das Gesundheitssystem hier wirklich vorbereitet ist für eine Epidemie großen Ausmaßes. Selbst in Deutschland sieht man ja einzelne Krankenhäuser, die am Limit arbeiten.“

Thomas Helm, Konrad-Adenauer-Stiftung

Betroffen ist auch die Arbeit der parteinahen Stiftungen. Der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kasachstan Thomas Helm beklagt, dass er momentan keine Experten aus Deutschland einladen könne. Veranstaltungen fallen aus oder können nur im sehr kleinen Rahmen stattfinden.

Gerade erst musste die KAS eine große Agrarkonferenz in Nur-Sultan verschieben, die für den 13. März geplant war. Sieben Experten aus Deutschland waren dafür vorgesehen, die aufgrund der verschärften Einreisebestimmungen aber nicht ins Land gelassen worden wären. „Die Kasachen hätten sich im Falle der Durchführung der Veranstaltung mit sich selbst unterhalten“, meint KAS-Leiter Helm. „Gerade Dialog und Beratung sind aber ein wichtiger Teil unserer Arbeit.“

Um einen einigermaßen normalen Betrieb aufrechtzuerhalten, zieht die KAS nun einige Projekte vor – etwa die Auswahl von Stipendiaten, auch via Skype, die Durchführung von Online-Modulen oder die Arbeit an ihren Publikationen und Analysen. „Zeit zum Schreiben hat man ja jetzt genug“, bemerkt Thomas Helm trocken.

Der frühere Referent und Büroleiter in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt grundsätzlich die Maßnahmen, mit denen viele Länder auf Corona reagieren, sieht sie mit Blick auf die zeitliche Dimension aber sehr skeptisch: „Ich glaube nicht, dass wir einen solchen Shutdown über einen langen Zeitraum durchziehen können. Man muss damit sehr vorsichtig sein. Wenn die erheblichen Einschränkungen länger als ein paar Wochen dauern, sehe ich die Gefahr, dass die Menschen verzweifeln.“

Eine weitere Gefahr sei die einseitige Fokussierung auf die gesundheitspolitischen Aspekte. „Dadurch könnten ökonomische und gesellschaftliche Aspekte sowie Fragen der internationalen Zusammenarbeit derart in den Hintergrund treten, dass wir beim Versuch, Gutes zu tun, am Ende schwerwiegende Kollateralschäden hervorrufen.“ Der allgegenwärtigen Weltuntergangsstimmung müssten – gerade auch von Seiten politischer Funktionsträger – positive Botschaften entgegengesetzt werden, die den Menschen Mut machten. Mit Blick auf die Absage von Veranstaltungen warnt Helm daher vor „Schnellschüssen“. Man solle lieber auf Sicht fahren, anstatt sofort bis in den Sommer hinein alles abzusagen, worauf sich die Menschen freuten.

Jörg Pudelka, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

Die Büros der GIZ in Almaty und Nur-Sultan bleiben vorerst geöffnet. Jörg Pudelka, dem Leiter der Gesellschaft in Kasachstan, ist aber wichtig, „dass möglichst viele Mitarbeiter, deren Anwesenheit im Büro nicht unbedingt erforderlich ist, mit ihrem Laptop und Telefon von zuhause aus arbeiten“. Größere Veranstaltungen fänden momentan auch von Seiten der GIZ nicht mehr statt.

Die Organisation steht wie die politischen Stiftungen vor dem Problem, dass Experten aus dem Ausland für Seminare nicht mehr nach Kasachstan reisen können. Diese könnten aber problemlos auch zu Seminaren in Form von Online-Schulungen zugeschaltet werden. Auch interne und externe Meetings würden momentan über Online-Formate abgewickelt, so GIZ-Leiter Pudelka. Im Vordergrund stehe die „Verantwortung für Mitarbeiter und Partner“.

Christoph Strauch

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