Studium und Lehrtätigkeit führten Prof. Michael Minkenberg schon in verschiedene Städte und Länder, zuletzt nach New York, wo er an der dortigen New York University lehrte. Der Politikwissenschaftler beschäftigt sich mit der Nationalismus- und Rechtsradikalismusforschung und der Erforschung des Verhältnisses von Staat und Religion in modernen Demokratien. Im aktuellen Wintersemester lehrt er an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder vergleichende Politikwissenschaft. Die Sommerpause nutzte er, um eine für ihn bisher unbekannte Welt kennen zu lernen – Kasachstan.

/Bild: privat. ‚Prof. Michael Minkenberg.’/

Herr Prof. Minkenberg, Sie arbeiten derzeit neben Ihren Themen wie Staat und Religion sowie Rechtsradikalismus auch an einem Projekt über Hauptstadtneugründungen. Ist es dafür ein Muss, sich Astana anzuschauen?

Auf jeden Fall! Insgesamt interessiert mich an neu gegründeten Hauptstädten, welche Rolle das urbane Design beim Bauen spielt und wie die Politik und Administration im Stadtbild umgesetzt wird. Diese Visualisierung fasziniert mich und ich habe mir schon Washington, Canberra und Brasilia auf diese Aspekte hin angeschaut. Astana ist besonders interessant. Die Stadt und der Boom, den sie gerade erlebt, sind einfach beeindruckend. Da hatte ich etwas ganz anderes erwartet.

Was denn?

Eher wie man es in Osteuropa findet. Man erlebt in Astana aber eine bizarre Mischung von Postmodernismus und postsowjetisch renovierter Architektur. Vieles erinnert mich an Ostberlin. Astana könnte eine Mischung sein aus Alexanderplatz und Frankfurter Allee. Ich finde, Astana ist eine ehrliche Hauptstadt, die ihrem Besucher direkt zeigt, wo in Kasachstan die Prioritäten liegen. Dass auf der Monumentalachse an dem einen Ende der Präsidentenpalast und am anderen das kasachische Mineralölministerium und der staatliche Konzern KazMunaiGas zu finden ist, zeigt deutlich: „Das sind unsere beiden Machtzentren.“ Der Rest wird um diese Gebäude herum konzipiert. Das finde ich vom städtischen Design her sehr ausdrucksstark.

In Ihrer Arbeit beschäftigen Sie sich hauptsächlich mit europäischen Ländern und den USA. Welche Erfahrungen haben Sie in Kasachstan gemacht, und was haben Sie über Kasachstan gelernt?

Hier in Kasachstan bin ich mit Politikern und Forschern zusammengekommen und durfte verschiedene Vorträge halten. Bei einer Konferenz in Almaty, wo es um die Beziehung zwischen Staat und Religion im Kontext der Modernisierung Kasachstans ging, habe ich beispielsweise zum Thema Religion, Staat und Demokratie in der westlichen Welt referiert.

Worüber haben Sie gesprochen?

Dabei bin ich darauf eingegangen, dass sich mit zunehmender religiöser Pluralisierung Fragen ergeben, denen sich die westlichen Gesellschaften dringend stellen müssen. Das betrifft unter anderem den staatlichen Umgang mit der multikulturellen Gesellschaft und den Umgang mit fremdenfeindlichen Bewegungen innerhalb der Gesellschaft.

Zu dem Thema kann ich aus meinen Erfahrungen des letzten Monats noch hinzufügen, dass mich hier, im Vergleich zu anderen muslimischen Ländern, die relativ entspannte Atmosphäre in Religionsfragen überrascht hat. Ich hörte immer nur, egal mit wem ich sprach, es gäbe kaum Konflikte diesbezüglich.

Woran könnte das liegen?

Ich denke, das hängt damit zusammen, dass die anderen Religionsgemeinschaften, abgesehen von der orthodoxen Kirche, so klein sind, dass sie einfach nicht ins Gewicht fallen. Das kann sich natürlich ändern. Vor meiner Reise dachte ich jedenfalls, dass Kasachstan ein islamisch geprägtes Land sei und man das stärker merke. Jetzt, vor Ort, erfahre ich, dass dies nicht so ist.

Würden Sie sich nach dem Monat in Kasachstan gern in Ihrer Arbeit, abgesehen von der Forschung zu den Hauptstädten, mehr mit Zentralasien beschäftigen?

Lust dazu hätte ich schon, aber die Sprache ist leider ein Problem, ich spreche kein Russisch.
Da ist die Beschäftigung mit den Hauptstädten einfacher, dabei muss ich keine Interviews führen. Aber Interesse, mich weiter mit Kasachstan zu beschäftigen und bald wiederzukommen, habe ich auf jeden Fall.

Interview: Kathrin Justen

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