Die Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien und Germany Trade & Invest haben die Infobroschüre „Kasachstan in Zahlen“ für 2020 herausgegeben. In der Informationsbroschüre lassen sich auch bereits Schlüsse auf die Corona-Auswirkungen für die kasachische Wirtschaft ziehen.

Ob im Bereich der Transportlogistik, beim Ausbau der erneuerbaren Energien oder in der Landwirtschaft – der kasachische Markt bietet großes Potential auch für die deutsche Wirtschaft. Das wird nicht nur immer wieder von beiden Seiten mit Worten betont, sondern auch durch neue bilaterale Abkommen und konkrete Engagements deutscher Firmen demonstriert. Zuletzt konnte man dies im August beobachten, als Linde Gas ein neues Werk zur Produktion industrieller Gase eröffnete und CLAAS ein Abkommen über die Eröffnung eines Werks zur Produktion von landwirtschaftlichen Maschinen unterzeichnete.

Über die beiden erfreulichen Fälle berichtete zuletzt auch Hovsep Voskanyan, Delegierter der deutschen Wirtschaft für Zentralasien. Er tat dies in seinem Grußwort für die neue Ausgabe von „Kasachstan in Zahlen“ für 2020. Die Informationsbroschüre wurde vergangene Woche von der Delegation der Deutschen Wirtschaft gemeinsam mit GTAI herausgebracht. Sie richtet sich an weitere Unternehmen, die potentiell an Investitionen oder Absatzmärkten in Kasachstan interessiert sind. Unterstützung erhielten die Autoren auch von den Beratungsgesellschaften Rödl & Partner sowie RSP International, deren Vertreter Partnerbeiträge mit Empfehlungen verfassten. Zudem gaben die Vertreter dreier deutscher Firmen Interviews zu ihren Aktivitäten in Kasachstan.

Die vorgestellten Zahlen geben zum Teil auch einen Eindruck davon, wie sich die Corona-Krise wirtschaftlich auf Kasachstan ausgewirkt haben. So berufen sich die Autoren der Studie auf eine Prognose des Beratungsunternehmens „The Economist Intelligence Unit“ (EIU), die für das laufende Jahr einen BIP-Rückgang von 3,2 Prozent sieht. 2021 soll es dann mit 3,3 Prozent wieder aufwärts gehen. Jan Triebel, als GTAI-Direktor für Kasachstan, Kirgisistan und die Mongolei für die Broschüre mitverantwortlich, spricht darin von einer „Konjunkturdelle“. Er schätzt, dass ein stärkerer Einbruch „vermeidbar sein“ sollte, da „die Regierung frühzeitig mit umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen und Bevölkerung gegensteuerte“.

Industrieproduktion wuchs langsamer

Bei der Zusammensetzung des BIP zeigt sich, dass sich die Anstrengungen der kasachischen Regierung hin zu einer stärkeren Industrialisierung in den letzten Jahren noch nicht vollumfänglich ausgezahlt haben. So lag der Anteil des Industriesektors 2019 nach vorläufigen Angaben des Komitees für Statistik mit 27,5 Prozent etwas niedriger als 2018 (28,2 Prozent). Dienstleistungen machten wie im Vorjahr mit 55,5 Prozent mehr als die Hälfte des BIP aus. Real ist die Industrieproduktion im vergangenen Jahr gegenüber 2018 zwar um 3,8 Prozent gestiegen.

Im Jahr davor hatte das Wachstum jedoch 4,4 Prozent, 2017 sogar 7,3 Prozent betragen. Allerdings war dieser auffällig hohe Wert einem Einmalereignis geschuldet gewesen: der Inbetriebnahme des Ölfelds Kasachagan. Für 2020 erwartet die Regierung einen Rückgang der Industrieproduktion von 3 Prozent. In den kommenden Jahren soll es wieder Zuwachsraten von 3 bis 6 Prozent geben. Angetrieben wurde das Wachstum der Industrieproduktion 2019 in erster Linie von der Stromwirtschaft und dem verarbeitenden Gewerbe. Die Autoren des Berichts nennen hier die Branchen Pharma, Automobil, Textilien und Getränke.

Interessant ist ein Blick auf die Herkunftsländer von ausländischen Direktinvestitionen, denen sich der Bericht ebenfalls widmet. Der Großteil der insgesamt 149,4 Milliarden US-Dollar, so die Autoren unter Berufung auf die Kasachische Zentralbank, stammt demnach aus den Niederlanden (59,9 Milliarden US-Dollar, d. h. 40,1 Prozent). Als einen der Gründe hierfür führen sie an, dass „viele ausländische Firmen ihre Investitionen in Kasachstan über Holdinggesellschaften in den Niederlanden tätigen“. Den zweiten Platz belegen übrigens die USA, die 24,4 Prozent der Direktinvestitionen beisteuern, gefolgt von Frankreich und China mit 8,9 bzw. 5,1 Prozent. Ein gewaltiger Großteil von 76 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen floß auch 2019 in den Bergbau, weit abgeschlagen folgten Verarbeitende Industrie sowie Transport und Lagerung.

Wenig überraschend: Corona führt zu Einkommenseinbußen

Aktuelle Aussagen lassen sich auf Grundlage des vorliegenden Materials auch bereits zur Inflationsrate treffen. Diese lag laut Kasachischer Zentralbank im Juni 2020 mit 7,0 deutlich über der aus den beiden Vorjahren (2018: 5,3; 2019: 5,4), aber immer noch minimal unter der von 2017 (7,1).

Zudem halten es die Autoren der Broschüre für „wahrscheinlich“, dass Corona zu Einbußen bei der Entwicklung des Realeinkommens geführt hat. Dabei hatte es laut den bislang bekannten Zahlen bis zum Ausbruch der Pandemie in Kasachstan ganz ordentlich ausgesehen. Demnach lagen die monatlichen Pro-Kopf-Einkommen im ersten Quartal 2020 real etwa 7 Prozent (283 US-Dollar) höher als im Vorjahr.

Bemerkenswert ist das Lohngefälle zwischen den einzelnen Branchen. So zeigen Daten des Statistikkomitees, dass Beschäftigte im Finanz– und Versicherungswesen 2019 doppelt so viel verdienten wie der Landesdurchschnitt. Dabei gehören gerade einmal 2 Prozent der Arbeitnehmer diesen Berufsgruppen an. Bereits unter dem Durchschnittsniveau lagen demnach Groß– und Einzelhandel sowie Auto– und Motorradservice. Am wenigsten verdienen seit Jahren Beschäftigte in der Landwirtschaft. Das ist insofern relevant, als in den letztgenannten Bereichen die meisten Menschen angestellt sind.

Christoph Strauch

Die komplette Broschüre ist auf der Seite der AHK Zentralasien zu finden.

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