In jedem Land schwitzt man anders. Auch Kasachstan hat seine eigene Saunakultur. Dass vor allem im Ländlichen viele Leute auf ihre kleinen Privatbanjas schwören, liegt an den hygienischen Zuständen in früheren Zeiten. Die bedingten allerdings auch das Entstehen größerer und modernerer öffentlicher Badehäuser in den Städten – wie etwa des Arasan in Almaty.

Die kalte Jahreszeit beginnt. Nicht nur erstrahlen die Bäume bereits in allen Herbstfarben und verlieren ihre Blätter, es wird nun auch jeden Tag deutlich kühler. Viele Menschen nehmen diese Jahreszeit zum Anlass, Thermen und Vergnügungsbäder zu besuchen. Schließlich hat dort das Wasser immer eine angenehme Badetemperatur. Und auch in den zahlreichen Saunen, die unter den Deutschen so beliebt sind, kann man das schmuddelige Herbstwetter ausschwitzen und etwas verdrängen. In Deutschland steht dabei der Wohlfühl- und Wellnesscharakter meist an erster Stelle.

Zudem gehen die Menschen seit Jahrhunderten in das Badehaus, um dem Grundbedürfnis der Körperpflege nachzugehen. Die Deutschen werden bisweilen zu Recht für die etwas merkwürdige Angewohnheit belächelt, sich völlig nackt in gemischten Saunen zu erholen.

In Russland und Zentralasien ist dies ganz anders – vor allem im ländlichen Raum, in verschlafenen Dörfchen wie Arasan im Gebiet Almaty. Hier besitzen die Privathäuser der alten Menschen bis heute ihre eigene, kleine, private Banja, die man niemals mit Fremden teilen würde. Noch immer eine Tradition aus der guten alten Zeit, und oftmals bis heute eine dringende Notwendigkeit, da es vielerorts noch immer an fließendem Wasser und einer Kanalisation fehlt.

Modernistisch und zentralasiatisch zugleich

Denn im vorrevolutionären Werny sah es um die Körperpflege und die persönliche Hygiene schlecht aus. Bis zur Oktoberrevolution existierten lediglich zwei öffentliche Badehäuser. Das „Kommerzielle Volksbad der Brüder Titow“, sowie die „Zhipenkow-Banja“. Die gesamte damalige Bevölkerung der Stadt war gezwungen, diese Badeanstalten aufzusuchen. Die hygienischen Zustände dort müssen grauenvoll gewesen sein. Bereits 1921 erließ das Revolutionskomitee der Region Siebenstromland das Dekret „Über die Versorgung der Bevölkerung der Republik Turkestan mit Badehäusern“. Die staatliche Banja Nr. 1 entstand 1926, bis in die 1950er Jahre gab es fünf solcher Badeanstalten in Alma-Ata.

Nachdem das usbekische Taschkent 1966 schwer von einem Erdbeben getroffen und in weiten Teilen zerstört worden war, ließen die Architekten dort ihren Visionen vom sowjetischen Modernismus in Zentralasien freien Lauf. So entstand bis 1974 auch das gewaltige staatliche Badehaus von Taschkent, ein modernistischer Bau mit starken zentralasiatischen Einflüssen. Inspiriert von diesem Projekt ersannen die Architekten W. Chan und M. Ospanow ebenfalls ein modernistisches und gleichzeitig zentralasiatisch inspiriertes Badehaus für Alma-Ata. In der Gogol-Straße, an jenem Ort, an dem es bereits 1935 eine Banja gab, eröffnete 1982 ein Badekomplex, der ebenso wie das kleine Dorf im Gebiet Almaty den Namen „Arasan“ verliehen bekam, kasachisch für: „Warme Quelle“.

Unter den weitläufigen Kuppeln des massiven, fünfstöckigen Granitbaus vermischen sich seitdem die Kulturen des Westens und des Ostens. Architektonisch vereint sich hier zentralasiatische Ornamentik mit der Sachlichkeit des Modernismus, finnische Saunen treffen mit russischen Dampfbädern und türkischen Hammams aufeinander. Die ersten Jahre der Unabhängigkeit verliefen für den Arasan-Badekomplex allerdings ebenso unruhig wie für viele andere ähnliche Institutionen. Die Arasan-Bäder gingen aus staatlicher in private Hand über. Auch hier konnten grundlegende sanitäre Hygieneregeln irgendwann nicht mehr eingehalten werden, und die Bäder mussten 2006 schließen. Noch schlimmer traf es das modernistische Badehaus in Taschkent, welches um die Jahrtausendwende vollständig abgerissen wurde.

Abschwung und Wiederaufstieg des Arasan nach 1990

Doch das Arasan-Badehaus von Almaty lebt. Es wurde komplett saniert, erstrahlt seit 2012 in neuem Glanz und erfreut sich in der Bevölkerung größter Beliebtheit. Es ist ein Wunder, dass die Architektur und die Innengestaltung erhalten blieben. Der Eintrittspreis mag etwas über dem Durchschnitt liegen. Allerdings ist er noch immer so moderat, dass viele Almatiner auch heute noch wenigstens einmal in der Woche hierher zum Baden und zur Körperpflege kommen.

Und noch etwas anderes hat sich seit Beginn nicht geändert: Männer und Frauen gehen hier strikt getrennt in zwei so gut wie identischen Gebäudeteilen rechts und links des Haupteingangs baden. Zusammen nackt in die gemischte Sauna zu gehen wäre außerhalb Deutschlands auch im Jahr 2020 noch undenkbar. Davon abgesehen lassen sich im Arasan-Badehaus allerdings sämtliche Annehmlichkeiten eines modernen Spa-Komplexes erleben. Eine Wohltat für einen grauen und kalten Herbsttag. Besser mag es wohl nur noch in einer der kleinen privaten Hausbanjas im Dörfchen Arasan sein.

Philipp Dippl

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