Steppe um mich herum, die Sonne brennt unerbittlich vom Himmel. Vor mir liegt ein Polizei-Checkpoint. Ein Mann in blauer Militäruniform mit russischen Abzeichen schaut in das Auto. Er wirkt streng und zeigt keinerlei Emotionen. Seine Augen sind hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Zum Glück habe ich alle notwendigen Dokumente.

Schon vor Wochen habe ich mich darum bemüht, einen Passierschein in die Stadt Baikonur zu erhalten. Es war nicht einfach, denn es ist eine geschlossene Stadt. Die politische und rechtliche Situation ist höchst komplex. Obwohl Baikonur im Süden Kasachstans liegt, steht es unter russischer Verwaltung. Russland pachtet das Areal „Baikonur“ mitsamt der Stadt und dem 30 Kilometer entfernten Weltraumbahnhof seit 1994. Und so übt hier die russische Polizei die Hoheitsrechte aus; die Währung ist der Rubel.

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Auf dem Weg in das Stadtzentrum, entlang des Koroljow-Prospekts, ziehen zahlreiche sowjetische Raumfahrtmonumente vorbei, rechts ein Mosaik mit Kosmonauten, links eine Statue von Juri Gagarin, in einem kleinen Park eine gigantische Sojus-Rakete. Es ist die Einstimmung auf die nächsten Stunden im Weltraumstädtchen Baikonur.

Sergej Pawlowitsch Koroljow war der höchste sowjetische Raketenkonstrukteur. Er entwickelte die erste Interkontinentalrakete (R-7) der Welt und den ersten Satelliten, der in die Erdumlaufbahn geschossen wurde. Juri Gagarin wurde 12. April 1961 von Baikonur aus mit dem von Koroljow entwickelten Raumschiff Wostok-1 als erster Mensch ins Weltall geschickt. Und Koroljow erschuf die Sojus-Rakete, die bis heute für Raumflüge zur Internationalen Raumstation ISS eingesetzt wird. Auch ihm ist, neben dem Prospekt, der die Stadt über den kleinen Militärposten mit der Außenwelt verbindet, ein Denkmal gesetzt. Dieses befindet sich am Anfang einer kleinen Fußgängerzone, in der das Leben erstaunlich gewöhnlich abläuft. Kleine Cafés und Geschäfte reihen sich aneinander.

Während ich mich in einem kleinen Café ausruhe, findet zur gleichen Zeit im Hotel „Baikonur“ eine Pressekonferenz statt. Der Russe Alexander Skworzow, der Italiener Luca Parmitano und der Amerikaner Andrew Morgan stellen sich, komplett abgeschirmt von der Außenwelt, ein letztes Mal den Fragen der interessierten Presse, bevor sie sich in wenigen Stunden an Bord der Sojus-13M auf den Weg zur ISS machen werden.

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Am Ende der kleinen Fußgängerzone befindet sich der Leninplatz, wo die Statue von Wladimir Lenin den Kosmonauten noch immer alles Gute bei der Eroberung des Kosmos wünscht. Auf der rechten Seite des Platzes thront majestätisch das Hauptquartier der russischen Weltraumbehörde „Roskosmos“. Gegenüber befindet sich das Hotel „Zentralnaja“, von dem an diesem Tag pausenlos Busse vor- und abfahren. Hier sind Pressevertreter und besondere Gäste untergebracht, die den Raketenstart direkt von der Startrampe mitverfolgen dürfen. Sie alle sind auf dem Weg zum Kosmodrom, als es dämmert. Ich habe leider keine Erlaubnis hierfür bekommen.

Am Abend, als es schon dunkel ist, stehe ich, leicht erhöht, etwas außerhalb der Stadt. Bis zum Startplatz sind es etwa 30 Kilometer. Um Punkt 21:28 Uhr höre ich lautes Grummeln und ein gleißender Feuerball erscheint am Horizont, der sich langsam, immer schneller werdend, vom Boden in den Himmel schraubt. Es vergehen nur ein paar Sekunden, bis das grelle Licht in der Dunkelheit verschwindet. Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen.

Die Sojus-MS13 dockt nach sechs Stunden Flug erfolgreich am Arbeitsmodul Swesda der ISS an. Zu dieser Zeit schlafe ich allerdings schon tief und fest und träume noch lange von diesem glitzernden Funkeln, von dem Feuerball, den die Rakete auf dem Weg in den Weltraum hinter sich herzog.

Philipp Dippl

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