Kratzen, schaben, walzen – Elf Studenten der Kasachischen Nationalen Pädagogischen Abai-Universität nahmen eine Woche lang am Projekt „Kunstdruck/Druckkunst“ teil. Dabei durften sie den europäischen Kunstdruck kennenlernen. Das Projekt fand im Rahmen des Jahres „Deutschland in Kasachstan“ statt und umfasste neben dem Workshop für Kunststudenten auch eine Ausstellung deutscher Druckgrafiken.

/Bild: Antonie Rietzschel. ‚Die Ergebnisse des Workshops wurden anschließend in der Universität ausgestellt.’/

Hannes Schützler hilft einer Studentin beim Druck an der Presse.

Behutsam legt Dina das feuchte Papier auf die eingefärbte Linolplatte. Noch eine Schicht Stoff darüber, dann dreht sie, wie ein Kapitän an dem großen Rad der Presse, das ihr Kunstwerk unter der Walze durchlaufen lässt. Die Spannung steigt, als sie langsam das frisch bedruckte Papier vom Linol ablöst. Mit den von Tinte geschwärzten Fingern deutet sie auf eine verschmierte Stelle. „Das macht nichts! Zufälle machen es lebendiger“, meint Hannes Schützler aufmunternd. Der 35-Jährige hat Kunst und Pädagogik studiert und arbeitet seit vier Jahren als freiberuflicher Künstler in einer Druckwerkstatt in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Woche lang leitet er in Almaty einen Workshop, bei dem er elf Studenten der Kunstpädagogik den europäischen Kunstdruck näher bringt.

Eingeschränkte Kreativität

Der Künstler ist von der Exaktheit der Arbeitsweise der Studenten in Almaty beeindruckt, auch wenn sich seiner Meinung nach die Vorstellungen von Kunst unterscheiden. „Das künstlerische Schaffen in Kasachstan ist noch sehr akademisch geprägt und verschult. Das schränkt die Kreativität ein“, sagt Hannes Schützler. In Europa und besonders Deutschland sei indes primär die Freiheit des Künstlers wichtig. Das war auch für die 22-jährige Studentin Dina neu: „Es gab keine thematischen Vorgaben. Herr Schützler hat einfach gesagt: ‚Das, was du willst, das mache!‘“

Mit einem speziellen Messerchen schabt sie aus dem braunen Linol Linien heraus, die die kantigen Züge eines Gesichts annehmen. Schließlich blickt sie ein weinender Harlekin an. Die Studenten fangen an zu experimentieren: Als eine Teilnehmerin mit einem bedruckten Stück Tapete den deutschen Künstler nach seiner Einschätzung fragt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht: „Auf Tapete, warum nicht?“ Es sei wichtig, auch mal über den Tellerrand zu schauen – besonders für die zentralasiatische Kunst, die immer noch überwiegend durch Folklore geprägt sei. „Ornamentik spielt hier noch eine große Rolle. Ich habe den Studenten immer wieder gesagt: ‚Lasst diese Schnörkel weg!‘“

Weitere Workshops geplant

Neben dem Workshop mit Hannes Schützler umfasst das Projekt „Kunstdruck/Druckkunst“ auch eine Ausstellung des Sammlers und Druckkünstlers Ernst Lau, die einen Querschnitt der Werke deutscher Künstler aus dem 20. Jahrhundert darstellt. „Nachdem wir 2008 mit dem Projekt ‚500 Jahre Druckkunst‘ einen Blick in die Geschichte gewagt hatten, wollten wir bewusst mit den diesjährigen Veranstaltungen in die Zukunft schauen“, sagt die Organisatorin Aigul Koschajewa. Es seien weitere europäisch-kasachstanische Kooperationen und Workshops geplant.

Auf die Frage hin, inwieweit denn der Kunstdruck in Zeiten moderner Technik noch eine Zukunft habe, meint Schützler: „Die kunsthandwerkliche Tätigkeit überwiegt über die Kälte und Unmenschlichkeit des Computers. Daher wird sie auch immer Zukunft haben.“ Die Zusammenarbeit der Teilnehmer an dem Workshop hat dies eindrucksvoll gezeigt.

Von Vinzenz Greiner

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