Phasenweise gesellen sich zu den überlebenswichtigen Grundnahrungsmitteln wie Brot, Bier und Bratwurst andere Dinge, die man unbedingt braucht. Eine Zeitlang war es das Yoga. Ohne Yoga kam man nahezu gar nicht zurecht. Yoga teilte die Menschen in zwei Gruppen ein: Wer es betrieb, zählte zu den glücklichen, entspannten und gesunden Menschen. Wer es ließ, blieb eben unzufrieden, verspannt und verkrampft. Jetzt ist es das Coaching.

Der moderne Mensch will in Zeiten der Globalisierung weder auf der Stelle stehenbleiben, noch will er sich mitreißen lassen. Der moderne Mensch will sich weiterentwickeln, am liebsten diametral entgegengesetzt zur Globalisierung. Er will sich entschlacken und entschleunigen, in sich reinhorchen und Klarschiff machen, um dann selbstbewusst und selbstbestimmt das Ruder in die Hand zu nehmen, jawoll! Nach dem Coaching ist nämlich Schluss mit „Sich-herum-Kommandieren-lassen“ und Opferrolle und Selbstmitleid und so. Danach bietet man allem und jedem die Stirn oder lässt, je nach Passform der Kommunikation und Interaktion, Bösewichte auflaufen und im Regen stehen.

Ich bin auch eine Verfechterin der Steigerung des Wohlbefindens durch Abwerfen von ollem Ballast, doofen Verhaltens-, und Denkmustern. Wie man das anstellt, sei dahingestellt, denn viele Wege führen nach Rom, die Wege des Herrn sind unergründlich, und jeder Jeck ist anders. Und darum kann man beim Coaching eigentlich nicht viel falsch machen. Hauptsache, man kitzelt mit feinfühligen oder provokativen Fragen die Antworten aus den Klienten heraus, die sie ganz tief in ihrem Inneren nämlich schon kennen, aber sich nie zu sagen trauten. Wenn ein Coach Händchen hält, lassen sich neue Lebensziele viel mutiger formulieren und wenn man ganz mutig und fleißig ist, sogar auch noch umsetzen.

Jetzt ist es aber so, dass ein guter Coach die Verantwortung für das Erkennen und Benennen von Problemen, Hindernissen, Herausforderungen und Zielen letztlich dem Klienten überlässt. Und dass das „Viele-Wege-nach-Rom-Dings“ angemessen respektiert wird. Und dass ein Klient ganz unbedingt seine demokratische Gesinnung mit dem kritischen Hinterfragen nicht nur beibehalten, sondern sogar gezielt einsetzen sollte. Und wenn ein Klient merkt, dass ihm ein Coaching nicht guttut, die Methode nicht zu Person und Problem passt, er fragwürdige Dinge am Coaching wahrnimmt und diese benennt, dann ist das eigentlich ein Zeichen für einen selbstbestimmten Menschen, wie man ihn sich nur als Coach wünschen kann. So dachte ich. Und so war es auch bisher in meinen Coachings. Und so habe ich mich stets gut und gerne von meinen Coachs beraten lassen. Und weil es mir stets viel gebracht hat und ich mal wieder Lust hatte, noch mehr auszusortieren, was mir überflüssig vorkommt, meldete ich mich nach einer längeren Coaching-Abstinenz frohgemut zu einem Coaching-Wochenende an.

Und erlebte ganz wundersame Dinge. Die ich allesamt in Frage stellte. Woraufhin ich aus dem Coaching flog. Wie es dazu kam? Das ist eine lange Geschichte. Ich werde in der nächsten Ausgabe ausführlich berichten.

Julia Siebert

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