Özgecan Kesici lebt und studiert in München. Ihre Großeltern sind in den 50er Jahren aus Ostturkestan in die Türkei emigriert, ihre Eltern kamen in den 80er Jahren nach Deutschland. Schon seit ihrer Kindheit ist die Deutsche neugierig auf die Heimat ihrer Vorfahren und engagiert sich in München im Verein für kasachische Kultur- und Völkerverständigung. Im August ist Özgecan das erste Mal nach Kasachstan gereist.

/Bild: privat. ‚Özgecan Kesici auf der Konferenz der kasachischen Diaspora in München.’/

Özgecan Kesici – ihr Name klingt in deutschen Ohren türkisch, ihre mandelförmigen Augen und die dunklen Haare verraten die kasachischen Wurzeln, auf ihrem Pass steht „Bundesrepublik Deutschland“ und ihr Englisch ist nahezu akzentfrei. Auf die Frage nach ihrer Identität muss Özgecan Kesici einen Moment nachdenken, dann zuckt die 22-Jährige mit den Schultern und lächelt. „Ich habe irgendwie von allem etwas“, sagt Özgecan, deren Eltern aus der Türkei nach Deutschland immigriert sind. Sie selbst ist in Deutschland geboren und hat dort eine englische Schule besucht, heute studiert sie in München Politikwissenschaft.

Özgecans Großeltern sind ethnische Kasachen, sie haben in den 50er Jahren Ostturkestan verlassen und sich in der Türkei niedergelassen. Ihre Eltern sind beide in der Türkei geboren, trotzdem haben sie die kasachische Kultur ihrer Vorfahren stets gepflegt. Damit die Sprache und das Wissen um Feste und Traditionen nicht verloren gehen, engagiert sich die ganze Familie Kesici im Verein für kasachische Kultur und Völkerverständigung in München.
Die Frage nach ihrer Identität beschäftigt nicht nur Özgecan. Auch andere Jugendliche der kasachischen Diaspora setzen sich mit ihren deutschen, türkischen und kasachischen Wurzeln auseinander. Aus diesem Grund hat der kasachische Kulturverein im April 2009 in München eine Konferenz für junge deutschsprachige Kasachen organisiert, auf der sich die Teilnehmer über Identitäts- und Integrationsfragen austauschen konnten. „Ich habe dort einen Vortrag über die Migrationsgeschichte der in Europa lebenden Kasachen gehalten“, erzählt Özgecan. Ihr sei es wichtig, dass das Wissen über das Schicksal der Kasachen nicht verloren geht, sagt die Studentin.

Auf der Suche nach der kasachischen Kultur

Dass es gar nicht so einfach ist, sich in Deutschland über die kasachische Geschichte und Kultur zu informieren, hat Özgecan herausgefunden, als sie mit 15 Jahren anfing, sich für die Geschichte ihrer Familie zu interessieren. „Zuerst habe ich den Bücherschrank meiner Eltern durchforstet, da war aber das meiste auf Russisch und das kann ich nicht so gut lesen.“ Einen Band des Nationaldichters Abai hat sie dann aber doch gefunden und war fasziniert.

„Kasachstan war wie eine geheime Welt für mich und da ich nirgendwo etwas über Kasachstan mitbekam, habe ich angefangen, nach kasachischer Literatur auf Deutsch oder Englisch zu suchen“, erinnert sich Özgecan. Mittlerweile hat sie ihre Suche auf das Internet ausgeweitet und freut sich, wenn sie, wie jüngst, in einem Onlineantiquariat auf eine englische Ausgabe von Muchtar Auesow stößt.

Im August dieses Jahres hatte die 22-Jährige endlich die Möglichkeit, Kasachstan kennen zu lernen. Als Teilnehmerin der Sommerseminare an der Deutsch-Kasachischen Universität hat Özgecan zwei Wochen in Almaty verbracht und mit anderen deutschen und zentralasiatischen Studenten über das Thema soziale Nachhaltigkeit in Zentralasien diskutiert.

Und wie ist es, das Land aus den vielen Erzählungen selbst zu bereisen? „Schön“, sagt Özgecan schwärmerisch. „Am meisten freue ich mich, die kasachische Sprache zu hören und in so viele kasachische Gesichter zu sehen.“ Die Menschen, die Natur, die Kultur – von allem sei sie nur positiv überrascht. Dennoch, die Wochen in Almaty sollen nur ein erster Eindruck sein. Nach ihrem Studium will Özgecan für längere Zeit nach Kasachstan kommen, um das Land besser kennen zu lernen und ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Was sie dann zukünftig auf die Frage zu ihrer Identität erwidern wird, muss sich Özgecan noch überlegen. Antworten kann sie dann aber auf Kasachisch, Russisch, Türkisch oder Deutsch.

Von Jennifer Brandt

28/08/09

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