Die Bundesregierung baut wie zuletzt in Chile zunehmend auf „Rohstoffpartnerschaften“, um die eigene Versorgung zu sichern. In Kasachstan kommt das Abkommen allerdings nur langsam aus den Startlöchern.

Partnerschaft mit Hindernissen – das wäre wohl eine geeignete Bezeichnung für das Rohstoffabkommen zwischen Deutschland und Kasachstan. Am 8. Februar letzten Jahres unterzeichneten Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und sein kasachischer Kollege Asset Issekeschew ein Dokument, das sich unter dem Leitmotiv „Rohstoffe für Technologien“ zusammenfassen lässt. Ziel ist die Schaffung einer Win-win-Situation: Deutschland liefert das technologische Know-how, das Kasachstan für den Aufbau seiner verarbeitenden Industrie benötigt. Im Gegenzug erhalten deutsche Unternehmen privilegierten Zugang zu kasachischen Rohstoffvorkommen.

Entwicklungshilfe statt Investitionen

Objekt der Begierde: Ein neuer Wettlauf um Seltene Erden ist im Gange. | © Terence Wright, London Commodity / flickr.com

Doch in der Umsetzung hapert es. Die Unternehmen zieren sich, erwähnenswerte Investitionen in Kasachstans Rohstoffsektor zu tätigen. Vielen ist das Risiko zu hoch, die Rechtssicherheit zu gering. Stattdessen sind in Kasachstan Korruption und eine ausufernde Bürokratie allgegenwärtig. Aus Branchenkreisen verlautet es, dass selbst für ein kurzes, unverbindliches Gespräch mit einem kasachischen Bezirkspolitiker ein starres und zeitraubendes Protokoll einzuhalten sei.

Nicht einfacher wird die Lage durch den Ausfall der staatlichen Hermesdeckungen. Der Kreditversicherer Euler Hermes, der im Auftrag der Bundesregierung Exportkredite mit Versicherungen absichert, hat während der Finanzkrise 300 Millionen Euro in Kasachstan verloren. Weitere Garantien werden deswegen nur zögerlich vergeben. „Der kasachische Markt ist stark reguliert und birgt Investitionsrisiken“, erklärt der Analyst Manfred Stamer.
Dabei hatten sich die Kasachen von dem Abkommen versprochen, dass deutsche Ingenieure besser gestern als morgen die alten Minen modernisieren, komplette Fabriken aus dem Boden stampfen und im Gegenzug die begehrten Bodenschätze mitnehmen dürfen. Dies ist nicht der Fall. Stattdessen hat die Rohstoffpartnerschaft bisher vor allem langfristige Programme hervorgebracht, die helfen sollen, das Investitionsklima im Allgemeinen zu verbessern. Ansatzpunkte sind beispielsweise die Verbesserung der Berufsausbildung oder die Organisation regelmäßiger Treffen, auf denen sich die Verantwortlichen austauschen und Vertrauen aufbauen können. „Der Wunsch, mit Deutschland im Bereich mineralischer Rohstoffe zusammenzuarbeiten, ist in Kasachstan sehr groß. Die Umsetzung ist allerdings manchmal nicht leicht, weil die jeweiligen Erwartungen nicht deckungsgleich sind“, schildert hierzu Torge Hamkens, Senior Berater der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Almaty.

Riskante Zurückhaltung

Die Zögerlichkeit der Deutschen wird den kasachischen Verantwortlichen jedoch langsam zum Ärgernis. „Ich sehe null Bewegung. Es gibt zwar viele Rohstoffkonferenzen, praktische Schritte unternehmen die Deutschen aber nicht“, wetterte jüngst Kasachstans Vize-Industrieminister Albert Rau in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“. Gleichzeitig warnte Jerschek Koscherbajew, Vizegouverneur Ostkasachstans, man werde mit China zusammenzuarbeiten, „wenn die Deutschen die Rohstoffe nicht wollen“.

Genau dies dürfte nicht im Interesse der Deutschen liegen. Für die Bundesrepublik sind in Kasachstan vor allem Bodenschätze wie Eisenerz, Bunt- und Weißmetalle sowie Seltenen Erden interessant, die für die High-Tech-Industrie von immenser Bedeutung sind. Den weltweiten Abbau dieser Metalle kontrolliert China bereits heute zu 95 Prozent. Diese Monopolstellung nutzt die Volksrepublik aus, um das Angebot mittels Exportquoten knappzuhalten und somit die Preise in die Höhe zu treiben.

Eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) brachte dem entsprechend zu Tage, dass Deutschlands Industrie sich gegenüber Konkurrenten mit Sitz in Rohstoffländern benachteiligt fühlt. Für Seltene Erden etwa müssen europäische Unternehmen rund doppelt so viel wie chinesische Betriebe zahlen, beklagt die EU-Kommission.

Das Feld nun auch in Kasachstan den Chinesen zu überlassen, wäre deswegen ein weiterer Schritt in die Abhängigkeit. Vor allem, da chinesische Unternehmen nicht zögern, sich mit kompletten Finanzierungskonzepten direkt an Minen zu beteiligen. Im Gegensatz zu den Deutschen, wie Angela Merkel zugibt: „Der Ruf Deutschlands in Bezug auf die theoretische Bearbeitung einer Aufgabe ist exzellent. Aber wenn es um praktische Schritte geht, mit denen das Stadium der staatlichen Hilfe, der Zusammenarbeit mit der GIZ, des Erstellens von Studien usw. überwunden wird, erleben wir oft, dass andere Länder schneller sind.“

Ein verhängnisvoller Fehler

Energiewende: Die begehrten Rohstoffe werden für die Herstellung von Windrädern benötigt. | © barchen57 / flickr.com

Dies mag auch daran liegen, dass politische Unterstützung bei der Rohstoffbeschaffung in Deutschland ein Novum ist. Jahrzehntelang gab es in der Bundesrepublik die Übereinkunft, das sei Sache der Industrie. Diese machte jedoch in den 1990er Jahren den Fehler, sich von den eigenen Minen zu trennen. Es herrschte der Glaube vor, dass Rohstoffe auf dem freien Markt einfacher und günstiger zu beschaffen seien. Kurz nachdem ThyssenKrupp die letzte Eisenerzmine verkaufte hatte, betrat jedoch China den Rohstoffmarkt. Durch seinen immensen Rohstoffhunger schraubte das Reich der Mitte die Preise in die Höhe. Zudem sicherte es sich weltweit Rohstoffvorkommen und wurde zu einem dominierenden Exporteur. Seitdem ist die Versorgung über den freien Handel schwieriger geworden.

Ohne einen zuverlässigen Zugang zu Rohstoffen kann eine moderne Volkswirtschaft jedoch nicht überleben. Seltene Erden werden für die Herstellung von High-Tech-Produkten wie Smartphones, Laptops, Hybrid-Autos, Flachbildschirmen oder Energiesparlampen benötigt. Auch die Energiewende ist ohne das seltene Metall Praseodym, das für die Herstellung von Windrad-Generatoren nötig ist, nicht zu bewältigen. Die Stiftung Wissenschaft und Politik kritisierte deswegen, dass „Rohstoffpartnerschaften zwar zu begrüßen sind, aber nicht ausreichen werden, um die Verwundbarkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber Lieferengpässen zu reduzieren. Außerdem können sie nur einen bescheidenen Beitrag zur Entwicklung der Partnerländer leisten.“

Und entwickeln möchte sich Kasachstan um jeden Preis. Doch ist es für die Modernisierung seines Bergbausektors auf ausländische Investitionen angewiesen. Viele Rohstoffvorkommen wurden noch zu Sowjetzeiten erschlossen und werden seit Jahrzehnten ausgebeutet. Weil in den vergangenen Jahren nicht ausreichend in die Erkundung neuer Vorkommen investiert wurde, schwinden die Vorräte langsam, aber sicher. Auch aus den bereits erschlossenen Minen wäre noch mehr herauszuholen, doch fehlt Kasachstan für tiefergehenden Abbau die Technologie, analysiert Fabian Nemitz für „Germany Trade & Invest“.

Gefahr von Umweltkatastrophen

Ein Punkt, der bei alldem nicht vernachlässigt werden darf, sind die Auswirkungen des Bergbaus auf die Umwelt. „Die Seltenerdindustrie ist extrem verschmutzend und ressourcenintensiv“, erklärt Jost Wübbeke vom Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin. „Berichte über zerstörte Vegetation, verendete Tiere und todkranke Anwohner häufen sich in der Nähe dieser Fabriken.“ Deswegen hat das chinesische Umweltministerium strengere Auflagen für den Abbau Seltener Erden beschlossen. Nicht alle Unternehmen konnten diesen neuen Anforderungen gerecht werden, auch deswegen ging die Produktion zurück. Um katastrophale Exzesse wie diese zu vermeiden, spielt im deutsch-kasachischen Rohstoff-Dialog auch ökologische Nachhaltigkeit eine Rolle. Wie GIZ-Berater Hamkens berichtet, interessierten sich die Kasachen auf einer Dialogveranstaltung zu diesem Thema vor allem für die deutsche Erfahrung in der Renaturierung.

Bleibt also zu hoffen, dass den Kasachen weiterhin nicht die Lust vergeht, weite Strecken zu Konferenzen zurückzulegen, sollten den Gesprächen keine nennenswerten Investitionen folgen. Gabor Horvath, der sich als General Manager der Lufthansa um den deutschen Luftverkehr nach Zentralasien sorgt, sagte dazu im Wirtschaftsmagazin „Ost-West-Contact“: „Noch haben die Deutschen einen Bonus. Aber in fünf Jahren ist der verspielt.“

Von Igor Steinle

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