Die „Ehe für alle“ ist kein gesellschaftlicher Fortschritt, sondern geht in die falsche Richtung.

Lange hat es gedauert. Jetzt ist es soweit. Der Bundestag hat die gesetzliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe beschlossen. Sowohl politisch als auch gesellschaftlich erhitzt diese Debatte die Gemüter, rüttelt sie doch an den grundsätzlichen Wertvorstellungen. Dabei – wieso schaffen wir die Ehe nicht einfach ab?

Bevor die Ehe im 19. Jahrhundert romantisch werden durfte, war sie eine gesellschaftlich-ökonomische Einrichtung, die der Gemeinschaft, ob Stamm oder Staat, Struktur und Stabilität gab. Das Elternhaus verlassen, Sex haben, Kinder kriegen – dafür musste man heiraten. Von dieser gesellschaftlichen Tradition haben wir uns dankenswerterweise seit langem emanzipiert.

Heute heiraten die meisten Menschen nicht, um der Enthaltsamkeit zu entkommen oder dem Kindeswunsch wegen, sondern aus Liebe, wegen der Staatsbürgerschaft oder aus steuerlichen Vorteilen.

Wenn zwei Menschen sich lieben und für einander Verantwortung übernehmen wollen, ist das eine schöne Sache. Dafür benötigen sie jedoch nicht die staatliche Institution der Ehe. Das heißt nicht, dass wir uns von Romantik, Glaube oder Tradition verabschieden müssen. Wer gläubig ist, gibt vor dem Glaubensvertreter seiner Wahl das Liebesbekenntnis ab. Wer es nicht ist, lässt sich von weltlichen Rednern trauen. Das mindert die Ernsthaftigkeit dieser Verbindung keineswegs gegenüber dem Weg zum Standesamt. Wer sich rechtlich absichern will, braucht auch dafür keinen Standesbeamten, sondern kann zum Notar gehen und einen Ehevertrag aufsetzen.

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Das Ehebündnis ist schon lange kein Garant mehr für Kinder und Familie, so wie es sich der Staat ursprünglich von dieser „Keimzelle“ erwartet und daher diese subventioniert hat. Warum sollten also Menschen weiterhin steuerlich bevorteilt werden, die in einer Ehegemeinschaft leben, aber keine Kinder haben? Sinnvoller ist es, Lebensgemeinschaften zu unterstützen, die sie aufziehen und Verantwortung für sie übernehmen. Dafür ließe sich eine neue rechtliche Form finden.

Wenn wir die Ehe abschaffen, entledigen wir uns möglicher zukünftiger Streitdebatten. „Ehe für alle“ müsste auch die Ehe für Menschen in polygamen Beziehungen bedeuten. Warum eine solche Verbindung nur für zwei Menschen, ob hetero- oder homosexuell, gültig sein soll, kann zu Recht in Frage gestellt werden. Denn die Idee von Zwei geht auf das Vater-Mutter-Kind-Modell zurück, welches wiederum bei uns jüdisch-christliche Wurzeln hat. Wenn man aber bereits einen Großteil dieser über Bord wirft, kann man gleich konsequent sein.

Wozu also den Rahmen so weit ausdehnen, bis er alles und jeden umfasst, aber das ursprüngliche Bild schon längst untergegangen ist? Besser abhängen.

Ina Hildebrandt studiert Kulturjournalismus an der Universität der Künste in Berlin und arbeitet als freie Redakteurin, unter anderem für die DAZ.

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