Almaty ist durch seine etlichen Parks eine sehr grüne Stadt. Besonders heraus sticht der Zentrale Park für Kultur und Erholung, ehemals Gorki Park, mit seiner langen Geschichte. 

Das Wetter ist angenehm warm in diesen Tagen. Den ersten leichten Sonnenbrand kann man sich durchaus schon holen, aber die schwere kasachische Sommerhitze lässt zum Glück noch etwas auf sich warten. Es ist die perfekte Zeit, die Stadt per Fuß zu erkunden. Zahlreiche Parks bieten in Almaty die Möglichkeit, verträumt und weltvergessen stundenlang umherzuschlendern. Auch ich habe mir einen Schlendrian gemacht und einen Nachmittag im Gorki-Park verbracht.

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Der Name ist bekannt – nicht erst seitdem Klaus Meine, Sänger der Rockband Scorpions, in seiner Wendehymne „Wind of Change“ in einer lauen Sommernacht die Moskwa entlang zum Gorki-Park spaziert. Obwohl gerade dieser besungene Park in Moskau sicher der bekannteste ist, gehörte ein Gorki-Park seit den frühen Jahren der Sowjetunion zur grundlegenden Infrastruktur einer jeden größeren Stadt. Der Namensgeber, der Schriftsteller Maxim Gorki, schrieb seine Werke im Stil des ab den späten 1920ern vorherrschenden sozialistischen Realismus und stieg mit seinen Texten über das Proletariat und die Errungenschaften der frühen Sowjetunion zu Josef Stalins bevorzugten Literaten auf. Die Idee passt zum Konzept des „Zentralen Maxim-Gorki-Parks für Kultur und Erholung“ in Moskau, in dem sich ab dem Ende der 1920er Jahre die Arbeiter erholen und kulturell weiterbilden und somit zu besseren Menschen, zu sowjetischen Menschen der Zukunft heranwachsen sollten. Josef Stalin ließ in den warmen Sommernächten gerne im Park zum abendlichen Tanz einladen, allerdings ausschließlich zu von ihm bevorzugten russischen Walzer- und Polkamelodien. Gleichartige Gorki-Parks entstanden überall in der Sowjetunion.

Der Zentrale Park für Kultur und Erholung in Almaty, der als Parkanlage seit 1856 existiert und damit fast so alt wie Almaty selbst ist, hat offiziell den Namen Gorki eingebüßt, den er ab 1935 trug. Der ideologische Kontext lässt sich aber bis heute an dem beeindruckenden, im Stile des sozialistischen Klassizismus mit zentralasiatischem Einfluss erbauten Eingangsportal ablesen. Dahinter wartet ein weitläufiges Areal, teilweise parkähnlich mit Blumenbeeten angelegt, teilweise bewaldet. Zahlreiche Karussells, Schießbuden, Eisverkäufer und Schaschlikimbisse findet man hier. Auch ein See mit Tretbooten und ein Riesenrad gehören seit jeher zur klassischen Ausstattung des von der lokalen Bevölkerung nach wie vor Gorki-Park genannten Stadtgartens.

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Die ehemals propagandistische Bedeutung dieser Parks ist heute nicht mehr vorhanden. Ein Sportstadion, in dem sich sowjetische Arbeiter einst erholen und gleichzeitig physisch stählern sollten, existiert noch, genauso wie die kleine Parkeisenbahn. Auch das System der Pioniereisenbahnen war zu sowjetischen Zeiten etwas ganz besonderes. In den Parks wurde ein Eisenbahnbetrieb nach Originalvorbild simuliert und komplett von Kindern und Jugendlichen betrieben, vom Fahrkartenkontrolleur über den Techniker und den Schrankenwärter bis hin zum Lokführer. Die Jugendlichen wurden so bereits auf ihren späteren Berufsweg bei der Eisenbahn vorbereitet. Trotzdem, wie ich finde, eine grandiose Idee. Von dieser Möglichkeit hätte ich als Kind nur träumen können. Heute tuckert allerdings nur noch eine vollautomatische Parkeisenbahn im knallbunten, kitschigen Wild-West-Design über die alten Gleise.

Der Gorki-Park ist insbesondere für Familien mit kleinen Kindern ein ideales und überaus beliebtes Ausflugsziel und auch an diesem sonnigen Nachmittag sind die Wege durch den Park überfüllt. Ich schlendere hinunter zum See, um den sich zahlreiche Cafés reihen und von dem man einen herrlichen Blick auf die Berge genießen kann. Ich kann noch einen letzten Platz an einem runden Plastiktisch ergattern und bestelle mir eine große Portion Schaschlik. Um mich herum herrscht angenehmes Chaos, das Gebrabbel der Menschen geht im allgemeinen Lärm unter, Kinder rennen und schreien umher, es herrscht Volksfestatmosphäre.

Andere Parks der Stadt mögen vielleicht schöner, ruhiger, angenehmer sein. Der Gorki-Park allerdings hat als altehrwürdige, sowjetische Institution allerdings einen ganz eigenen Charme, und so werde auch ich sicherlich schon bald wiederkommen.

Philipp Dippl

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