„Politische und wirtschaftliche Interessen Deutschlands in Kasachstan und Zentralasien“ hieß die wissenschaftlich-praktische Konferenz am 14. Mai in Almaty. Der Titel könnte den Eindruck erwecken, dass sich die gesamte Veranstaltung ausschließlich um die deutschen Pläne für die Region drehen würde. Dem aber war nicht so. Die Konferenz stellte sich als eine beständige Plattform für ausgeglichenen Dialog heraus. Auch wenn das klassische Aneinander-Vorbei-Reden nicht ganz vermieden werden konnte.

/Bild: privat/

Gleich zu Beginn wurde durch den Gastgeber, das Kasachstanische Institut für Strategische Forschung, charmant wie selbstbewusst auf die kasachischen Anliegen in der Zusammenarbeit mit Deutschland hingewiesen. Aus den „priorisierten Zielrichtungen“ ergaben sich Fragen, die während der Tagung unentwegt im Raum schwebten: Deutschland ist in der Liste der Auslandsinvestoren von einst Platz Zwei auf Platz Neun gerutscht. Ist das nicht schade? Im Außenhandel werden kasachisches Rohöl, Gas und Buntmetalle gegen Schmierstoffe und Fahrzeuge „Made in Germany“ getauscht. Ist dies nicht auffällig? Förderprogramme der kasachischen Regierung sehen zahlreiche Maßnahmen vor, die in kürzester Zeit massive Verbesserungen in Schlüsselbereichen wie Infrastruktur, Bildung und Gesundheitswesen anstreben. Ist es für die deutsche Wirtschaft nicht interessant, sich daran zu beteiligen?

Sobald die deutschen Vertreter mit Wortmeldungen dran waren, gaben sie ein Interesse zu. Das ferne Steppenland bleibt für die Deutschen tatsächlich spannend. Wenn ein deutscher Reisender zum langen Flug nach Kasachstan in die Maschine steigt, passiert es schon mal, dass sein Herz höher schlägt. Denn sollte es sein erster Kasachstan-Trip sein, wird er vom Land kaum etwas gehört haben. Die deutschen Medien beleuchten die zentralasiatische Republik genau so wenig wie die gesamte Region. Dementsprechend staunt ein Durchschnittsbürger über die Motive, die jemanden zu einem Ort mit dem gefährlichen „Stan“ in der Bezeichnung fahren lassen. Ein deutscher Regisseur hat die aparte Steppenlandschaft einmal zum Hintergrund seines Films gemacht und auch die Story Kasachstan gewidmet. Aber das hilft noch recht wenig.

Das Problem der großen Distanz konnten kasachische Partner offenbar nachvollziehen und bemühten sich zu visualisieren: Kasachisches Territorium macht ein Drittel der gesamten Entfernung zwischen Peking und Berlin aus. Aber auch dann hat Kasachstan mehr Bezug zu Deutschland als eine Legende aus dem Zeitalter der Seidenstraße. 220.000 ethnische Deutsche gibt es hierzulande. 3.000 kasachische Manager haben im letzten Jahr im Rahmen eines Weiterbildungsprogramms in Deutschland studiert. 0,8 Millionen ehemalige Kasachstaner leben seit Jahren in Deutschland.

Über die Erfahrungen der Deutschen mit ihren aus Kasachstan stammenden Nachbarn wurde dann nicht direkt gesagt. Denn diese können unterschiedlich ausfallen. Gleich dagegen war die Meinung der anwesenden deutschen Experten darüber, was Kasachstan gut täte: Ernsthaftes Nachdenken über den CO2-Ausstoß, baldige Umstellung auf erneuerbare Energiequellen, nachhaltige Einführung von energiesparenden Technologien.

Diese Themen waren den Kasachstanern bekannt. Das aktuelle staatliche Modernisierungsprogramm ist auf die Sanierung der bestehenden Energiezentralen und den Bau moderner Kraftwerke ausgerichtet. Und es gibt noch mehr zu tun. Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen müssen fertiggestellt werden. Was Kasachstan wirklich weiterhelfen würde, ist die Aufnahme in die WTO. Und auf den Besuch der Bundeskanzlerin im Herbst freuen sich Kasachstaner.

Ein Termin für eine Reise von Frau Merkel in die Republik steht noch nicht fest. „Wir würden es einfach gemeinsam hoffen“, sagen die deutschen Vertretungen in Kasachstan.

Zu hoffen bleibt noch einerseits, dass die deutsch-kasachischen Diskussionen nicht abbrechen – trotz des Wirrwarrs der Stimmen und Meinungen, der auf den ersten Blick als unproduktiv erscheint. In diesen Gesprächen hat sich inzwischen ein freundlicher und entspannter Grundton eingestellt, wozu in den letzten Jahren intensive Arbeit geleistet worden ist. Auf der anderen Seite sollten sich die gegenseitigen Appelle langsam in den sachlichen Austausch über konkrete Projekte verwandeln. Das bunte Event-Gemisch von „Deutschland in Kasachstan 2010“ bietet Gelegenheiten für praktische Kontakte auf allen Ebenen und zu unterschiedlichen Themen. Zu einem jährlichen Ereignis wird auch die wissenschaftlich-praktische deutsch-kasachische Konferenz. Denn auf dem Weg vom kasachischen Pragmatismus zur deutschen Romantik – oder auch von deutscher Rationalität zum kasachischen Optimismus – müssen sicherlich noch einige „Brücken“ gebaut werden. Sie sollen, wie ein Teilnehmer der Konferenz es treffend darstellte, den beiden Seiten „einen sicheren Halt geben und im entscheidenden Moment nicht wackeln“.

Karolina Otto ist Diplom-Kauffrau und CIM-Fachkraft bei der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer.

Karolina Otto

28/05/10

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