Eleonora Hummel war in Almaty zu Gast, um aus ihrem Roman „Die Fische von Berlin“ vorzulesen. Anlässlich des Welttages des Buches wurde die Übersetzung ihres Werkes in der kasachischen Nationalbibliothek vorgestellt. Für die russlanddeutsche Schriftstellerin war dies eine einmalige Gelegenheit, um in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

„Es war für mich ein wachsender Wunsch, das Land meiner Herkunft zu besuchen“. Hummel ist nun nach 30 Jahren wieder in Kasachstan. Geboren wurde sie in Zelinograd. Mittlerweile ist ihr Herkunftsort kasachische Hauptstadt und in Astana umbenannt. In den dreißig Jahren, die sie nicht mehr in Kasachstan war, hat sich viel verändert.

Einmalige Gelegenheit

Durch das Goethe-Institut bekam sie nun die Gelegenheit, ihr Herkunftsland wieder zu besuchen. Ihr Roman „Die Fische von Berlin“ wurde von Rausa Mussabajewa ins Kasachische übersetzt, die an dem Projekt „Schriftzüge. Übersetzer in Bewegung“ teilgenommen hatte. Das Ergebnis wurde am Welttag des Buches in der Nationalbibliothek in Almaty vorgestellt. Für den Herausgeber Mereke Kuslykenow war es eine große Ehre, bei der Lesung neben der Autorin zu sitzen, die so Gelegenheit bekam, sich ihrem neuen kasachischen Publikum persönlich vorzustellen.

Vermittelt vom Goethe-Insitut, ist sie nach Almaty gekommen, um zusammen mit ihrer Übersetzerin einen Ausschnitt aus ihrem Roman „Die Fische von Berlin“ vorzulesen. Eigentlich verlief die Veranstaltung zweisprachig. Elenora Hummel stellte sich vor, sprach Deutsch. Dies wurde von der Übersetzerin ihres Textes für das Publikum ins Kasachische übersetzt. Allerdings hatten die Organisatoren nicht daran gedacht, auch für die deutschsprachigen Gäste eine Übersetzungspause zu machen.

Große Neugierde auf Kasachstan

So warf der Gast des Nachmittags stellenweise ein paar verlorene Blicke ins Publikum als Kuslykenow über sie sprach, aber seine Worte für sie nicht übersetzte. Von diesem kleinen technischen Fehler abgesehen, war es offensichtlich, dass sich alle Anwesenden über den Besuch aus Deutschland freuten. „Es ist uns eine große Ehre, dass Eleonora Hummel heute bei uns ist und aus ihrem Buch vorgelesen hat“, versicherte Kuslykenow, „besonders weil sie in Kasachstan geboren wurde“, fügte er hinzu.

Damals hieß Astana noch Zelinograd. Eleonora Hummel ist dort in die Schule gegangen und hat dort sogar ein Jahr lang versucht, Kasachisch zu lernen. „Ich habe auf einem Dichterkongress in Dresden vor ein paar Jahren einen kasachischen Schriftsteller kennen gelernt. Er hat mir viel von Astana erzählt und das hat meine Neugierde noch weiter gesteigert“, erzählt Hummel. Sie gibt zu, dass es schon lange ein Wunsch von ihr gewesen sei, mal wieder zurückzukehren in ihr Herkunftsland.

Zudem freute sie sich, dass ausgerechnet die erste Übersetzung ihres Romans auf Kasachisch erschienen ist und verriet, dass der Stoff teilweise autobiografisch ist.

„Provinzhauptstadt des Gulag“

„Die Fische von Berlin“ behandelt unter anderem das Thema der stalinistischen Repressionen, unter denen auch einige Vorfahren der heutigen Kasachstaner leiden mussten, denn die Metasthasen des Gulag-Systems reichten bis hierher. Viele Menschen wurden seit dem Ende der 30er Jahre nach Kasachstan deportiert, darunter nicht wenige Russlanddeutsche, die in Zwangsarbeitslagern wie das KarLag inhaftiert wurden. Dort schufteten sie in der Landwirtschaft, Industriebetrieben, in den Kohle– und Kupfer– Bergwerken oder wurden beim Wohnungsbau eingesetzt. Alexander Solschenizyn, der selbst in einem der Sonderlager des KarLag-Komplexes im Gebiet Karaganda inhaftiert war, bezeichnete das KarLag als „größte Provinzhauptstadt des Archipel Gulag“.

Erinnerungen an die Lagerhaft

Die Geschichte des Gulags vereint die Kasachen mit den Russen und den Völkern, die Opfer der stalinistischen Repressionen waren. Nach Kasachstan wurden Deutsche,  Ukrainer, Weißrussen, Koeraner und Polen deportiert. An dieses Schicksal, das hier in Kasachstan Menschen verschiedener Ethnien tragen, erinnerte die russlanddeutsche Schriftstellerin. Ort des Geschehens zwar nicht direkt Kasachstan, sondern Norilsk. Es geht unter anderem um den Großvater der Protagonistin Alina Schmidt, der sich an die Lagerhaft in Sibirien erinnert.
Vielleicht ist es aufgrund der Geschichte kein Zufall, dass der Verleger Mereke Kuslykenow die Übersetzung von Hummels Roman herausgegeben hat. „Wir haben eine gemeinsame Geschichte und wissen, dass viele Menschen, wie zum Beispiel die Russlanddeutschen, nach Kasachstan deportiert wurden“, kommentiert er.

Neben der spannenden Lesung von Eleonra Hummel bot der Welttag des Buches weitere kulturelle Attraktionen für die Besucher, die zusammen mit den Kulturinstitutionen des Verbandes EUNIC (European Union National Institutes for Culture) durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich um einen Verbund des Goethe-Institutes, der Alliance Francaise d’Almaty und dem British Council. Weitere Mitgliedsorganisationen sind das Generalkonsulat Ungarn, Centro studi italiano, die Schweizer Botschaft Astana, das Türkische Kulturzentrum Almaty und die Spanische Botschaft.

Von Dominik Vorhölter

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