Die Mitarbeiter des Vereins „Sieben Bäume“ bereiten inhaftierte Frauen auf ihr Leben in Freiheit vor. Nach Beratungsgesprächen im Gefängnis können die Insassinnen eine Tätigkeit in der Marmeladenherstellung oder im Textilbereich erlernen und somit künftig ihr eigenes Geld verdienen. Außerdem organisieren die Mitarbeiter dringend benötigte Operationen für die Bewohner.

Das Hilfsprojekt für aus dem Gefängnis entlassene Frauen des gemeinnützigen Vereins „Sieben Bäume“ nahe Almaty entwickelt sich hervorragend. Davon haben sich in der vergangen Woche bei einem Vor-Ort-Termin Delegierte des Deutschen Generalkonsulats Almaty überzeugt. „Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen“, erklärte Raban Richter, der Kulturattachée des Konsulats. Die auswärtige Vertretung hat den Verein mit 3500 Euro aus dem Fördertopf für Kleinstprojekte unterstützt.

Das Ziel des Projekts ist es, insbesondere auf Bewährung freigelassene Frauen darauf vorzubereiten, wieder ein normales Leben zu führen. „Die meisten wollen ihr verpasstes Leben an einem einzigen Tag nachholen“, beschreibt Projektchefin Monika Vorbuchner die emotionale Verfassung der Frauen. Um wieder Fuß zu fassen, wohnen, essen und arbeiten die ehemaligen Gefängnisinsassinnen ein Jahr lang im vereinseigenen Haus. Dabei werden sie rund um die Uhr von Sozialarbeitern betreut. Zudem organisieren Vorbuchner und ihre angestellten Hausmütter dringend benötigte Medikamente und Operationen für die Bewohner.

Projektchefin Monika Vorbuchner präsentiert einige von Bewohnern hergestellte Marmeladen. | Foto: Elke Kögler

Aktuell leben sechs Frauen und zwei Kinder in dem Haus. Der Tag beginnt mit dem Aufstehen um 7.30 Uhr. Nach dem Frühstück und einem halbstündigem Gesprächskreis, in dem Anliegen der Bewohner besprochen werden, steht Putzen auf der Tagesordnung. Anschließend gehen die Frauen an ihren jeweiligen Arbeitsplatz. Dort stellen sie entweder Marmelade und Gebäck her, schneidern Kochschürzen, Tischdecken, Einkaufstaschen und Kinderschlafanzüge oder besticken diese mit jüngst angeschafften Maschinen. Um 12.30 gibt es Mittagessen und bis 6.30 Uhr wird erneut gearbeitet. Danach steht Freizeit auf dem Programm. „Die Frauen können dann ihre Wäsche waschen, sich ausruhen oder draußen spazieren gehen“, sagt Vorbuchner.

Betreute sollen Erlebnisse verarbeiten

Konkret sollen die Betreuten durch ihre Arbeit eine praktische Tätigkeit erlernen, mit der sie künftig ihr eigenes Geld verdienen und ihr Leben finanzieren können. Mittels 24-Stunden-Betreuung durch die Sozialarbeiter soll ihnen vor allem dabei geholfen werden, ihre Zeit im Gefängnis emotional zu verarbeiten, aber auch eine Wohnung zu finden. „2012 waren laut eines internationalen Sonderberichts 68 Prozent der Frauen aufgrund des Mordes an ihrem Lebenspartner inhaftiert“, erläutert die Vereinschefin. Ein Teil der Inhaftierten habe den Mord jedoch nicht selbst begangen, sagt sie weiter.

Die Bewerbungen für das Programm werden von den Sozialarbeitern direkt im Gefängnis entgegengenommen. In den regelmäßig angebotenen Sprechstunden können die Insassinnen über ihre Sorgen sprechen, Medikamente erhalten und sich über das Vereinsprojekt informieren. „Die meisten wollen aber zunächst einmal einfach mit jemand Neutralem reden“, sagt die Vereinschefin. Wer außerdem an dem Programm teilnehmen möchte, müsse sich per Vertrag schriftlich dazu verpflichten, den Tagesablauf sowie sämtliche weitere Regeln des Hauses strikt einzuhalten. „Daran scheitern bereits viele Bewerbungen“, erklärt Vorbuchner. Diejenigen allerdings, die dazu bereit sind, haben gute Chancen aufgenommen zu werden. In einigen Fällen gelinge es den Mitarbeitern des Vereins sogar, den vorzeitigen Beginn von Bewährungsstrafen auszuhandeln.

In finanzieller Hinsicht ist der Verein auf Geldspenden angewiesen. „Wir erhalten aber auch speziell benötigte Sachspenden“, sagt Vorbuchner. So stelle etwa so mancher Landbesitzer gleich mehrere Obstbäume zum Abernten zur Verfügung, berichtet die Vereinschefin. Die im Lebensmittelbereich Beschäftigten unternähmen dann einen gemeinsamen Ernteausflug zu den Erdbeer-, Apfelbaum– oder Himbeerplantagen. Dort erhalten die Beschäftigten jedoch nicht nur die Rohstoffe für die Marmeladen. „Ein solcher Ausflug stärkt zudem das Gemeinschaftsgefühl“, erläutert Vorbuchner. In anderen Fällen spendeten Unternehmen Maschinen oder Stoffe für die Produktion von Textilien.

Alle im Vereinshaus hergestellten Produkte, zu denen im Lebensmittelbereich ebenso Fleischsaucen und ökologische Fertigbackmischungen sowie in der Textilsparte, Kleider, Haarschmuck, Windeln sowie Stift– und Schminktäschchen gehören, werden im eigenen Hausladen verkauft und können im Internet unter http://seven-trees.org/debestellt werden. Einen Gewinn erwirtschaft der Verein damit jedoch nicht. „Mit den Einnahmen können wir gerade die Herstellungskosten und Gehälter bezahlen“, sagt Vorbuchner.

Oase auf dem Weg ins Leben

• der Name des gemeinnützigen Vereins „Sieben Bäume“ ist eine Übersetzung des kasachischen Begriffs „Zheti-Agash“
• Hintergrund des Namens ist, dass die Nomaden in der zentralasiatischen Steppe eine Gruppe von Bäumen traditionell mit einer Oase in Verbindung bringen, in der sie Wasser, Schatten, frisches Gras und Erholung finden
• entsprechend des Namens will der Verein eine Oase sein, in der insbesondere Frauen und Kinder in Zentralasien in schwierigen Lebensumständen Hilfe finden, um ein verantwortungsvolles und würdiges Leben führen zu können
• Vereinschefin Monika Vorbuchner und ihre Sozialarbeiter unterstützen die Gefängnisinsassinnen bei der Gewöhnung an das Leben im Gefängnis und bereiten diese auf das Leben nach der Entlassung vor
• neben Frauen und Kindern werden vom Verein ebenso Insassen des Jugend– und Männergefängnisses unterstützt
• außer dem langfristigen Angebot eines einjährigen Aufenthalts im Vereinshaus können die ehemaligen Inhaftierten ebenso kurzfristige Hilfe in Anspruch nehmen
• das kurzfristige Hilfsangebot bezieht sich vor allem auf das Beschaffen von Lebensmitteln und einer temporären Unterkunft sowie der Organisation und Finanzierung der Heimreise direkt nach der Gefängnisentlassung
• im Frauengefängnis in der Nähe von Almaty befinden sich derzeit 1.000 Frauen und zehn Jugendliche
• ungefähr 30 der Frauen haben Säuglinge und Kleinkinder, die bis zum Alter von drei Jahren mit ihren Müttern im Gefängnis leben
• nach ihrem dritten Geburtstag werden die Kinder entweder zu Verwandten oder in Waisenhäuser gebracht
• insgesamt sind in Kasachstan aktuell 4.237 Frauen inhaftiert
• im Jugendgefängnis sind derzeit aus ganz Kasachstan ungefähr 150 junge Männer im Alter von 14 bis 23 Jahren untergebracht
• ein weiteres Angebot des Vereins ist das Freigängerhaus, in dem Frauen und Männer tagsüber arbeiten, die die Nacht im Gefängnis verbringen.

Elke Kögler

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