Zwei Tage und Nächte lang waren die Reliqiuen der Hl. Elisabeth Romanowa in der Himmelfahrtskathedrale von Almaty zu sehen

Der Tag, an dem die Knochen kommen, ist ein Dienstag. Angeliefert werden sie in einem roten Volkswagen, in unmittelbarer Nähe zur Himmelfahrtskathedrale von Almaty. Bärtige, beleibte Priester tragen sie in zwei Schreinen heraus. „Einen Schritt zurück“ rufen sie der Menge zu, die Spalier bildet und nur eines will: einen Blick auf die Knochen erhaschen, sie vielleicht sogar berühren.

Schließlich sind es die sterblichen Überreste von Jelisaweta Fjodorowna Romanowa, jenes Mitglieds der Zarenfamilie, das 1992 von der Russischen Kirche heilig gesprochen wurde.

1864 in großherzoglicher, deutscher Familie geboren, heiratete Elisabeth 1884 den Großfürsten Sergej Alexandrowitsch Romanow, einen Sohn des Zaren. 1891 konvertierte sie zum russisch-orthodoxen Glauben. Nachdem ihr Mann 1905 einem politischen Attentat zum Opfer fiel, wurde Elisabeth karitativ tätig. „Ich verlasse die glänzende Welt, aber gemeinsam mit allen erhebe ich mich in eine höhere Welt, in die Welt der Armen und Leidenden“, sagte sie am Tag der Eröffnung eines Krankenhauses in Moskau, dem sie seit 1909 vorstand. 1918 wurde sie zusammen mit der Zarenfamilie von den Bolschewiken ermordet.

Askese und Barmherzigkeit, das sind die Eigenschaften, wegen derer Elisabeth unter dem russischen Kirchenvolk heute als Märtyrerin tief verehrt wird. Vor allem Alte und Kranke sind es, die am nächsten Tag vor der Himmelfahrtskathedrale auf Einlass warten: der Legende nach haben die Reliquien heilende Wirkung. Ein vierhundert Meter langer Menschenstrom schiebt sich quer durch den Panfilow-Park bis zum Eingang der Kirche. Bis sieben Uhr morgens sollen die Reliquien zu sehen sein. Einige versuchen, durch den Seiteneingang zu schlüpfen. „Tut mir leid, ich kann Sie hier nicht durchlassen“, sagt der Türsteher, nur Kinder bis drei Jahren, Behinderte und Invaliden hätten hier freien Zugang. Eine Frau hat ihren Mann mitgebracht. „Er ist krank“, sagt sie. Der Türsteher lässt sich nicht erweichen. Sie sollten in der Nacht wiederkommen. Da habe sich der Besucheransturm gewiss gelegt.

Drinnen singt leise, getragen ein Chor. Vor Heiligenbildern flackern Kerzen. Ein Messdiener hält einen Lappen in der Hand. Unter Aufsicht zweier Priester beugen die Gläubigen sich nach vorne und küssen die Glasplatte, unter der die Reliqiuen liegen. Dann nimmt der Messdiener den Lappen und wischt die Glasplatte wieder ab. Einige geben den Priestern mitgebrachte Ikonenbildchen, um sie für eine Sekunde auf den Schrein zu legen. Ehrfürchtig, schnell nehmen sie die Bilder wieder an sich. Nur ganz selten gleiten die Bewegungen Einzelner ins Gierige ab. Eine Hand verkrampft sich am Rand des Schreins, ein Mund will sich nicht mehr von der Glasplatte lösen. Sofort geht der Arm des Priesters zu der Person und leitet sie von den Schreinen weg.

Seit 2004, dem Jahr der Heiligen Elisabeth Romanowa, werden die Reliquien quer durch die GUS-Staaten gefahren und in den großen Städten gezeigt – Jaroslawl, Moskau, Taschkent, Baku, Kaliningrad. Von Almaty aus gelangen sie weiter in die Kaukasus-Region, bevor sie wieder an ihren Ursprungsort – die Russische Kirche am Fuße des Ölberges in Jerusalem – zurückkehren.

Vor der Kirche scheint diese Route niemand so genau zu kennen. Eine Frau, die aus Karaganda angefahren ist, meint, die Reliqiuen würden nach Taschkent gebracht. Wieder andere sind sich sicher, dass Moskau das nächste Ziel sei. Wichtig scheint nur, dass sie jetzt da sind. „Ich möchte gesund werden“, formuliert eine alte Frau, die geduldig in der Schlange steht, den Zweck ihres Besuchs.

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