Unlängst war ich mit Freunden beim Fußballturnier ihres Sohnes. Das war ein Gewusel. Viele kleine Kinder in viel zu großen Trikots flitzten über die Wiese und alle waren ganz aufgeregt. Wie süß! Noch aufgeregter waren allerdings die Eltern. Und das war ganz und gar nicht süß!

Es ist schon komisch, wenn so kleine Geschöpfe mit Zahnlücken, die kaum geradeaus sprechen können, von ihren Eltern gecoacht werden, als wären es Profisportler. Eltern sind dazu da, am Spielfeldrand die Limo und die Bratwurst parat zu halten, wenn die Kleinen hungrig und durstig angerannt kommen. Und die restliche abgestandene Limo auszutrinken und die restliche angeknabberte Bratwurst aufzuessen, die die Kinder nicht mehr wollen. Die Tränen zu trocknen und mit ihnen hinter dem Gebüsch zu verschwinden, wenn sie plötzlich ganz dringend pinkeln müssen und nicht mehr einhalten können.
Alles andere ist Sache des Trainers, der pädagogisch geschult ist oder zumindest offiziell autorisiert ist, Nervosität zu verbreiten, wild rumzufuchteln und zu blöken. So stelle ich mir das vor, wenn ich selbst mal Kinder habe, die Fußball spielen. Ich hoffe nicht, dass dann auch das Eltern-Gen mit mir durchgeht, das in dem kleinen Geschöpf von heute den großen Fußballstar von morgen sieht, wenn man denn schon frühzeitig mit dem Training anfängt. Die Profiliga ist schließlich kein Sandkasten. Also: Laaaaaaauf, Lasse! Laaaaaaaauf, gib aaaaaaab! Nicht heulen! Hör sofort auf zu weinen! Dreh dich um! Gib ab! Lauf! Nach links! Nach rechts! Schieß doch! Aufs Tooooor! Kein Witz, so ging es da zu, und zwar die ganze Zeit. Und Lasse war bei weitem nicht der einzige Knirps, der von seinen Eltern so engagiert angefeuert wurde. Und als der Schiedsrichter einmal piff und entschied, wie er pfiff und entschied, da tobte plötzlich die Meute. Natürlich war er blind, taub, dumm, unfähig, hätte ganz anders entscheiden müssen, unfair und ungerecht war das, jawoll! Der arme Schiedsrichter, gerade mal 14 Jahre alt und noch im Stimmbruch, hielt dem Gewitter aber tapfer stand, wahrscheinlich erlebt er das ständig! Da will man doch als Kind nur entspannt älter werden, Erfahrungen sammeln, ein bisschen Spaß haben – wären da nicht die Erwachsenen, die immer alles viel zu ernst nehmen!
Ich hielt nach dem Sohn meiner Freunde Ausschau und fand ihn inmitten der Abwehr, wo er fröhlich lächelnd ganz entspannt rumhampelte und tänzelte und sonst was tat, nur nicht dem Ball nachlaufen oder die Gegner aufhalten. Ihm ging es gut. Als er nicht ausweichen konnte, kam er sogar zwei Mal kurz in Kontakt mit dem Ball, worauf er bis heute mächtig stolz ist. Ja, das hast du gut gemacht, beeilten wir uns alle, ihn zu loben. Weiter so! Und meinten damit eigentlich, dass er sich bloß nicht von der Hysterie verunsichern oder anstecken lassen sollte. Lieber ein schlechter Fußballspieler, dafür aber ein glücklicher Junge. Und da er noch nicht weiß, dass er ein schlechter Fußballspieler ist, ist die Welt für ihn in Ordnung. Und für uns auch. Der Vater trank seine abgestandene Limo aus, aß seine angeknabberte Bratwurst auf. Und dann machten wir uns schleunigst vom Acker, um den kleinen Sieg über die Hysterie zu feiern.

10/07/09

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