Haben Integration der Russlanddeutschen und Imkerei etwas gemeinsam? Statistiken zur Anzahl der Imker mit russlanddeutschen Wurzeln gibt es zwar keine, doch zeigt eine kleine Recherche, dass die Zahl nicht klein zu sein scheint. Viele von ihnen haben ihre Leidenschaft für die Bienenzucht und Honig aus Russland, Kasachstan oder Kirgisistan mitgebacht.

Mit Bienen und dem Bienensterben beschäftigen sich seit Jahren nicht nur Sachbücher und Romane – die Problematik ist längt auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen. In Ulla Lachauers Buch „Von Biene und Menschen“ stehen die Personen Mittelpunkt, die Bienenvölker betreuen. Es ist nicht nur eine spannende Lektüre und eine vielschichtige Erkundungsreise für alle, die ein Herz für Bienen haben, sondern auch ein politisches Buch für jedermann. Die Autorin zeigt, wie freiwillige und erzwungene gesellschaftlich-politische Wandelprozesse die Menschen und ihre Umwelt samt Natur, zu der auch die Bienen gehören, verändern. Im Rahmen ihrer Recherchen für das Buch hat Lachauer Imker in 14 europäischen Ländern besucht und ihre Lebensgeschichten aufgezeichnet. Das Buch beginnt im Gebiet Kaliningrad 1991 in der Endphase der Sowjetunion und endet auch dort fast 25 Jahre später.

In der ehemaligen Sowjetunion war die Imkerei auch unter den Russlanddeutschen in verschiedenen Siedlungsgebieten verbreitet, es gab sowohl Berufs- als auch Hobby-Imker. Auch die heilenden Eigenschaften der Bienenprodukte fanden eine breite Anwendung. In Deutschland geriet dieses Wissen nach dem 2. Weltkrieg langsam in Vergessenheit, erst in den vergangenen Jahrzehnten erfuhr der Trend eine Kehrtwende. So ist in einem Online-Bericht über „Apitherapie – Bienenheilkunde“ zu lesen: „Über die ehemaligen Staaten der Sowjetunion und Rückwanderer der sogenannten Russlanddeutschen gelangt dieses Wissen seit einigen Jahren wieder verstärkt ins öffentliche Interesse […] Es werden in erster Linie Honig, Propolis, Gelee Royal, Bienenwachs, Bienengift und Bienenbrot/Pollen verwendet […].“

Der Hobby-Imker Alexander Gerner aus Bielstein hat bereits vor mehr als 40 Jahren mit der Bienenzucht angefangen. Damals lebte Gerner noch in Kasachstan und war Agronom in einem großen landwirtschaftlichen Betrieb. 1996 kam er mit Familie nach Deutschland, für die Arbeit am Fließband suchte er einen Ausgleich. Die Freizeit mit den Bienen war genau richtig – er begann mit der Imkerei und sechs Bienenvölkern. Auch Natalia und Andrej Beser aus Wilhelmshafen halten Bienen in ihrem Kleingarten. Schon in Kasachstan hatte das Ehepaar 50 Bienenvölker, denn Natalia stammt aus einer Imkerfamilie. Von ihr lernte Andrej alles über Bienen. Jakob Kopp hat seine Bienen in Salzgitter-Üfingen stehen und liebt die Imkerei. Er kommt aus Kasachstan und ist hauptberuflich als Lagerist tätig. Die Imkerei ist für ihn ein willkommener Ausgleich neben dem Job. Jeden Samstag bietet er auf dem Wolfenbütteler Wochenmarkt seinen Honig aus der Region an.

Dass die Zuwanderung der Deutschen aus den postsowjetischen Ländern mancherorts den Mitgliederzuwachs in den deutschen Imkerverbänden gefördert hat, belegen unter anderem die Vereinsberichte. So wie beispielsweise im „Imkerverein Harsewinkel und Umgegend“: Der seit mehr als 100 Jahren bestehende Traditionsverein konnte seine Mitgliederzahl mehr als verdoppeln. Über 40 aktive Imker, darunter viele junge Menschen, hat er – vor zehn Jahren waren es noch gerade 19 Mitglieder. „Unter den neuen Vereinsmitgliedern sind mittlerweile viele junge Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, wo die Imkerei eine jahrtausendalte Tradition hat“, ist im Bericht nachzulesen.

Doch auch wenn russlanddeutsche Imker vielfältige Erfahrungen mitbringen, gibt es hierzulande einen Aufklärungsbedarf – nicht zuletzt über die deutsche Vereinskultur – weiß Johannes Kraus vom Fachzentrum für Bienen und Imkerei in Mayen. Der Imkermeister ist Ausbilder für fachliches Bienenhalten. Bei regelmäßigen Sechs-Tage-Seminaren vermittelt er Wissen rund um die Biene – eine Grundausbildung, bei der Theorie und Praxis unter fachkundiger Anleitung verknüpft werden. „Zwei bis fünf Prozent der Teilnehmer sind Landsleute aus der ehemaligen Sowjetunion. Die meisten halten bis zu zehn Völker“, sagt er.

Kraus selbst wurde 1958 im deutschen Dorf Podsosnowo in der Altairegion/Westsibirien geboren, das der „Stern“ einmal als „Klein-Deutschland in Sibirien“ betitelte. In die Imkerei ist Kraus schon ganz früh hineingewachsen – sein Vater war Berufsimker in der reichen Kolchose. So war es naheliegend, dass er nach der Schule ein Studium zum Agraringenieur für Tierproduktion in Barnaul absolvierte. Seine Abschlussarbeit schrieb er zum Thema „Bestäubungseffizienz der Sonnenblume und des Buchweizens durch Bienen“. Anschließend folgte ein zweijähriges Fernstudium am Institut für Bienenkunde in Rybnoje bei Moskau. 1992 kam der dreifache Vater mit seiner Familie nach Deutschland. In Hessen absolvierte er einen Sprachkurs und etliche Praktika, auch sein Diplom wurde anerkannt. Die Suche nach einer beruflichen Betätigung im erlernten Beruf führte ihn 1994 nach Mayen. Seitdem ist er hier als Ausbilder für allgemeine Imkerei, Beratung, Zucht- und Leistungsprüfung tätig.

Bienenvölker bestäuben über 80 Prozent aller Blütenpflanzen. Im Hinblick auf den drastischen Rückgang der Bienenpopulation können gerade Hobby-Imker, die mit ihren Bienen die Natur schützen und für kommende Generationen erhalten, dieser negativen Entwicklung aktiv entgegenwirken.Laut Deutschem Imkerbund gibt es derzeit rund 130.000 fast ausschließlich Freizeit- und Nebenerwerbsimkereien, in denen durchschnittlich sieben Bienenvölker betreut werden. Berufsimker, die über 50 Bienenvölker betreuen, stellen hingegen nur ein Prozent der Bienenzüchter in Deutschland.

Anatoli Lambrech geriet als Kind unter deutsche Besatzung und musste mit seiner Mutter die Flucht Richtung Westen antreten. In das Land der Vorfahren kam er aus Kasachstan. Mitte der 1990er Jahre zog das Ehepaar Lambrech nach Berlin in die Nähe der Kinder. Schon bald begann Anatoli, sich im Museumsdorf Düppel zu engagieren. Mit der Imkerei hat er zwar erst spät angefangen, doch sich schnell zu einem kompetenten Fachmann entwickelt. 2016 berichtete die „Mitteldeutsche Zeitung“ (MZ) über den imkernden Pfarrer Stephan Forster aus Nittendorf (Bayern). Unterstützt wurde der Einsteiger vom örtlichen Imkerverein – dem Vorsitzender Ferdinand Beer und seinem Stellvertreter Sergej Wolf, der als Spätaussiedler nach Nittendorf kam und in Russland Berufsimker war. Auch in Deutschland pflegt er 30 Bienenvölker. „Sein enormes theoretisches und praktisches Wissen gibt er gerne an alte Hasen aber auch an Neueinsteiger weiter“, so die MZ.

Familie Weber aus Niederstetten-Vorbachzimmern ist sogar eine Imker-Dynastie. Alexander und Emma Weber und ihre fünf Kinder kommen aus dem sibirischen Podsosnowo. Ab 1959 war Alexander Weber Traktorist und Emma Melkerin in der Kolchose. Darüber hinaus hatten sich die Webers eine Imkerei aufgebaut – am Ende waren es 70 Völker; den Honig konnte man auch verkaufen. Im Zuge der massenhaften Auswanderung kamen sie vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland und ließen sich in Baden-Württemberg nieder. Aus Sibirien haben die Webers die Vorliebe für Bienen mitgebracht. Auch die Söhne haben hier zahlreiche Bienenvölker, und Alexander ist mit über achtzig Jahren noch täglich in Sachen Bienenzucht unterwegs. 2017 feierte das Ehepaar mit elf Enkeln und elf Urenkeln die diamantene Hochzeit.

Quellen: Eigenrecherche, Online- und Presseberichte

Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift „Volk auf dem Weg“ 3/2019. Wir übernehmen den Text mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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