Ohne Öl lauft in Kasachstan nichts, weder technisch, noch finanziell oder politisch. Der von der Natur gewollte Segen kann sehr schnell zum Problem werden, wie die Erfahrungen anderer Länder zeigen. Bisher gibt es keinen eindeutigen Nachweis, dass sich der Ölreichtum eines Landes automatisch im Wohlstand des Volkes niederschlägt. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall: Der Ölreichtum führt zur Verarmung des Volkes. Davon kann in Kasachstan keine Rede sein, hier wächst nur die Spanne der Einkommen, aber daran ist nicht allein das Öl schuld.

Auf jeden Fall hängt Kasachstan im Moment eindeutig am Öltropf. Etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts kommt aus dem Ölsektor und darüber hinaus die Hälfte der Exporterlöse. Damit besteht eine ausgesprochen große Abhängigkeit von den Schwankungen der Nachfrage auf den Weltmärkten, schließlich werden über 80 Prozent der Förderung exportiert. Die Schwankungen des Weltpreises für Öl führen regelmäßig zu Unsicherheiten bei der Prognose des Wirtschaftswachstums und daraus abgeleiteter Kennziffern, wie zum Beispiel der Einnahmen des Staatshaushaltes.

Dem Problem der einseitigen Wirtschaftsstrukturen und der Abhängigkeit von fast nur einem Produkt versucht man mit einem strategisch angelegten Innovationsprogramm zur Diversifizierung der Wirtschaft zu begegnen. Im Moment greift dieses Programm noch nicht, was gleichwohl nicht bedeutet, dass es falsch oder unnötig wäre. Öl wird auf absehbare Zeit Wirtschaftsfaktor Nr. 1 in Kasachstan bleiben und auch bleiben müssen. Bei den heute bekannten Eckdaten von bekannten und erschlossenen Vorräten, Fördermengen, geplanten Investitionen und Dynamik des Weltverbrauchs kann man davon ausgehen, dass Kasachstan noch 40 bis 50 Jahre Ölexporteur bleiben kann.

Die bestätigten Vorräte Kasachstans betragen stolze fünf Milliarden Tonnen. Im vergangenen Jahr wurden rund 80 Millionen Tonnen gefördert. Für 2020 sind 130 Millionen Tonnen anvisiert. Damit steht Kasachstan im Unterschied zu vielen anderen Regionen, die den Höhepunkt der Förderung bereits hinter sich haben, dieser erst noch bevor. Zur Erschließung der Potenziale braucht man jedoch gewaltige Investitionen, die das Land alleine kaum stemmen kann. Man ist also auf ausländische Investoren angewiesen, mit denen gibt es im Moment aber einige Konflikte.

Die dahinterstehenden Detailfragen sind nur selten zu durchschauen. Im Trend geht es jedoch darum, dass Kasachstan versucht, die aus den 1990er Jahren stammenden langfristigen Verträge zur Nutzung von Lagerstätten durch ausländische Unternehmen umzuschreiben, um den Anteil heimischer Unternehmen an dem äußerst lukrativen Business zu erhöhen. Das Ziel ist sicher legitim, die Mittel scheinen es nicht immer zu sein. Gar zu oft auf der Grundlage von Fakten aus der Vergangenheit, oft im Bereich der Beachtung von Umweltstandards, des Einsatzes heimischer Arbeitskräfte oder Dienstleistungen, wird mit Lizenzentzug gedroht oder dieser auch praktiziert.

Konflikte im Wirtschaftsbereich sind normal, sie werden in der Regel durch Verhandlungen der Beteiligten geregelt, wobei man einen Interessenausgleich anstrebt. Auffällig im Moment ist in Kasachstan, dass sich staatliche Organe besonders intensiv um das Einhalten von gesetzlichen Vorschriften bei ausländischen Unternehmen kümmern und dabei sehr schnell zum Mittel des Gerichtsprozesses greifen. Auch über dieses Instrument brauchte man nicht unbedingt zu streiten, würden die Gerichte im Lande wirklich neutral und objektiv urteilen. Da dem nicht unbedingt so ist, bleibt als Ergebnis der Konflikte manchmal nur Verunsicherung der realen oder potentiellen Investoren. Das aber dürfte dem Erreichen der ehrgeizigen Ziele nicht nur im Ölsektor, sondern in den meisten anderen Bereichen der Volkswirtschaft eher nicht förderlich sein.

Bodo Lochmann

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