Warum Kasachstan sich auf Deutschland verlassen kann und welche Bedeutung die Ukraine/Krim-Krise für die zentralasiatische Republik hat, darüber spricht unter anderem der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Dr. Guido Herz im Interview.

Herr Dr. Herz, Sie sind nun seit 2½ Jahren deutscher Botschafter in Kasachstan. Was waren bisher ihre größten Herausforderungen?

Gleich am Anfang stand ich vor der größten Herausforderung, als Präsident Nasarbajew einen Besuch in Deutschland machen wollte, wir aber damals gewisse Voraussetzungen erfüllt sehen wollten, bevor der Besuch überhaupt stattfinden konnte. Unter anderem sollten die Probleme mit den Hermes-Bürgschaften und der Abschluss des Rohstoff- und Technologieabkommens in Angriff genommen werden. Nasarbajew konnte dann in einer relativ frühen Phase meiner Amtszeit nach Berlin reisen. Dort wurde in seinem Beisein am 20. Jahrestag der Aufnahme der deutsch-kasachischen diplomatischen Beziehungen, dem 8. Februar 2012, das Rohstoff- und Technologieabkommen unterzeichnet.

Wie bewerten Sie die Umsetzung dieses Abkommens?

Dieses Abkommen ist ein langfristig angelegtes Abkommen, das auf folgender Voraussetzung beruht: Kasachstan ist ein Land mit vielen Rohstoffen, welche wiederum Deutschland als rohstoffarmes und hoch industrialisiertes Land braucht. Was die Umsetzung anbelangt, ist besonders die kasachische Seite ungeduldig und drängt. Bei diesem Abkommen kann man keine kurzfristigen Resultate erwarten.

Kasachstan ist vor einem Monat plötzlich die Nationalwährung abgewertet worden. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

Die Aufregung nach der Abwertung war groß, aber nach einer Woche hat sich alles wieder beruhigt. Ob die Preissteigerungen im befürchteten Umgang eintreten werden, bleibt abzuwarten. Der Abwertung ging eine Fülle von Ursachen voraus, die weniger darauf zurückzuführen sind, dass Kasachstan wirtschaftlich schlecht dasteht. Der vielleicht wichtigste Einflussfaktor ist meiner Meinung nach die Abwertung des Rubels, der sich die Kasachen nicht entziehen konnten, weil die Wirtschaft sehr eng verwoben ist mit Russland.

Wegen der Tenge-Abwertung befürchten deutsche Unternehmer Umsatzeinbußen. Hat Kasachstan an Attraktivität für Investoren verloren?

Ich sehe da keine Probleme. Wir vergessen zu leicht, dass bis zur Einführung des Euro bei unseren wichtigsten Handelspartnern Abwertungen gang und gäbe waren. Das ist eine einfache Rechnung: die lokalen Kosten sinken für die Investoren. Wer Erlöse in Tenge erwirtschaftet und diese in stabile Währung umtauscht, macht natürlich Verluste, besonders die Firmen, die zum Zeitpunkt der Abwertung Tenge-Guthaben hatten. Aber ich habe noch nicht gehört, dass die Abwertung darüber hinaus für irgendein wichtiges Unternehmen eine negative Auswirkung hatte.

Seit dem 17. Dezember ist Frank-Walter-Steinmeier der neue Außenminister der Bundesrepublik. Er propagiert mit der „Kultur der Verantwortung“ eine aktivere Rolle Deutschlands. Inwieweit hat sich vor diesem Hintergrund die Außenpolitik Deutschlands mit der Republik Kasachstan verändert? Hat dieses Motto zu neuen Perspektiven bezüglich der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan geführt?

„Kultur der Verantwortung“ bedeutete eine größere militärische Verantwortung Deutschlands. In Bezug auf Kasachstan hat diese auswärtige Politik keine direkten Auswirkungen. Hier in Kasachstan gilt Deutschland klar als Führungsmacht in der Europäischen Union. Meiner Meinung nach wird Deutschland als eines der stärksten, leistungsfähigsten und verantwortungsbewusstesten Länder der Welt angesehen. Unabhängig vom Einzelfall bin ich sicher, dass es Kasachstan begrüßen würde, wenn Deutschland mehr militärische Verantwortung übernähme.

Zum Beispiel zeigt Deutschland gerade eine verantwortungsvolle Position bei der Ukraine/Krim-Krise. Welche Bedeutung haben die Geschehnisse in der Ukraine und auf der Krim für Kasachstan?

Kasachstan verlässt sich darauf, dass Deutschland militärisch nur in verantwortungsbewusster Weise tätig wird. Diese Krise zeigt, dass die Einschätzung Kasachstans richtig ist, weil die Bundeskanzlerin gesagt hat, dass es mit ihr kein militärisches Eingreifen auf der Krim geben wird.

Ich habe nicht den Eindruck, dass sich Kasachstan vor Russland fürchtet, obwohl in Nordkasachstan nach wie vor viele Russen leben. Die kasachische Führung hat es geschafft, dass es zwischen den vielen Ethnien im Land keine Spannungen gibt.

Außerdem gibt es hier keine radikalen Nationalisten und keinerlei Diskriminierung bestimmter Ethnien. Von den Russen wird akzeptiert, dass nach dem Zerfall der Sowjet-
union in Kasachstan die Titularnation die wichtigste Rolle spielt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche und enge Beziehungen zu Russland. Die Voraussetzungen für ein russisches Eingreifen sind hier nicht gegeben.

Allerdings ist für die Kasachen möglicherweise unangenehm, dass westliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland auch Auswirkungen auf Kasachstan haben könnten. Diese könnten dazu führen, dass die wirtschaftliche Situation sich verschlechtert und der Handel leidet.

In Kasachstan leben rund 180.000 ethnische Deutsche, die von der Bundesrepublik Deutschland gefördert werden. Welche Rolle spielen die ethnischen Deutschen innerhalb der bilateralen Beziehungen zwischen Kasachstan und der Bundesrepublik?

Die Deutschen in Kasachstan sind mittlerweile eine kleine Minderheit. Durch die Spätaussiedler ist Kasachstan in Deutschland ein Begriff. Jeder kennt irgendeinen Kasachstandeutschen, d.h. es gibt eine gewisse emotionale Beziehung von Deutschland zu Kasachstan und umgekehrt. Die deutsche Minderheit ist eine menschliche Brücke nach Kasachstan, weil es mittlerweile sehr viele Deutsche aus Kasachstan gibt, die in Deutschland leben- und nicht nur in München oder Berlin, sondern auch in vielen kleineren Städten. Die Kasachstandeutschen haben in Kasachstan ein gutes Bild der deutschen Tugenden hinterlassen.

Wir tun natürlich alles, um die hier verbliebenen Deutschen bei der Pflege ihrer Identität in Kasachstan zu unterstützen.

Dafür wäre es ganz gut, wenn der Dachverband der Kasachstandeutschen, die Assoziation, auch da wäre, wo die Mehrheit der Deutschen in Kasachstan leben, nämlich in Nordkasachstan und vor allem dort, wo die Regierung ist, in Astana. Die Assoziation hat ihren Sitz in Almaty nur, weil früher dort die Regierung war.

Seit September 2013 ist es für ethnische Deutsche einfacher geworden, nach Deutschland auszusiedeln. Wie bewerten Sie die Perspektive der deutschen Minderheit in Kasachstan?

Wir merken deutlich, dass die Anzahl der ethnischen Deutschen steigt, die nach Deutschland auswandern wollen. Das liegt mit Sicherheit an den vor kurzem vereinfachten Aufnahmebestimmungen.

Die deutsche Sprache hatte auch im Bildungssystem einen gewissen Stellenwert. Nun wird sie im kasachischen Bildungssystem mehr und mehr verdrängt als zweite oder dritte Fremdsprache. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

Dass die deutsche Sprache mehr und mehr verdrängt wird, hängt damit zusammen, dass hier in Kasachstan Englisch aktiv gefördert wird und auch, dass keine knappe Million ethnischer Deutscher mehr hier wohnt. Zunehmend fehlen Deutschlehrer.

Deutschland ist in den letzten Jahren mehr denn je ein attraktives Land geworden, sowohl wirtschaftlich, politisch wie auch als Studienstandort. Dies schlägt sich nieder im wachsenden Interesse an Deutsch außerhalb der klassischen Schulausbildung. Wir haben zwar fünf Sprachlernzentren im Land, aber das ist zu wenig. Wir bemühen uns, das PASCH-Schulen-Programm auszubauen. Vor allem fehlen Angebote in Westkasachstan. Wir bemühen uns, auch dort Partnerschulen zu finden.

Was erwarten Sie von den anstehenden deutsch-kasachischen Kulturkonsultationen? Wer wird daran teilnehmen und welche Möglichkeiten könnten sich ergeben?

Teilnehmen werden auf deutscher Seite Vertreter des Auswärtigen Amts, der Kulturreferent der Botschaft sowie Repräsentanten der verschiedenen deutschen Kultur-Mittlerorganisationen.

Dadurch, dass Kasachstan sich in einer neuen Entwicklungsphase befindet, ergeben sich viele neue Möglichkeiten. Die Republik war zu Beginn der 2000er Jahre bei weitem nicht so weit entwickelt wie heute. In der Zwischenzeit ist es zum Schwellenland geworden mit anderen Interessen und Bedürfnissen.

Seit 13 Jahren gab es keine Kulturkonsultationen mehr mit Kasachstan. Themen sind unter anderem die Positionierung Deutschlands in der Hochschullandschaft, weil das Hochschulwesen eine zentrale Säule der kasachischen Politik darstellt. Ein weiterer Punkt ist die Kultur an sich. Hier wird die Hauptstadt Astana ausgebaut als Kulturmetropole. Dabei haben wir die Chance, den Kasachen attraktive Angebote zu machen. Zum Beispiel hat die neue Staatsoper in Astana Interesse an einer Kooperation mit einem deutschen Opernhaus gezeigt.

Herr Dr. Herz, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Dominik Vorhölter.

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