Im Deutschen Theater Almaty hatte das Ein-Mann-Stück „Kaspar“ des ägyptischen Regisseurs Hany Ghanem Premiere. Es wurde im Rahmen der „Woche des modernen Theaters“ aufgeführt.

„Kaspar“ ist eine Produktion des ägyptischen Theaters „Rebellion“ aus Kairo. Autor und Regisseur des Stücks ist der Schauspieler Hany Ghanem, der auch das Theater „Rebellion“, das erste unabhängige Theater Ägyptens, gründete. Seit 1996 zählt Ghanem zu den erfolgreichsten Bühnenkünstlern des Nahen Ostens. Er lebt in Berlin und Kairo.

In seinem Stück „Kaspar“ hat Hany Ghanem Fragmente aus der Epistel des Hayy Ibn Yaqzan des arabischen Philosophen Ibn Tufayl aus dem 12. Jahrhundert und aus Peter Handkes 1968 erschienenem Stück „Kaspar“ verarbeitet. Für das Almatyner Publikum war diese Solo-Performance etwas Neues. Nur einen Schauspieler auf der Bühne zu sehen, ist in der hiesigen Theaterlandschaft ungewöhnlich.

Auf der Bühne ein großer schwarzer Tisch, darauf 11 Teller und 11 brennende Kerzen, die gleich zu Beginn gelöscht werden. Fast das ganze Stück spielt sich auf diesem Tisch ab.

Hany Ghanem entwirft die szenische Biografie eines Naturmenschen – von seiner Entdeckung in der Wildnis bis zur Einkleidung für ein Abendmahl im aristokratischen Stil. Er zeigt kritisch, dass ein solcher Mensch mit seinen Zwängen und Nöten wie in einer Zelle lebt.

Der Naturmensch Kaspar erscheint in der Zivilwelt. Er kann nicht sprechen, er kann in dieser Welt nichts tun. Aber er versucht langsam, sich zu einem zivilisierten Wesen zu verwandeln. Parallel zur Veränderung seines Wesens hört man von einem Tonband philosophische Texte in verschiedenen Sprachen.

Ghanems pantomimische Darstellung und seine Körpersprache helfen den Zuschauern zu verstehen, dass diese Verwandlung respektive die Anpassung an die Zivilisation zu schwer ist. Der aufrechte Gang – die Balance halten – ist ein Kraftakt. Kaspar bekommt einen schwarzen Anzug, Schuhe und Strümpfe, die ihn zu einem „normalen“ Menschen machen sollen. Er zwängt sich in Anzug, Strümpfe und Schuhe. Und hier wird das Publikum involviert: Kaspar bittet die Zuschauer um Hilfe. Ein kleiner Junge und eine Frau helfen ihm schließlich in die Kleider.

DAZ: Hany, was bedeutet Ihnen das Theater, und wann haben Sie ihre Karriere als Schauspieler angefangen?

Hany Ghanem: Theater ist für mich ein Beruf, der mir hilft, mich selbst auszudrücken. Ich arbeitete als Regieasistent in einem Kino und Theater, dann habe ich in Kairo Regie studiert, Workshops in Europa besucht und am akademischen Experimentaltheater in Paris studiert. 1990 hat das Goethe-Institut in Kairo einen Workshop durchgeführt, an dem ich teilgenommen habe. Für die Inszenierung habe ich „Kaspar“ von Peter Handke gewählt. Mit diesem Stück hat das Theater „Rebellion“ sein Leben begonnen.

DAZ: War es schwer für Sie, diese Rolle zu spielen?

Ghanem: Eine Rolle entwickelt sich im Laufe der Arbeit. Und an dieser Rolle arbeite ich schon sehr lange.

DAZ: Es gibt den Begriff „modernes Theater“. Wo ist der Unterschied zwischen heutigem Theater und dem Theater früher?

Ghanem: Ja, es gibt klassisches Theater und modernes Theater. Aber das klassische Theater kann auch modern sein. In vielen ehemaligen sozialistischen Ländern gibt es ein Problem mit dem Publikum: wenn die Menschen ins Theater kommen, wollen sie eine klare Aussage auf der Bühne. Das Publikum ist passiv, es sitzt und sieht. Aber es denkt nicht. Für die Zuschauer sind die Schauspieler auf der Bühne heilig. Zwischen Zuschauern und Schauspielern existiert eine Distanz und zwischen der Aufführung und jedem Zuschauer steht eine Wand. Aber so darf man nicht denken, so muss das nicht sein. Die Schauspieler und das Publikum müssen zusammen denken. Das ist eine Art Kommunikation. Die Zuschauer müssen aktiv sein und auch an der Vorstellung teilnehmen. Zum Beispiel wie dieser kleine Junge und diese Frau bei der Aufführung von „Kaspar“ im Deutschen Theater. Sie haben das verstanden und sofort richtig reagiert. Das bedeutet, dass das neue experimentelle Theater versucht, neue Wege zu finden, um mit dem Publikum zu kommunizieren – und dass es funktioniert.

DAZ: Aber einige im Saal haben gedacht, dass der Junge und Frau im Voraus wussten, dass sie Ihnen helfen werden.

Ghanem: Nein! Sie hatten keine Ahnung, was in diesem Stück passieren wird. Ich habe „Kaspar“ in Bischkek aufgeführt, und fast alle Zuschauer kamen, mir zu helfen.

DAZ: Während des Stücks haben die Zuschauer Stimmen in verschiedenen Sprachen gehört. Wozu?

Ghanem: Das waren philosophische Gedanken auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch, Arabisch. Dieses Stück behandelt die Macht der Sprache. Der Naturmensch kommt in die Zivilisation, aber er kann nicht sprechen, kennt keine Sprache. Aber die Menschen nutzen die Sprache, um Macht zu erlangen. Jedes Kind kommt völlig rein auf die Welt. Es hat keine Ahnung, was Sprache ist. Und es hat keine Grenzen. Das Kind hat alle Freiheit. Es macht, was es will. Und langsam, mit der Sprache bekommt es Grenzen.

DAZ: Das Schicksal ihres Helden ist anders als bei den Helden in den anderen Erzählungen.

Ghanem: Ja. Kaspar kann leben oder sterben oder getötet werden, oder er kann in den Wald zurückgehen. Aber ich habe versucht, neues Leben zu schaffen.

DAZ: Was machen Sie außerhalb des Theaters gern?

Ghanem: Ich mache immer Theater. Ich muss immer proben und proben. Sogar wenn ich zu Hause bin und auf dem Stuhl sitze, spiele ich.

DAZ: Welche Ratschläge würden Sie Menschen geben, die auch Schauspieler werden möchten?

Ghanem: Wenn du spielen willst, dann spiel! Spielen ist ein Spiel. Man muss immer proben.

DAZ: Vielen Dank für das Interview!

Das Gespräch führte Aljona Judina

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