Kasachstans atemberaubende Landschaften ziehen zahlreiche naturverbundene Urlauber in das größte Land Zentralasiens. Ökologischer Tourismus soll Mensch und Umwelt einander näherbringen. Doch die Reisebranche vor Ort betrachtet die Entwicklung mit kritischen Augen.

„Ökotourismus ist verantwortungsvolles Reisen in naturbelassenen Gegenden. Er soll die Umwelt schützen und den Wohlstand der lokalen Bevölkerung fördern“, heißt es auf der Internetseite von ‚Ecotourism Kazakhstan’. Das Unternehmen, das teilweise von Nichtregierungs-Organisationen finanziert wird, hat kürzlich eine Initiative gestartet: Touristen bekommen die Chance, in kasachischen Dörfern am Rande von Naturschutzgebieten Urlaub zu machen. Sie wohnen bei einheimischen Familien und bekommen dort einen Einblick in den Lebensalltag der Bevölkerung. Bei geführten Ausflügen in die Umgebung können sie die Schönheit des Landes entdecken. Das Ziel: Die Touristen entwickeln ein Bewusstsein für die Natur und Kultur Kasachstans, ihr Geld soll „den Familien eine wichtige Einnahmequelle bieten und dazu beitragen, die Umwelt zu schützen“, heißt es auf der Internetseite.

Kann solch ökologischer Tourismus in Zentralasien ein Modell für die Zukunft sein? Für den deutschen Tourismus-Unternehmer Folke von Knobloch ist die Initiative von ‚Ecotourism Kazakhstan’ „ein vielversprechendes Angebot. Die Menschen in den Dörfern verdienen auf diese Weise am Tourismus mit, während die Besucher verantwortungsbewussten Urlaub in der Natur erleben können. Leider ist so etwas in Kasachstan eine Ausnahme. Und das wird wohl auch so bleiben.“ Von Knobloch ist der Leiter der ‚Central Asia Tourism Corporation’, einer Tourismusagentur mit Zweigstellen in Kasachstan und Tadschikistan.

In den Augen des Unternehmers sollte Ökotourismus „eine Art von Tourismus sein, der die Natur schützt.“ Er fügt hinzu: „Der Großteil des Tourismus in diesem Land macht die Natur kaputt.“ Seine eigene Agentur möchte von Knobloch dabei nicht ausschließen: „Wir können es uns hier nicht leisten, echten ökologischen Tourismus anzubieten.“ Der Unternehmer verweist auf die geringe Rentabilität: „Es kostet sehr viel, ein kasachisches Dorf für westliche Touristen auszustatten. Dagegen sind die Einnahmen verhältnismäßig gering.“

Folke von Knobloch gibt sich gespalten. Er drückt seine Bewunderung für ökologische Initiativen wie die von ‚Ecotourism Kazakhstan’ aus, verweist aber zugleich auf die schlechten Zukunftsaussichten: „Die Natur wird in den nächsten Jahren eher noch mehr leiden. Immer mehr Menschen suchen sich exotische Reiseziele wie Kasachstan.“ Als Reiseveranstalter sieht er seine Verantwortung darin, „den Touristen beizubringen, auf Tiere und Pflanzen Rücksicht zu nehmen. Nichts anfassen ist die Devise“, mahnt der 73-Jährige, der seit 1993 im kasachischen Reisegeschäft ist.

Von Knobloch plädiert für mehr Ehrlichkeit in der Tourismus-Branche. „Die meisten Angebote, die heute unter dem Titel Ökotourismus laufen, haben nichts mit dem Schutz und der Bewahrung der Umwelt zu tun. Es geht lediglich darum, die Leute in die Natur zu schicken. Von ökologischem Bewusstsein ist das weit entfernt.“ Ist der Begriff Ökotourismus also ein Etikettenschwindel? „Hart gesagt, ja“, findet der Unternehmer.

Noch härtere Worte hat der Reiseveranstalter David Berghof. Für ihn steckt hinter Ökotourismus „ein rein finanzielles Interesse“. Berghof hat ein Reisebüro in einem Hinterhof im Zentrum von Almaty, von wo aus er unter anderem auch Reisen nach Turkmenistan organisiert. Der 33-jährige Berliner kritisiert, dass „den meisten Leuten die Natur eigentlich egal ist“.

Mit der Initiative von ‚Ecotourism Kazakhstan’ geht David Berghof hart ins Gericht: „Was ist an einem Urlaub in kasachischen Dörfern öko?“, fragt der Berliner provokativ. Er spricht aus Erfahrung: „Wir selbst nutzen die sogenannten Ökodörfer für unsere Kunden als Zwischenstation für Ausflüge in die Naturschutzgebiete Kasachstans.“ Er beschreibt den Dorfurlaub wie folgt: „Die Leute sitzen dort und langweilen sich zu Tode. Außerdem gibt es Kommunikationsprobleme mit der Bevölkerung. Die Dorfbewohner können nichts mit den Touristen anfangen. Sie haben andere Probleme. Aus ökologischer Sicht geschieht in diesen Dörfern jedenfalls wenig.“

David Berghof stört sich auch an den Preisen, die für einen Urlaub mit ‚Ecotourism Kazakhstan’ gezahlt werden müssen. Bis zu 35 Dollar kostet der Tag in einem Ökodorf. „Diesen Tourismus können sich nur Wohlhabende leisten“, bedauert der deutsche Reiseveranstalter. Er fügt hinzu: „Dies widerspricht vollkommen der Grundidee des Ökotourismus. Eigentlich sollten Rucksacktouristen die Möglichkeit haben, einen alternativen und günstigen Urlaub zu erleben. In Kasachstan bleibt dieses Vergnügen den Reichen vorbehalten.“

Von Christian Lindner

11/08/06

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