Kombinationen aus Patriotismus, Politik und sozialem Engagement: Das Jugendzentrum „Arman“ in der westkasachstanischen Hafenstadt Aktau ist für viele Jugendliche ein unverzichtbarer Treffpunkt geworden. Für einige ist es der Grundstein einer politischen Karriere

Jeder Verband hat seine Geschichtsschreibung. Meist gibt es ein paar wichtige Gründungsdaten, die jährlich als Jubiläen gefeiert werden, dazu Erzählungen, die man immer wieder gern aufgreift und ausschmückt. Das Jugendzentrum „Arman“ in der kaspischen Hafenstadt Aktau bildet von dieser manchmal legendenbildenden Erinnerungsmechanik keine große Ausnahme. Allerdings hat es auch wirklich ein besonderes Ereignis in seiner noch recht jungen Geschichte gegeben: den Besuch des kasachstanischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew im Jahr 2001. Anlass dafür war der erste Jugendkongress in Kasachstan, damals veranstaltet vom „Zentrum zur Unterstützung jugendlicher Initiativen“. Seitdem flossen genug Fördergelder, und zwei Jahre später konnte das großzügig ausgestattete Jugendzentrum eröffnet werden. Womit die Gründungsgeschichte von „Arman“ bereits grob umrissen wäre.

Was dann passierte, gehört fast noch der Gegenwart an. So auch das Treffen, das die Friedrich-Ebert Stiftung (FES) am 19. Juni zwischen Journalisten und Jugendvertretern in „Arman“ organisierte. Diskutiert werden sollten die Ziele der regionalen Jugendpolitik in der Region sowie die Programmatik der halbstaatlichen Organisation „Wybor Molodych“, die als Sammeldach vieler kleinerer Jugendinitiativen in den großen Städten Kasachstans vertreten ist.

Die Organisation tagt regelmäßig in „Arman“. Auf dem Programm stehen meist sowohl Podien zu gesellschaftsaktuellen Themen als auch Sitzungen und Strategiediskussionen zur Jugendpolitik. „Wybor Molodych“ ist eine Organisation irgendwo am Rande der großen Politik, lose angebunden an das staatliche Departement zu Jugendfragen, dass regelmäßig Komitees zwischen Regierungspolitikern und Jugendvertretern veranstaltet.

Jerken Baldekow von „Wybor Molodych“ macht dann auch alles andere als einen unprofessionellen Eindruck. Der Jugendvertreter, den die FES zusammen mit vier Kollegen eingeladen hat, ist nicht gerade das, was man unter Jugendlichen gern eine „Labertüte“ nennt. Kein alternativ angehauchter „Öko“ mit sozialer Schlagseite sitzt da vor einem, sondern einer, dem fein geschliffene Sätze aus dem Mund fahren wie genau aufeinander abgestimmte Kurzkommentare für eine Nachrichtensendung. Einer mit Charisma, mit glänzenden Zähnen in einem gut gebräunten und von keiner Unebenheit zerfahrenem Gesicht. Und sicher einer, der nach oben will. An die Spitze.

Denn Jugendpolitik ist in Kasachstan immer mehr im Kommen. Die Zahl der Organisationen steigt – derzeit sind es etwa 160 –, und der Kontakt der meist halbstaatlichen Verbände zur Sphäre der Politik ist gut. „Wybor Molodych“ etwa arbeitet eng mit der Partei „Asar“ zusammen, der die Präsidententochter Dariga Nasarbajewa vorsteht. So entstehen in dem funkelnagelneu glitzernden Jugendzentrum „Arman“ eigenartige Kombinationen aus Parteienwerbung und sozialem Engagement. Im Flur zeigt eine kleine Nasarbajew-Galerie einen Staatsmann, der lächelt, Kinder umarmt und Hände schüttelt. Darüber kann man die Ziele von „Arman“ lesen, eine Art Gründungsmanifest, das man sich aber viel besser von Baldekow erklären lassen kann.

Eine Leitlinie sei der „kasachische Patriotismus“, sagt er. „Wybor Molodych“ solle die Jugend „im Geiste des kasachischen Patriotismus“ erziehen. Darunter sei allerdings kein Hymnenwahn zu verstehen. Was zähle, sei die Organisiertheit und die Kultivierung des Stolzes auf das eigene Land. „Wir wollen Jugendliche aktivieren und zur Teilnahme bewegen“, so Baldekow, etwa durch Programme wie „Landesheld“, eine großflächige Säuberungssaktion, bei der so etwas wie ökologische Verantwortungsbereitschaft eingeübt werden soll. Eine ähnliche Sprache spricht der „Wybor Molodych“-Flyer, den Baldekow austeilt. Als Arbeitsschwerpunkte werden die „Vereinigung der Jugend“ und deren Eingliederung „in das gesellschaftliche und politische Leben des Staates“ genannt. „Bei uns lernst Du aktiv zu sein, Dein Land zu lieben und stolz auf es zu sein. Mit uns wirst Du ein würdiger Bürger des Landes“ heißt es unter der Rubrik „Ziele“.

Der patriotische Sound ist klug gewählt. Er trifft auf viele Anhänger. Das mag auch an der auffallend jungen Bevölkerung von Aktau und Umgebung liegen. Offiziellen Angaben zufolge liegt das Durchschnittsalter in der Region bei 26 bis 27 Jahren. Die Anzahl der Schulkinder steigt um 1500 jährlich. Für viele Jugendliche ist „Arman“ da bei aller politischen Einflussnahme zu einem unverzichtbaren Treffpunkt geworden – in dem Aids- und Drogenaufklärungsprojekte ebenso stattfinden wie Discos, Theater oder Sportturniere.

Hier werden – unterstützt von einer eigenen Zeitung und einem Fernsehkanal – öffentlichkeitswirksam Aktionen gestartet, wie zum Beispiel im letzten Jahr die in Zusammenarbeit mit einer US-amerikanischen Organisation entwickelte Kampagne „Jugend für faire Wahlen“. Die Kampagne sollte in erster Linie Studenten über ihr Stimmrecht aufklären und der weit verbreiteten Einflussnahme von Dekanen der Universitäten ein Ende bereiten. Eine erfolgreiche Aktion, meinen die Jugendvertreter – wenn Baldekow dabei auch betont, dass Kasachstan einen „ganz eigenen Zugang zur Demokratie“ habe. Und in einem solchen Satz scheint sie dann wieder auf, die ausgefeilte Verbindung aus politischer Strategie und Jugendengagement.

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