Sarina Adambusinowa wurde als MA-Studentin der Deutsch-Kasachischen Universität für das Internationale Parlamentsstipendium (IPS) am Deutschen Bundestag ausgewählt. Fünf Monate war Sarina Mitarbeiterin des Abgeordnetenbüros von Harald Koch (MdB, Die Linke). DAZ sprach mit Sarina über ihre Erfahrungen in Berlin und Deutschland.

/Sarina Adambusinowa im Deutschen Bundestag./

DAZ: Warum haben Sie sich für das IPS-Stipendium entschieden? Wie hat das IPS-Stipendium Ihren weiteren beruflichen Werdegang und Ihren Lebensweg beeinflusst?

Sarina: Das IPS-Stipendium war zunächst ein Traum für mich, der dann zur Realität wurde. Ich hatte schon vorher davon erfahren und hatte mir zum Ziel gesetzt, mich bei der Stipendienvergabe zu bewerben. Ich durchlief dann alle Auswahlverfahren, und es hat tatsächlich funktioniert!

Mein Antrieb war, dass ich wissen und erleben wollte, wie Demokratie in Deutschland gelebt wird und wie das im Parlament wirklich funktioniert.

Das IPS-Stipendium bot mir die Möglichkeit, Demokratie authentisch vor Ort im Bundestag zu erleben.

Diese Erfahrung des IPS-Stipendiums hat mich persönlich auch sehr verändert. Ich habe nicht nur mein Fachwissen erweitert, sondern auch eine Menge Lebenserfahrung gesammelt.
Ich habe mich vor dem Stipendium in einer Jugendorganisation der Republik Kasachstan mit Jugendpolitik und der Entwicklung der Zivilgesellschaft beschäftigt. Dort, in der „Allianz der Studenten“, ist es uns gelungen, soziale Probleme zu lösen, z.B. was die Wohnsituation der Studenten betrifft.

An der Ostkasachstanischen Staatlichen Universität Ust-Kamenogorsk habe ich außerdem einen eigenen Debattierklub aufgebaut und Jugendprojekte organisiert.

Während dieser Arbeit kam ich mit Themen wie Demokratie und Menschenrechte in Berührung; auch Problemfelder wie Drogenmißbrauch wurden diskutiert. Wir organisierten darüber hinaus „patriotische“ Aktionen mit den Jugendlichen. Hierbei war es wichtig, dass wir die Ergebnisse dieser Aktionen und Projekte auch für die Jugend sichtbar machen. Unsere Zielgruppe waren ja mehrheitlich Studentengruppen und junge Leute.

Mein berufliches Ziel steht jetzt sehr klar vor mir: Ich möchte in Kürze meine Promotion zum Thema Vergangenheits- und Erinnerungspolitik in Zentralasien beginnen. Für die Zukunft kann ich mir sehr gut vorstellen, in einer NGO oder IO (Non-governmental organisation, International organisation) zu arbeiten, die sich mit den Themen Demokratie, Menschenrechte und Zivilgesellschaft auseinandersetzt. Diese Themen sind insbesondere für die kasachstanische Gesellschaft von großer Bedeutung.

Wie waren Sie in die politische Arbeit im Bundestag eingebunden, mit welchen Aufgaben sind Sie konkret betraut worden?

Konkret war ich als IPS-Stipendiatin für den Linken-Abgeordneten Harald Koch zuständig. Fünf Monate konnte ich die Arbeit im Deutschen Bundestag miterleben und hatte die Möglichkeit, an Fraktionssitzungen der Partei „Die Linke“ teilzunehmen. Während der Sitzungswochen kamen außerdem noch diverse Arbeitskreise und Ausschüsse hinzu, auf denen ein reger Meinungsaustausch stattfand. Ich habe erlebt, wie Entscheidungsprozesse vonstatten gehen, Entscheidungen umgesetzt werden und die Abgeordneten letztendlich zu einem Kompromiss kommen.

Während meiner Arbeit beschäftigte ich mich unter anderem mit der Behindertenpolitik und besuchte sogar während der Wahlkreisreise mit Harald Koch Behindertenvereine und -organisationen. Ein wichtiges Thema war hier die Integration von Behinderten in die Gesellschaft. Es gefällt mir sehr, dass es in Deutschland eine sich so entwickelnde Politik in Bezug auf Menschen mit Behinderung gibt. Viele Bedingungen für die Hilfe und Integration von Behinderten wurden von der Regierung und der Zivilgesellschaft geschaffen. Ich denke, dass die Aufmerksamkeit für diesen Bereich in der Gesellschaft mit einer großen Verantwortung und Aufmerksamkeit gelöst werden kann.

Diese Erfahrung aus der Behindertenpolitik hat mich sehr bereichert, denn nach meiner Rückkehr aus Deutschland habe ich mich sofort als Freiwillige in der NGO „Arzhan“ in Almaty engagiert. Diese Nichtregierungsorganisation ist auf dem Gebiet der Behindertenpolitik aktiv und setzt sich für Hilfsmittel wie Braille-Schreibgeräte ein.

Darüber hinaus half ich Herrn Ilja Seifert, Abgeordneter der Partei „Die Linke“, mit Übersetzungsarbeiten in Almaty aus.

Wenn ich heute vergleiche, dann hat sich diese 5-monatige Erfahrung durchweg positiv auf mein ganzes Leben ausgewirkt. Früher war Politik für mich immer etwas Abstraktes. Hier habe ich erlebt, wie reale Politik gemacht wird und habe selbst daran mitgewirkt. Für mich war vor allem der Kontakt zu den Menschen wichtig, wenn wir die Belange der Bürger besprachen oder ich am Telefon auf Anfragen reagierte. Schließlich ging es ja um den Menschen!

Wie wichtig sind Deutschkenntnisse für das IPS-Stipendium?

Als IPS-Stipendiat war ich ja ein Mitglied des Abgeordnetenbüros und versuchte, auch dementsprechend aufzutreten und aussagekräftig zu sein. Ich übernahm als Stipendiatin Aufgaben eines Büroleiters, hatte, wie erwähnt, manchmal mit Bürgern zu tun, sei es im persönlichen oder telefonischen Gespräch. Das ganze politische Leben lief in Deutsch ab, und man musste fähig sein, die zahlreichen Sitzungen und Besprechungen zu verstehen. Alles in allem – ohne sehr gute Deutschkenntnisse ging es nicht! Was mich betrifft, so hatte ich während des IPS-Stipendiums meinen TestDaF (Deutsch als Fremdsprache) abgelegt, was ein großes Plus war. Allerdings muß ich gestehen, dass die Fachbegriffe im Finanzausschuss zu schwierig für mich waren, daher verlegte ich meine Sitzungen auf den Ausschuss „Internationale Politik“.

Gibt es etwas, was Sie zukünftigen IPS-Stipendiaten wünschen und mit auf den Weg geben möchten?

Ja, und zwar lautete dazu der Ratschlag meiner Büroleiterin: „Nutze alle Möglichkeiten, die dir das IPS-Stipendium und das Leben hier in Berlin bieten!“ Das tat ich dann auch: Interkulturelle Begegnungen, Netzwerke, Kontakte aufbauen. Insgesamt waren hier 127 junge und politisch interessierte Leute aus 27 Ländern vertreten. Es gibt zahlreiche Gelegenheiten, im interkulturellen Austausch neue Kulturen zu entdecken! Natürlich nutzte ich den Deutschlandaufenthalt auch dazu, um meine Deutschkenntnisse auszubauen! Was ich jedem raten möchte und ich selbst nicht erwartet hatte, war die Möglichkeit, Seminare der Berliner Universitäten zu besuchen. Das war auf jeden Fall eine Bereicherung!

Außerdem wurden für mich die Nuancen des politischen Systems Deutschlands viel klarer. Die Stipendiaten haben mit den Programminhalten und den Aufgaben im Abgeordnetenbüro die besten Voraussetzungen und die Chance, selbst aktiv am politischen Leben in Deutschland teilzunehmen.

Der Erfahrungsaustausch durch die aktive Arbeit während meines Parlamentsstipendiums erweiterte meine Perspektiven und zeigte mir auch Alternativen zu meinen Erfahrungen auf. Dadurch erhielt ich auch die Chance, meine eigentliche Berufung zu erkennen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit Sarina Adambusinowa sprach Malina Weindl.

Weitere Informationen: www.bundestag.de/ips

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Das IPS (Internationale Parlamentsstipendium) ist eine Initiative des Deutschen Bundestages und der Berliner Universitäten TU, HU sowie FU Berlin. Seit über 20 Jahren vergibt der Bundestag jährliche IPS-Stipendien an junge interessierte und engagierte Hochschulabsolventen und lädt diese ein, das deutsche parlamentarische System und politische Entscheidungsprozesse kennenzulernen sowie praktische Erfahrungen in der parlamentarischen Arbeit zu sammeln. Das IPS richtet sich an Nachwuchskräfte, die sich in ihren Ursprungsländern aktiv für demokratische Grundwerte engagieren wollen. Das IPS-Programm fördert und festigt die Beziehungen zwischen Deutschland und den teilnehmenden Ländern. Das IPS steht unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert.

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