„Eine Krise ist etwas zu Wertvolles, als dass man die in ihr steckenden Möglichkeiten ungenutzt verstreichen lässt!“ Als ich diesen Satz gelesen hatte, kam er mir zuerst sehr kühn und anmaßend vor. Schließlich erschreckt das Wort Krise. Chancen in der Krise zu suchen, wird wohl manchen von uns überfordern. Doch bei genauerem Hinschauen und der Analyse wirtschaftsgeschichtlicher Prozesse kann man erkennen, dass der Ausweg aus Krisen vor allem von den Staaten und Unternehmen gefunden wurde, die nicht den Kopf in den Sand steckten, sondern offensiv mit dem eigentlich ungeliebten Zustand einer Krise umgingen.

Zwar gibt es ökonomische Gesetzmäßigkeiten wie den sogenannten Konjunkturzyklus, die darauf hinweisen, dass es früher oder später eine Art automatisches Herauskommen aus einer Wirtschaftskrise gibt, sogar dann, wenn die Gesellschaft sich passiv verhält. Die Frage ist, ob man gestärkt oder geschwächt aus der Krise herausfindet. Natürlich wollen alle eine Krise gestärkt hinter sich lassen. Dafür muss man aber etwas tun. Die großangelegten Konjunkturprogramme sind die am weitesten verbreiteten Mittel, den Ausweg aus der heutigen Krise zu finden. Doch Geld ist nicht gleich Geld, es kommt darauf an, zu was man es verwendet.

Viele Länder setzen in ihren Konjunkturprogrammen auf klassische Mittel wie die Unterstützung von Bauprozessen, Instandsetzung von Infrastrukturen und öffentlichen Gebäuden etc. Zweifelsohne sind Ausgaben für solche Maßnahmen notwendig, gleichwohl sind sie strategisch nicht entscheidend. Eine Krise bedeutet ja immer auch einen drastischen Rückgang der Nachfrage. Will man gestärkt aus der Krise hervorgehen, muss mehr, nein, Besseres passieren.

Es muss in die Faktoren investiert werden, die zu einem neuen Innovationszyklus führen, denn die Mehrzahl der Käufer will regelmäßig Neues auf dem Ladentisch sehen, und auch die eher zunehmenden gesellschaftlichen Probleme drängen nach neuen Lösungen. Beim Ausgeben staatlicher Mittel zur Bewältigung der aktuellen Krise hat folgerichtig auch ein scharfer Wettbewerb eingesetzt, der sich im vorrangigen Investieren in zukunftsträchtige Bereiche manifestiert.

Innovationen und Bildung – das sind die Bereiche, die letztlich langfristiges Wirtschaftswachstum und damit die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Sanierung der maroden Staatsfinanzen ermöglichen. Nun wird es in diesen beiden Bereichen eine große Breite von Möglichkeiten für das strategisch sinnvolle Ausgeben staatlicher Mittel geben. Bemerkenswert ist jedoch, dass die meisten Länder ihre Mittel in die nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung der Gesellschaft investieren. Hier entsteht der Großteil der Zukunftsmärkte von morgen und übermorgen.

Der öffentliche Sektor verfügt über eine Nachfragemacht, die die Produktion nachhaltiger Güter und Dienstleistungen beeinflussen und Innovationen fördern kann. Dabei sollte der Staat keinesfalls direkt selbst in das Marktgeschehen eingreifen. Hier kennen sich Unternehmen und Unternehmer besser aus als Staatsangestellte. Der Staat sollte aber durch das Vorschreiben vernünftiger und anspruchsvoller Standards und Zielvorgaben die Kreativität von Ingenieuren und Erfindern auf die Lösung der Probleme richten, die für die gesellschaftliche Entwicklung von besonderer Bedeutung sind.

Dazu gehört in unserem Jahrhundert zweifelsohne an erster Stelle das Umweltproblem, dass insbesondere durch den zu hohen Energieverbrauch von uns Menschen provoziert wird. Durch das Setzen von Mindeststandards bei der Energieffizienz, durch Zielvorgaben für den Ausbau der Nutzung regenerativer Energieträger und die Bereitstellung projektbezogener Mittel kann und muss der Staat einen Ordnungsrahmen vorgeben, der Verbraucher und Wirtschaft Orientierung in der Frage gibt, wo die Reise hingehen muss.

Da in den staatlichen Organen naturgemäß nicht nur kleine Genies sitzen, muss Bestandteil eines solchen Ordnungsrahmens auch eine breit angelegte öffentliche Diskussion um diese Ziele sein, denn die kann eine breite gesellschaftliche Unterstützung erst bewirken.

Kasachstan hat sich in seinem Konjunkturprogramm nicht mit ausreichender Konsequenz auf die Linie der Nachhaltigkeit eingeschworen. Trotzdem wird das Land aus der Krise kommen, aber sicher wieder mal ölgestützt. Die Krise scheint zu einer nicht genutzten Chance zu werden.

Bodo Lochmann

06/11/09

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