Bereits zum 20. Mal fand am vergangen Samstag in Almaty das Jazzystan Festival statt. In Erinnerung bleibt neben fantastischer Live-Musik vor allem die moderne Outdoor-Location.

„Das hier ist wie Brooklyn – nur die Leute sind besser gekleidet“, sagt der Amerikaner Matt, der in New York City studiert hat. Er steht an der Bar auf dem Dach einer ehemaligen Waffenfabrik vor einer rostroten Backsteinwand und hält ein Heineken-Bier in der Hand. Über ihm hängen Lichterketten aus nackten Glühbirnen, im Hintergrund ertönt leise Jazzmusik. Es ist das erste Mal, dass das Gebäude der Waffenfabrik – es heißt jetzt ARTHOUSE – als Veranstaltungsort genutzt wird. Fast ununterbrochen haben die Handwerker in den zwei Wochen zuvor dort gearbeitet, Kunstrasen ausgelegt, eine Bühne aufgebaut, ein Licht– und Soundsystem installiert. Einige der Gäste zweifeln daran, dass das Dach die Menschenmasse tatsächlich trägt.

Internationales Lineup

Doch die Sorge ist unbegründet: es trägt und es wird getanzt, und nach und nach kommen immer mehr Menschen die Feuerleiter hoch. Am Ende sind es fast 1500 auf dem gesamten Gelände. Wie nahe ihnen dabei Brooklyn tatsächlich ist, wissen viele gar nicht. Denn angekündigt wird die Band Tortured Soul, der heutige Headliner, zunächst nur als Stargast aus den USA. Gegründet wurde das Trio aus Sänger und Schlagzeugspieler John-Christian Urich, Bassist Jordan Scannella und Keyboarder Ethan White aber tatsächlich in New Yorks In-Viertel Brooklyn. Von dort aus haben sie mit über tausend Shows bereits den ganzen Globus erobert und sogar mit der Funk-Legende James Brown gespielt. Nun begeistern sie mit ihrem Mix aus Housemusik, Soul und Gesang die Besucher des Jazzystan Festivals. In der Vergangenheit traten auch deutsche Bands hier auf, die bekannteste unter ihnen ist Jazzanova aus Berlin.

Ganz anders als der Name es vermuten lässt, ist das Jazzystan, das erstmals 2009 stattfand, keine reine Jazz-Veranstaltung. Viel mehr hat der Organisator Rustam Ospanow, selbst international gebuchter DJ und erfahrener Radiomoderator, eine Reihe vornehmlich lokaler Künstler eingeladen, die alle einen unterschiedlichen Stil vertreten. „Ich bin froh, dass es inzwischen so viele talentierte kasachische Musiker gibt – früher haben die alle einfach nur Coversongs gesungen“, so Ospanow. Die Celestial Whales aus Almaty läuten den Abend mit einer Art Elektro-Indie ein, die zehnköpfige Nuketai Brass Band spielt Blasinstrumente und Sängerin Zzara und ihr Musikpartner Eldar Tagi vermischen zum Abschluss experimentellen Elektro mit Beatmusik.

Positive Musik-Konnotation

Warum also der Name? Viel wichtiger als das „Jazzy“ ist für Ospanoff das „-stan“. „Diese Endung verbinden wir meist mit Ländern, in denen Korruption, Unruhen oder sogar Krieg und Terror herrschen – vornehmlich Afghanistan und Pakistan“, sagt er. Es sei bereits vorgekommen, dass angefragte Bands aus dem Westen nicht kommen wollten, da ihnen Kasachstan zu gefährlich erschien. In einer Rangliste der Länder mit dem schlechtesten Ansehen des Reputation Institutes belegte das Land kürzlich den zehnten Platz. Ospanows Anliegen ist es daher, die gesellschaftliche Wahrnehmung zu verändern, um den „-stan“-Ländern, wie im Übrigen auch Kasachstan, wieder zu einer positiven Konnotation zu verhelfen. „Ich hoffe einfach, dass die Leute hier heute einen tollen Abend haben und das dann in Zukunft mit –stan assoziieren“, so Ospanow. Er sieht diesen Prozess zwar schon deutlich fortgeschritten, hat aber Angst, dass die schwankende Wirtschaftslage zu einem Rückschritt führen könnte. Sein Motto lautet daher: Mehr Demokratie durch Musik. Der Profit ist ihm dabei egal. „Ich hoffe einfach, dass alle Spaß haben, ihre Herzen öffnen und diese Erfahrung dann in Zukunft mit den –stan Ländern assoziieren“, so Ospanow.

Einen tollen Abend haben die Gäste allemal. Neben der Bühne mit Live-Auftritten, gibt es gemütliche Sitzecken und diverse Food-Trucks mit Burgern, Pizzen und Bio-Sandwiches. Für die Namensherkunft hat der Amerikaner Matt zwar keine Erklärung – er wird seinen Freunden in Brooklyn und den Rest der Welt aber trotzdem von diesem einzigartigen Abend berichten. Und damit hat Ospanow zumindest eines seiner Ziele erreicht: „Mit Musik eine Brücke zwischen meiner geliebten Heimat Almaty und anderen Städten dieser Welt schaffen.“

Liza Marie Niesmak

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