In Zentralasien ist man stolz auf seine Seidenstraßenkultur – mitsamt den orientalisch-chaotisch anmutenden Basaren. So war einer der ersten Orte, die ich besichtigte, als ich zum ersten Mal in Almaty war, der Grüne Basar. Es ist einer dieser bunten, lärmenden Handelsplätze, an denen Händler mit Geschrei ihre exotischen Waren anpreisen. Hoch aufgetürmte, schier endlose Berge an knallbunten Früchten und fremden Gewürzen. Das Gefeilsche um den Preis gehört natürlich dazu.

Heute würde ich nicht mehr auf den Grünen Basar zum Einkaufen gehen. Ich weiß inzwischen, dass  Preise dort viel zu hoch sind und dieser Markt eigentlich nicht viel mehr als ein Touristenspaß ist. Außerdem gibt es viel interessantere Alternativen: Außerhalb des Stadtzentrums findet man die alten Kolchosmärkte. Dort kostet ein Kilo Tomaten oder Paprika nur ein Bruchteil dessen, was man auf dem Grünen Basar bezahlen würde. Am Straßenrand findet man zudem die Melonenberge, die oft direkt aus dem Kofferraum eines alten Lada herausragen. Eine Melone kostet nur wenige Tenge, ist aber oft so schwer, dass man sie kaum tragen kann.

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Wer schon einmal einen Sack Gemüse auf einem solchen echten Kolchosmarkt gekauft hat, und ansonsten die Preise in den Supermärkten kennt, wird eine merkwürdige Besonderheit im Vergleich zu Deutschland feststellen. Auf einem deutschen Bauernmarkt kostet das Gemüse frisch vom Feld ein Vielfaches dessen, was man in einem Supermarkt bezahlen würde. Natürlich stehen hier Massenproduktion gegen harte Handarbeit und Direktverkauf. In Kasachstan sowie auch in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ist es genau andersherum: Obst und Gemüse im Supermarkt sind oft deutlich teurer als am Marktstand auf dem Basar.

Es mag sein, wie es will, heute scheint auch in den ehemaligen Sowjetstaaten alles in unbegrenzter Menge vorhanden zu sein. Doch als die Sowjetunion noch existierte, herrschte dauerhafter Mangel an einfach allem. Aber die Menschen wussten sich zu helfen. Als es für den Sowjetmenschen noch das Ideal war, in riesigen Plattenbausiedlungen in seelenlosen Trabantenstädten zu leben, machten sich Generationen von Sowjetbürgern von Riga bis Wladiwostok jedes Wochenende auf den Weg in die Datscha. Man wollte nicht nur dem Grau der Stadt entfliehen – das Wochenendhäuschen erfüllte noch einen ganz anderen praktischen Zweck. Dort konnte man sein eigenes Obst und Gemüse anbauen, und dieses anschließend sogar für den Winter einkochen. Dies war in manchen Mangelperioden überlebenswichtig für ganze Gesellschaften.

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Seitdem ist viel Zeit vergangen, ein gewisser Wohlstand ist hierzulande eingetreten. Die Renten sind allerdings klein geblieben und reichen kaum zum Überleben. Und so sieht man auch heute noch alte Großmütterchen in den Straßen sitzen, die drei dicke, große Gurken, eine kleine Schachtel Tomaten oder ein Eimerchen Äpfel vor sich stehen haben. Ein kleines Zubrot für Menschen, denen, außer ihrem Gemüsegarten, am Ende des Lebens nicht viel geblieben ist. Die alte Babuschka wäre wohl der einzig richtige Ort, um sein Gemüse zu kaufen.

In Deutschland gilt der Kleingarten inzwischen nicht mehr als spießig, sondern als hip. Wer keinen Garten hat, nimmt den heimischen Balkon. Da ich in Kasachstan leider noch keine Datscha habe, muss auch bei mir der Balkon herhalten. Ich habe mich von diesem Trend anstecken lassen und vor einiger Zeit ein paar Samen ausgesät. Es hat zwar in diesem Jahr etwas gedauert, doch mittlerweile ist das Wetter super. Der Sommer ist hier, es gab genug Sonne und Wärme für meine Pflänzchen. Inzwischen ist die Erntezeit gekommen: Eine dicke grüne Gurke hängt schon schwer von dem wuchernden Gurkenstrauch. Die Tomatenpflanze, die inzwischen bis zur Decke reicht, wird aber noch ein paar Wochen brauchen. Ich freue mich, dass mein erster Gärtnerversuch so erfolgreich war. Mein Balkon mit Blick auf die schneebedeckten Berge hat die idealen Voraussetzungen. Und die nächsten Pflänzchen sind schon ausgesät!

Philipp Dippl

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