Die chinesische Regierung hat den Fackellauf durch die von muslimischen Uiguren bewohnte Provinz Xingjang kurzfristig um mehr als eine Woche vorverlegt. Ähnlich wie in Tibet kommt es auch in der Provinz Xingjang immer wieder zu Unruhen, weil Uiguren gegen die Unterdrückung ihrer Kultur protestieren. 700 von ihnen wurden in den vergangenen zehn Jahren hingerichtet. Die uigurische Aktivistin Rebiya Kadeer ist deshalb in die USA geflohen und kämpft jetzt als Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren für die Freiheit ihres Volkes. Nun ist sie für den diesjährigen Friedensnobelpreis nominiert.

/Bild: Jesko Schmoller/

Viele Uiguren hofften, der Durchzug des olympischen Feuers würde ein wenig Licht auf das Leid in ihrer Heimat werfen. Die chinesische Regierung hat diese Hoffnungen nun zunichte gemacht: Kurzfristig hat sie den für den 25. Juni geplanten Fackellauf durch die von muslimischen Uiguren bewohnte Provinz Xingjang vorverlegt. Über eine Woche früher traf die Olympische Fackel in der Provinzhauptstadt Ürümqi ein und wurde von dort durch drei weitere Städte der Provinz getragen.

Machtdemonstration

Ähnlich wie in Tibet kommt es auch in Xingjang immer wieder zu Unruhen, weil Uiguren gegen die Unterdrückung ihrer Kultur protestieren. Exil-Uiguren sehen hinter dem Fackellauf – ähnlich wie die Exil-Tibeter – den Versuch der chinesischen Führung, ihren Machtanspruch auf den Nordwesten des Landes zu demonstrieren.

Kaum bekannt sind indes die Menschenrechtsverletzungen, die die chinesische Regierung an den in Xingjang lebenden Uiguren begeht. Mindestens 700 von ihnen wurden innerhalb der letzten zehn Jahre aus politischen Gründen hingerichtet. Friedliche Demonstranten werden als Separatisten und Terroristen gebrandmarkt und entsprechend behandelt. Dabei wünschen viele Uiguren lediglich, ihre bedrohte Kultur zu bewahren.

China schließt Moscheen

Das etwa 10 Millionen Menschen zählende Turkvolk der Uiguren ähnelt den Chinesen schon äußerlich kaum. Ihre Züge gleichen eher den westlichen Nachbarn – den Kirgisen und Usbeken. In den Nationalstaaten beider Völker, Kirgisistan und Usbekistan, stellen sie bedeutende Minderheiten: Nach Schätzungen leben 50.000 Uiguren in Kirgisistan, in Usbekistan vermuten uigurische Quellen sogar 200.000 Landsleute. Wie ihre westlichen Nachbarn sind die Uiguren Muslime. China hindert sie – genau wie die Tibeter – jedoch daran, ihren Glauben auszuleben. Der Staat hat eine Vielzahl von Moscheen schließen lassen. Auch sprachlich müssen die Uiguren sich Zentralchina anpassen. Seit dem Jahre 2003 wird an Schulen nur noch in Chinesisch unterrichtet.

Doch erst die staatliche Siedlungspolitik zeigt, worauf die chinesische Regierung zielt: den Ethnozid des uigurischen Volkes, die völlige Auflösung ihrer Identität als eigenständige Volksgruppe. Der Ideologie der Führung in Peking folgend, sollen alle in China lebenden Minderheiten Chinesen werden. Durch den Zuzug aus Zentralchina sind schon jetzt mehr als 60 Prozent der Menschen in der Provinz Xingjang Han-Chinesen. Und um die Geburtenrate auf uigurischer Seite zu senken, verschickt die Regierung seit 2006 tausende uigurischer Mädchen und Frauen zwangsweise in den Osten des Landes. Eine Maßnahme, die an die totalitären Phantasien Mao Tsetungs erinnert.

„Mutter der uigurischen Nation“

Eine Uigurin, die gelernt hat, wie sich Schmerzen anfühlen, ist Rebiya Kadeer. Sechseinhalb Jahre war sie in chinesischer Gefangenschaft, weil sie sich für die Rechte ihres Volkes eingesetzt hat. Die Staatsführung beschuldigte sie, Staatsgeheimnisse an die USA verkauft zu haben. Dabei beschrieb sie in ihren Briefen nach eigenen Angaben lediglich das Schicksal ihrer Landsleute. Kadeer gelang es, in die USA zu fliehen. Als Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren kämpft sie von dort aus weiter für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in ihrer Heimat. Das brachte zwei ihrer in China gebliebenen Söhne Haftstrafen ein. Rebiya Kadeer weiß, dass ihre Kinder wohl in Freiheit wären, wenn sie nur ihre Arbeit ruhen ließe.

„Ich lasse mich nicht erpressen”, erklärt sie und Zuversicht erhellt ihr müdes Gesicht. „Das Schicksal so vieler Menschen hängt von mir ab. Sie warten nur darauf, dass ich ihnen helfe, ihre Probleme zu lösen.” Die „Mutter der uigurischen Nation”, wie die Presse sie gern betitelt, hat ihr Leben ganz in den Dienst des eigenen Volkes gestellt. Sie hält Vorträge bei den Vereinten Nationen, vor dem EU-Parlament und in den Volksvertretungen vieler Staaten und ist ununterbrochen unterwegs.

Dass in westlichen Ländern kaum jemand die Situation der Uiguren kennt, betrübt Kadeer. „Über Tibet weiß die Welt heute so viel, dabei teilen wir das gleiche Schicksal.” Das könnte sich bald ändern. Denn Rebiya Kadeer ist in diesem Jahr wiederholt für den Friedensnobelpreis nominiert. Wenn sie wie der Dalai Lama, das Oberhaupt der Tibeter, den Preis erhält, dürfte das Licht der Aufmerksamkeit auch auf ihr Volk und dessen Leiden scheinen. Denn nicht einmal die olympische Flamme strahlt so hell wie ein Nobelpreis. (n-ost)

Von Jesko Schmoller

20/06/08

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