„Kunst aus Kasachstan ist kein Renner auf dem europäischen Markt“: Besuch bei einer kasachischen Künstlerfamilie, die sich auf archaische Motive spezialisiert hat

Haushalt ihre Staffelei aufgebaut hat und in der Küche Bilder produziert, oftmals Auftragswerke. Doch sie ist es, die es immer wieder nach Europa zieht. Sie liebt Frankreich und seine Sprache, sie verehrt Picasso und schätzt Goya.

Code 3-7-0, die Stahltür öffnet sich zum Treppenhaus einer dieser Wohnkasernen in Almaty, die von außen wenig einladend wirken und trotzdem zum gehobenen Standard gehören. Kein Ort für Kunst, scheint es. Doch als die Wohnungstür aufschwingt, fällt der Blick auf einen ganzen Stapel von großformatigen Bildern und Rahmen, die den kleinen Flur fast völlig ausfüllen. Eine Künstlerwohnung, jenseits von sonnendurchfluteten Lofts im Dachgeschoss Pariser oder Berliner Bürgerhäuser, doch offensichtlich ein produktives Umfeld.

Lazzat Maralbajewa, eine zierliche Frau in Jeans und mit asiatischen Gesichtszügen, bittet in fließendem Französisch ins Wohnzimmer. Auch hier nichts, was einen Künstler inspirieren könnte, sondern Auslegware, Schrankwand und Durchreiche zur Küche. Ein Wellensittich flattert aufgeregt durch die Luft.

Und dann stellt Lazzat die Familienmitglieder vor: Ablai Karpykow, Ehemann, Maler und Architekt, die 22-jährige Alua und Abulchairchan, 13 Jahre alt, Jüngster von vier Kindern. Die älteste Tochter Janelle und Aluas Zwillingsbruder Sadwakas sind unterwegs. Mutter Lazzat ist ebenfalls Architektin, seit über zehn Jahren steht auf ihrer Visitenkarte auch „Malerin“.

Sie alle zeichnen und malen aus Leidenschaft. Bis unter die Decke hängen in den vier Zimmern die Gemälde. Auf den ersten Blick fällt ein Stil in Öl klar heraus. Ungestüm, bunt, schnell sind die Motive: eine Raubkatze im Sprung, der gelbe Vexier-Blick eines Wolfes, staubige Steppe unter Pferdehufen. „Sadwakas“ steht unter den Bildern, und der Stolz der Eltern ist unübersehbar.

Ablai spricht nicht viel, das Wort führen Lazzat und der junge Abul. Doch wenn Bilder Spiegel der Gedanken sind, bekommt man Angst, sich in Ablais Imaginationen zu verlieren. Die Wildheit Sadwakas’ ist spürbar, doch vielfach gebrochen wie in einem Hologramm, und ein grauer Schleier scheint darüber gelegt, der die Figuren zum Zerfließen bringt und nur hier und da den schwarzen Bart eines Mongolen oder eine Frauenbrust erkennen lässt.

Schließlich Lazzat. Ihre Bilder sind weiblich, Pastell und fließende Gewänder. Auch der Mann mit dem goldenen Helm ist bei ihr eine Frau. Doch Lazzat sagt, sie könne sich nicht festlegen, und dies sei nur eine Phase unter vielen. Sie scheint das pragmatische Rückgrat der Familie, wie sie zwischen Kindern und
So oft es geht, und das heißt vielleicht einmal in zwei oder drei Jahren, packt sie ihre Sachen und zieht dahin, wo man von der Kunst leben kann, oder von der Hoffnung, von der Kunst zu leben. Letztes Jahr war sie in Paris, ein paar Wochen lang, sie hat am Montmartre gemalt und gleich ein paar Bilder verkauft. Auch Ausstellungen hatte sie schon. In Paris, Rom, Frankfurt. Sie bliebe gern in Kontakt mit den Galerien im Westen, doch Kunst aus Kasachstan ist kein Renner. Weder da noch hier, gesteht sie.

Die Bilder der Familie bestechen in ihrer Gesamtheit. Alle greifen das alte Kasachstan auf. Obwohl die Familienwurzeln eher durch das Leben in der Stadt einer ehemaligen Sowjetrepublik geprägt seien, wie Lazzat erzählt. Von Jurten ist da keine Rede mehr, die Mythen der Kasachen sind auch in dieser kasachischen Familie nur noch verschwommene Erinnerungen, die dem Tand in Souvenirshops zum Teil bedenklich nahe kommen.

Doch vielleicht ist es allein dieser Kompromiss, der die Künstler am Leben hält. Kunst für Geld, sei keine Kunst, heißt es. Ein hehres Ideal, wenn es nicht ums Überleben geht. Gilt es auch als Kunst, eine Großfamilie über Wasser zu halten und trotzdem den eigenen Träumen nachzugehen?

Trotz Begabung wollen die Kinder nicht von der Malerei leben, jedenfalls nicht als Künstler. Sadwakas ist Internet-Designer, er malt jetzt nicht mehr in Öl, sondern mit Maus und Tastatur. Neben dem Talent hat er wohl auch den Pragmatismus seiner Mutter geerbt.

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