Auch ich gehöre jetzt dazu: zu den bekennenden Partnersuchern im Internet. In einer Selbsthilfegruppe in Amerika würde ich sagen: „Ich heiße Julia, und ich suche einen Partner. Bisher habe ich es nicht alleine geschafft, den Richtigen zu finden. Mit eurer Hilfe wage ich den Schritt raus aus der Romantiksucht und gehe diesen neuen Weg.“ Und alle applaudieren. Jaaa, willkommen in der Wirklichkeit!

Und das war eine ziemliche Überwindung. Aber weil ich meinem Kollegen Vedat die Ohren voll gejammert habe, er mir aufmerksam zugehört und konstruktiv geraten hat, weil ich Ratschläge immer befolge, wenn mir selbst nichts Besseres einfällt und mir ausnahmsweise keine Widerworte einfielen, habe ich eben ein Profil angelegt.

Technisch geht das ganz einfach. Mental war der Schritt sehr schwer: Sich einzugestehen, dass es die hollywoodverheißenden Begegnungsromanzen mit anschließendem andauernden Glück gar nicht oder viel zu selten gibt; dass man kein lustiges Tolpatsch-Treffen „Wie ich ihm Rotwein über die Hose gekippt habe“ erlebt; und dass es womöglich nicht DEN vom Schicksal auserwählten Prinzen gibt, der nur noch chic gemacht wird, bevor er wie beim „Mensch ärgere dich nicht“-Spiel aus dem Häuschen darf, um einen zu fangen.

Nein, auf dem heutigen Partnermarkt geht es sachlich zu, so Vedat, und besser man traut nicht seinem trügerischen Bauchgefühl, das sich blenden und irreleiten lässt, weil die Verliebtheit eh nicht lange usw., sondern man lässt sich von Profis (= Psychologen) helfen, die ausrechnen, wer zu wem passt. Also gut (seufz). Zugleich trotzig, schmollend, verkrampft, verschüchtert und verklemmt habe ich mich an die Börse rangewagt.
Der eigene Profil-Part war einfacher als Suchkriterien zu definieren. Zu Beginn war ich möchtegern-tolerant: „Neeeein, auf Alter, Gewicht und Größe lege ich natürlich keinen so großen Wert. Es kommt ja auf die inneren Werte an“ bla bla. Um mir dann bei der großen und vor allem konkreten Auswahl einzugestehen: „Bissl größer und jünger hätt ich’s dann doch gern. Und wenn man schon Wunschkonzert spielen darf, dann doch gern auch schlank. Und praktischer wärs noch, wenn er um die Ecke wohnte usw. Man füllt allerhand aus und dann rechnen die Experten im Hintergrund die Übereinstimmung in so genannten Matching-Punkten aus.

Ich wartete gespannt wie bei der Oscar-Verleihung. „And the winner is …“. Wow! Da war einer mit über 90 Prozent Matching-Dinsbums. Ein wirklich hoher Wert. Und tatsächlich! Alles gefiel mir gut. Bis auf den letzten Punkt – „Was der andere über mich wissen sollte“. Ach ja, fiel meinem Ken dann noch nebenbei ein, „ich suche gar keine Partnerin, sondern will mir nur einen Freundeskreis aufbauen.“ OH NEIN! Genau aus so einer Enttäuschung versuche ich mich via Internet gerade rauszuziehen: „Du, du bist ein toller Mensch, also lass uns doch Freunde sein.“ Kotz! Und ich dachte, in solchen Foren tummeln sich nur ernsthaft Suchende.
Gut, weiter gucken. Es folgte mein verklemmtes Zusammenzucken bei Kontaktanfragen: Huch! Hilfe! Da schreibt mich einer an. Und jetzt?! Wie antworte ich? Wie geht das weiter? Hoffentlich gefällt er mir? Hoffentlich gefalle ich ihm? Muss ich jetzt witzig sein? Mann oh Mann, wie ein Teenie! Inzwischen habe ich ein wenig mehr Routine und Souveränität gewonnen. Die Regie habe ich den alten Hasen überlassen. Ein Date hatte ich inzwischen auch schon. Allein der Funke flog nicht. Ein netter Mensch. Die erste Irritation kam allerdings, als er unsere Sternzeichenpassgenauigkeit ernsthaft prüfte.

Wenn man selbst nicht viel Wert darauf legt, muss man schon ein paar Augen zudrücken, um das zu akzeptieren. Zumal das von der Internetplattform in keiner Weise geprüft wird. Hokuspokus spielt hier keine Rolle. Dazu sind wir ja hier, um mal die Verantwortung aus der Hand zu geben. Und nicht, um eigene Kriterien einzubringen. Eben! Egal, hat dann ja auch nicht wirklich gepasst. Vielleicht lag’s an meinem Aszendenten. Und nun hat sich ein Kerl in meine Partnervorschläge geschlingelt, der meinen Angaben zufolge gar nicht da reingehört: zu jung und nur 69 Prozent Matching-Punkte. Aber er ist bislang der netteste und konsequenteste Kontakt. Bald treffen wir uns auf ein Bier. Ich bin gespannt. Und werde berichten.

Julia Siebert

30/04/10

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