Unsere reisebegeisterte Autorin Claudia Schwaiger berichtet erneut von Kuriositäten, die einem auf Reisen so passieren können. Dieses Mal schildert sie Ereignisse von ihrer zweiwöchigen Reise durch Usbekistan – ein Land, das international in erster Linie für die Austrocknung des Aralsees und die Zwangsarbeit bei der Baumwollernte bekannt ist.

Meine Reise nach Usbekistan begann unweit der usbekischen Grenze in Schymkent nach einer mit elf Stunden langen, aber durchaus erholsamen Zugfahrt inklusive eines deftigen Plov-Frühstücks. Marat, eine Bekanntschaft aus dem Zug, hatte darauf bestanden, mich einzuladen – auf einen echten Schymkenter Plov (natürlich der beste überhaupt!), begleitet von dem unabdinglichen „Lepjoschka“-Fladenbrot, dem erfrischenden „Atschu-Tschuk“-Tomatensalat, den Mini-Samsa „Parmuda“ und stark gesüßtem Schymkenter-Tee, einem Gemisch aus grünem und schwarzem Tee und Zitrone.

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Plov, die Nationalspeise Usbekistans, wird fast schon wie eine Religion verehrt – zu jeglichen Feierlichkeiten darf das Gericht aus Reis, Fleisch, Karotten und viel Hammelfett keinesfalls am Tisch fehlen; aber auch an einem normalen Wochentag wird zum Frühstück, Mittag– oder Abendessen nicht darauf verzichtet. In einem mindestens 30-müntigen Gespräch hatte ich die große Ehre, von einem Taxifahrer in allen Einzelheiten erklärt zu bekommen, wie Plov richtig zubereitet wird. Die wichtigste Zutat beim Kochen: Herz und Seele.

Je fettiger, desto besser

Taschkent, Samarkand, Buchara, Chiva: Usbekistan hat viel zu bieten. Eines hat unsere Autorin aber die ganze Zeit begleitet: Plov. | Bild: Autorin

In jeder Stadt wird er etwas anders zubereitet und jeder schwört darauf, dass er in seiner Heimatstadt am besten schmeckt. Die Zutaten weichen in der Regel kaum voneinander ab, manchmal werden beispielsweise Rosinen und Kichererbsen hinzugefügt, aber der Fettanteil kann mitunter stark schwanken.

Frisch zubereitet wird der Plov übrigens nur bis ein Uhr mittags. Dabei ist der Donnerstag von besonderer Bedeutung und wer dann einen besonders fettigen Plov serviert bekommt, kann sich glücklich schätzen – insofern er sich eine kinderreiche Familie wünscht. Das Fett vom Boden des Kasans, des gusseisernen, nach oben breiter werdenden Plov-Kochtopfs, soll nämlich eine fruchtbarkeitssteigernde Wirkung haben.

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Der Grenzübergang verlief überraschend schnell. Der Taxifahrer, dem ich mit 5000 KZT viel zu viel bezahlt habe, hat bei den fünf Passkontrollen immer „ana inostranka“ gerufen, was so viel bedeutet wie „sie ist Ausländerin“, woraufhin ich widerwillig von den sichtlich genervten Wartenden zu den Grenzbeamten vorgelassen wurde. Ein klarer Fall von positivem Rassismus.

In der Unterkunft in Taschkent angekommen, realisierte ich erst, dass ich die vorab in der Buchungsreservierung erwähnte Information, Unterkünfte können nur in Dollar bezahlt werden, etwas ernster hätte nehmen sollen. Ich hatte mich geirrt in der Annahme, dass man in Usbekistan doch auch überall in der lokalen Währung bezahlen könne. Nur mit kasachischen Tenge und Euro, allerdings keinem einzigen Dollar im Gepäck, stand ich nun an der Rezeption und wurde mit fassungslosem Gesichtsausdruck beäugt. Letzten Endes wurden in den Unterkünften auch überall meine Euros akzeptiert, nur eben zu einem für mich ungünstigeren Kurs.

Geldwechsel auf dem Schwarzmarkt

Als erstes Abenteuer, welches für kräftiges Herzklopfen und schweißnasse Hände sorgte, stellte sich der Geldwechsel am Chorsu-Basar in Taschkent heraus. Geld wurde bis Anfang September ausschließlich am Schwarzmarkt gewechselt, da der Wechselkurs dort bei Weitem günstiger war als der offizielle. Immer wieder musste ich an die wilden Gestiken meiner kasachischen Mitbewohnerinnen zur Beschreibung des wortwörtlichen Geldsackes, den ich bekommen würde, denken. Einleuchtend angesichts dessen, dass der größte Geldschein seit Anfang August ca. zehn Euro entspricht und es bis dahin maximal Geldscheine im Wert von rund zwei Euro gab.

Nach zahlreichen Warnungen von Bekannten, Geld nur mithilfe von Ortsansässigen zu wechseln und sich ja nicht übers Ohr hauen zu lassen, war der Moment gekommen. Ich spazierte auf dem Basargelände herum und hielt Ausschau nach – ja wonach eigentlich? In diesem Fall wurde ich glücklicherweise sofort als Touristin erkannt und es dauerte keine zwei Minuten, bis die ersten Rufe von „Dollar, Dollar, exchange money“ zu hören waren. Mit dem Geldwechsler meiner Wahl ging es etwas abseits der Menschenmassen. Dann begannen die Verhandlungen. Der Wunschkurs wurde jeweils im Handy eingetippt und bis zum Erlangen eines zufriedenstellenden Ergebnisses für beide Seiten mehrere Male verändert. Mir wurde ein Bündel von 1000-Sum-Scheinen im Wert von 220.000 UZS in die Hand gedrückt.

Sofort überprüfte ich, ob sich im Bündel rein zufälligerweise wohl keine 500-Sum-Scheine befanden. Das scheint den Geldwechslern hier aus „Unachtsamkeit“ oder anderen fraglichen Gründen hin und wieder zu passieren. Als ich ihm beim Nachzählen nicht schnell genug war, nahm er mir diese Aufgabe ungebetener Weise kurzerhand mit der entsprechenden Fingerfertigkeit ab. Mit dem Wissen, gerade etwas Illegales zu machen, und dem entsprechenden psychischen Druck, blieb mir nichts anderes übrig, als meinem Gegenüber zu vertrauen.

Feiertage in Samarkand

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Zugang zu einer Medresse. | Bild: Autorin

Von der kontrastreichen Hauptstadt Usbekistans, wo man üppig mit Melonen beladene und von Eseln gezogene Anhänger, historische Bauwerke aus dem 16. Jahrhundert wie die Barak-Chan-Medresse und moderne Architektur zugleich bestaunen kann, ging es ins sehr auf Touristen abgestimmte Samarkand. Dort erwarteten mich gleich mehrere Feierlichkeiten: das alle zwei Jahre stattfindende Internationale Musikfestival „Sharq taronalari“ („Die Melodien des Ostens“), der 26. Unabhängigkeitstag Usbekistans, das muslimische Opferfest „Qurbon Hayit“ am 1. September sowie die Enthüllung einer Statue des ehemaligen Präsidenten Islam Karimow. Widergespiegelt hat sich all das in einer erhöhten Polizeipräsenz in der gesamten Stadt vor allem rund um den prächtigen Platz „Registan“, wo drei meisterhafte Medressen aus dem 14. Und 16. Jahrhundert zu bestaunen sind.

Nächster Stopp: Buchara. Kaum in der Unterkunft angekommen, erklangen von den Straßen plötzlich Trommel– und Trompetenklänge. Aus Neugierde zog es mich auf die Straßen, wo ich einen Festzug aus Leuten, bepackt mit Geschenken, erblickte. Alle waren in Feierlaune – schließlich galt es, die Beschneidung eines Familienmitglieds zu feiern. Prompt wurden auch wir eingeladen. Keine fünf Minuten später saßen wir gleich ums Eck an einem reichlich gedeckten Tisch. Zu schlemmen gab es alles, was das Herz begehrt – von Salaten, gefüllten Teigtaschen über Kebab bis hin zu Obst, Torten und Konfekt.

Sengende Hitze in Chiva

Beim Besuch der Sommerresidenz des letzten Emirs von Buchara, Said Alimchan, machte ich Bekanntschaft mit drei Usbeken, die mich zuerst auf ein Eis und dann auf eine russischsprachige Tour durch den „Ark“ einluden. Die von einer beeindruckenden Festungsmauer umgebene jahrhundertealte Zitadelle diente einst als Residenz der Khane und Emire von Buchara. Zwischendurch stellte sich mir nicht zum ersten Mal die Frage, ob es nicht doch sinnvoll gewesen wäre, einen vorgetäuschten Ehering zu tragen, wie das viele durch Zentralasien alleinreisende Frauen machen.

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Als letztes Reiseziel stand Chiva auf dem Programm. Bereits die sechsstündige Taxifahrt dorthin durch die endlos erscheinende Kyzylikum-Wüste und vorbei an unzähligen mit Baumwolle beladenen Anhängern entpuppte sich als Abenteuer. Alle 200-250 km wurde ein Zwischenstopp zur Autoinspektion eingelegt. Mysteriöser Weise müssen alle Passagiere jedes Mal mit ausreichendem Sicherheitsabstand aussteigen und bei der Ausfahrt auf die Weiterfahrt warten. Was dort wohl vor sich geht? Die gesamte Fahrt war untermalt von den Klängen laut ertönender usbekischer Musik, durchzogen von englischen und – siehe da – sogar österreichischen Artisten wie Parov Stelar.

Mit mir im Auto saßen vier Usbeken, die weder der russischen, noch der englischen Sprache mächtig waren und große schwarze Plastiksäcke voller Fleisch mit sich führten. Dass sprachliche Barrieren der einzigartigen usbekischen Gastfreundschaft nichts anhaben können, wurde mit einer Einladung auf Samsa zum Mittagessen wieder einmal bewiesen. Als „Abkühlung“ von der sengenden Hitze, die von der Wüste abgestrahlt wurde, hielt es der Fahrer als sinnvoll, immer wieder bei Geschwindigkeiten von 120 km/h die Fahrertür kurz aufzumachen und den Kopf rauszuhalten.

In Chiva erwartete mich nichtsahnend eine weitere Veranstaltung – das Internationale Tanzfestival „Raqs sehri“ („The Magic of Dance“). Dort konnten nationale Tänze von (inter)nationalen Tanzgruppen als auch die traditionelle Tracht der Tänzer bestaunt werden. Gekrönt wurde der Aufenthalt in Chiva von einem wunderschönen Sonnenuntergang, bei dem die gesamte Altstadt und die Zinnen der im 10. Jahrhundert erbauten Stadtmauer in einem bunten Farbgemisch aus orangen, roten und rosa Pastelltönen erstrahlte, gefolgt vom schönsten Aufgehen eines Vollmondes, den ich je erleben durfte.

Weltrekord im Plovkochen

Die 13-stündige Rückfahrt nach Taschkent mit dem Taxi war alles andere als ein Vergnügen, bot mir aber genügend Zeit, mir alles in den letzten zwei Wochen Erlebte noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Einen bleibenden Eindruck hinterließ die Güte und Gastfreundschaft der Bevölkerung. Die herzliche Begrüßung der Usbeken, bei der die rechte Hand auf die linke Seite der Brust gelegt wird, begleitet von den liebevollen Worten „Assalomu Alaykum!“ („Der Friede sei mit dir!“) ist schlichtweg einzigartig. Erinnerungen an die ständigen Verwechslungen von Österreich und Australien auf die Frage nach meiner Herkunft und überall vorzufindende Kautabak ausspuckende Männer versuchte ich in den Hintergrund zu stellen.

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Zurück in Taschkent stand mir als Plov-Liebhaberin noch der obligatorische Besuch des Central Asian Plov Centers bevor. Dort kann man zusehen, wie das usbekische Nationalgericht in den riesigen, gusseisernen Metallkesseln zubereitet wird und kann dann einen der 16 (!) verschiedenen Plovs verkosten. Die letzten usbekischen Sum wurden vor der Rückreise nach Kasachstan noch am Chorsu Basar für Nüsse, Trockenfrüchte und Tee ausgegeben. Zum krönenden Abschluss wurde an meinem letzten Abend in Usbekistan noch ein Weltrekord aufgestellt – 7360 kg wiegender von usbekischen Köchen zubereiteter Plov schaffte es ins Guinness-Buch der Rekorde.

An all diese kuriosen Reiseerlebnisse werde ich bestimmt bei der einen oder anderen Tasse Tee aus meiner Samarkander Keramikteekanne oder beim Nachkochen des usbekischen Plov zurückdenken und in Erinnerungen schwelgen.

Claudia Schwaiger

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