Einmal einen Einblick in das Herz der deutschen Demokratie erhalten? Das ist dank des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) möglich. Das Programm ermöglicht jährlich 120 jungen Hochschulabsolventen aus der ganzen Welt einen fünfmonatigen Aufenthalt in Berlin. Dort arbeiten die Stipendiaten in einem Abgeordnetenbüro mit, erleben den Alltag im deutschen Parlament hautnah und haben die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen an den Berliner Universitäten zu besuchen.

Medet Suleimen (30) war 2017 als IPS-Stipendiat im Bundestag und arbeitete für die Abgeordnete Ute Finckh-Krämer aus der SPD-Fraktion. Er studierte Internationale Beziehungen an der Kasachischen Nationaluniversität Al-Farabi und hat einen Master in Politik und Sicherheit mit Schwerpunkt auf internationaler und lokaler Entwicklung von der OSZE Akademie in Bischkek. Seit 2014 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Almaty.

Warum hast du dich beworben?

Ich habe schon lange Zeit gewusst, dass es dieses Programm gibt. Mein Deutsch war aber noch nicht so gut und ich war mit meiner Arbeit beschäftigt. 2016 wurde mir dann bewusst, dass es die letzte Chance für eine Bewerbung ist, weil ich sonst zu alt wäre.

Da ich bei einer deutschen Stiftung arbeite, hielt ich eine Teilnahme am IPS für sinnvoll. Da ich mich dort mit den Themen Demokratie und Außenpolitik beschäftige, erhoffte ich mir durch die Teilnahme am IPS-Programm tiefgehende Kenntnisse in dem Bereich, die ich dann hier anwenden könnte. Ich hatte viel darüber gelesen, aber bisher wenig praktische Erfahrung.

Ich arbeite viel mit Jugendlichen und werde oft gefragt, wie Demokratie funktioniert oder was Menschenrechte sind. Oft wollen sie auch wissen, wie es damit in anderen Ländern aussieht.

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Was hat dich während des Praktikums am stärksten beeindruckt?

Dass es sehr viele Ähnlichkeiten zwischen den Leuten aus verschiedenen Ländern gab. Besonders mit den Stipendiaten aus Osteuropa und Israel habe ich viele gute Erfahrungen gemacht. Wir haben sehr viel über unsere Länder gesprochen und ich habe gemerkt, dass sie sich in vielem ähnlich sind, zum Beispiel bei Themen wie Korruption, Rollenbilder in der Familie oder patriarchalische Strukturen. Es geht auch um Nation Building und die Suche nach einem neuen Wertesystem nach dem Sozialismus. Da müssen die postsozialistischen Länder besser kooperieren!

Eine zweite Sache, die mich beeindruckt hat, war die Arbeit der Abgeordneten in ihrem Wahlkreis. Sie verbringen mindestens die Hälfte der Arbeitswoche dort – egal, ob sie aus Berlin, Nordrhein-Westphalen oder Bayern kommen. Die Bundestagsabgeordneten halten unter anderem Bürgersprechstunden ab: Die Kommunikation mit den Wählern ist notwendig – ansonsten funktioniert das System nicht.

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Was waren damals die politischen Themen?

Meine Abgeordnete saß im Ausschuss für Außenpolitik und im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Wir haben viel zum Verbot von Atomwaffen und zur Abrüstung konventioneller Waffen gearbeitet. Das betrifft auch deutsche Waffenexporte. Außerdem sind soziale Fragen in Deutschland von großer Bedeutung: Rente, soziale Sicherheit, Hartz IV.

Wie sah deine Tätigkeit im Abgeordnetenbüro konkret aus?

Ich habe mich mit den russisch-deutschen Beziehungen, den Beziehungen zwischen Deutschland und Osteuropa bzw. den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und der Frage von Atomwaffen in der EU beschäftigt. Ich habe bei der Erstellung von Analysen mitgeholfen und Übersetzungen aus dem Russischen gemacht. Außerdem habe ich an Pressekonferenzen, Bürgertreffen, Konferenzen im Bundestag oder Veranstaltungen von Lobbygruppen teilgenommen.

Wir hatten zudem die Möglichkeit, Kurse an der Humboldt-Universität zu belegen. Während des IPS kannst du von morgens bis abends an Veranstaltungen teilnehmen. Ich bin froh, dass ich diese Chance hatte. Besonders interessant fand ich die Fraktions– und Ausschusssitzungen. Da habe ich Sigmar Gabriel und Martin Schulz gesehen.

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Hast du auch Angela Merkel gesehen?

Ja. Aber ich habe kein Foto mit ihr gemacht, da ich ja von der SPD war. Aber ich bin sehr überrascht, dass Angela Merkel und Martin Schulz so ruhig sind. Das hat mir sehr gefallen. Angela Merkel ist sehr höflich.

Wie lautet dein persönliches Fazit?

Es war eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Ich empfehle jedem, der das deutsche Politiksystem in Deutschland kennenlernen möchte und sich für Europa– und Weltpolitik interessiert, sich zu bewerben. Die Teilnahme am IPS ist nicht nur ein schönes Foto mit Angela Merkel, sondern die Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Kulturen und einem anderem politischen Denken. Es ist sehr interessant, mit ihnen zu sprechen, zu feiern, aber auch zu streiten. Und auch Berlin selbst bietet so viele politische und kulturelle Möglichkeiten – schließlich bist du im Herzen Europas.

Das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) ist ein jährliches Stipendienprogramm des Deutschen Bundestages für bis zu 120 junge Leute aus Mittel-, Ost– und Südosteuropa, Ländern des arabischen Raums, Frankreich, Israel, Kanada sowie den USA. Das IPS gibt es seit 1986. Seitdem haben mehr als 2.500 Stipendiaten das Internationale Parlaments-Stipendium absolviert. Bewerber müssen Staatsbürger eines beteiligten Landes sein, ein Studium erfolgreich absolviert haben, über sehr gute deutsche Sprachkenntnisse verfügen (min. B2) und dürfen das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für den nächsten IPS-Jahrgang kann man sich noch bis zum 30. Juni 2018 bewerben. Mehr Infos unter: http://www.bundestag.de/ips

Das Interview führte Sabine Hoscislawski.

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