Seit einigen Wochen bestimmt nur noch ein Thema die deutsche Medienlandschaft und die Innenpolitik: Bundespräsident Christian Wulff steht wegen eines umstrittenen Privatkredits und anderer Ungereimtheiten massiv in der Kritik.

Zur Kreditaffäre gesellen sich Drohanrufe bei den Medien und sein Umgang mit der Presse. Das Verhalten des amtierenden Bundespräsidenten und ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen polarisiert die Gesellschaft: die Kommentatoren der großen deutschen Tageszeitungen sparten nicht mit Kritik und Häme; viele Bürger allerdings fordern eine zweite Chance für Christian Wulff.

Mit seinem umstrittenen Telefonanruf bei „Bild“-Chef Kai Diekmann kam der Stein ins Rollen: Christian Wulff wollte durch den Anruf nach Aussagen von „Bild“ die kritische Berichterstattung über die Finanzierung seines Eigenheims und diverser Urlaubsreisen verhindern. Wulff allerdings beharrte auf der Aufschiebung des Artikels. Obwohl der Präsident der Veröffentlichung nicht zustimmte, ist mittlerweile ein Großteil der Mailbox-Mitschrift bekanntgeworden. Und eine weitere Nachricht auf der Mailbox des „Springer“-Chefs Mathias Döpfner erregte die Gemüter: Wenn ein Artikel über seinen Privatkredit erscheine, bedeute das Krieg zwischen dem Bundespräsidialamt und Springer bis zum Ende der Wulff-Amtszeit, äußerte sich der aufgebrachte Bundespräsident.

Der „Spiegel“ betitelte Christian Wulff in der Ausgabe 52 vom 17. 12. 2011 als „falschen Präsidenten“. Provokativer und polarisierender geht es wohl kaum. Ist Präsident Wulff ein Täuscher, fragt der „Spiegel“, weil er das Darlehen eines befreundeten Unternehmerpaares in Anspruch genommen hat? Dieser Hang zu Glamour könnte dem Präsidenten sein Amt kosten, so der „Spiegel“. In der aktuellen Ausgabe vom 9. Januar 2012 sieht man den Bundespräsidenten „in Amt und Würden“ zum zweiten Mal auf der Titelseite – jedoch wurden ihm die „Würden“ kurzerhand gestrichen.

Das höchste politische Amt in der Bundesrepublik Deutschland scheint gefährdet zu sein. Schon werden am 9. Januar 2012 erste Umfrageergebnisse einer Blitzbefragung des ARD-DeutschlandTrends veröffentlicht: Demnach meinen 60 Prozent der befragten Deutschen, dass Wulff eine zweite Chance verdient hätte. Sein Verhalten allerdings finden die meisten Befragten der Blitzumfrage von Infratest eher peinlich. Im Interview, welches Christian Wulff mit dem ZDF und der ARD geführt hat, wirkte das Staatsoberhaupt für die meisten nicht überzeugend, so der ARD-DeutschlandTrend. Wulff räumte Fehler ein und entschuldigte sich. Außerdem hätten viele Befragte den Eindruck, dass die Medien den Bundespräsidenten „fertigmachen“ wollten. Obwohl noch am 4. Januar 2012 genau 50 Prozent der Infratest-Befragten den Rücktritt Wulffs forderten, war das Ergebnis der aktuellen Umfrage vom 6. Januar eindeutig: der Bundespräsident solle im Amt bleiben. Damit habe Wulff von den Zuschauern von ARD und ZDF einen Vertrauensvorschuss bekommen, den er nun durch Ehrlichkeit und Integrität einlösen sollte.

Was von all dem bleibt, ist ein fader Nachgeschmack trotz diverser Erklärungsversuche seitens des Bundespräsidenten.

Die scheibchenweise Aufklärung des Sachverhaltes durch den Bundespräsidenten zeuge lediglich von schlechtem Krisenmanagement und schlechter Kommunikation, so CSU-Politiker.
Christian Wulff selbst beteuert in seinen Stellungnahmen, dass er weiterhin sein Amt des Staatsoberhauptes behalten möchte. Die Bundesregierung bemüht sich im Gegenzug um Schadensbegrenzung: Kanzlerin Angela Merkel sprach Wulff ihr Vertrauen aus. Trotzdem machen die Namen einiger Kandidaten die Runde, die im Falle eines Rücktritts Wulff ersetzen sollen. Die Oppositionsparteien warnten bereits vor einer Staatskrise, die unweigerlich heraufziehen würde, wenn mit Wulff innerhalb von zwei Jahren der zweite Bundespräsident zurücktreten sollte.

Integrität, Überparteilichkeit und Glaubwürdigkeit sind wichtige Eigenschaften eines Bundespräsidenten, die nun durch Wulffs Umgang mit den Medien und dem Bekanntwerden der Privatkreditaffäre beschädigt wurden. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler fordert indirekt Nachsicht und wirbt um Verständnis im Fall Wulff; einige Medien betrachten Wulffs Verhalten als Gipfel der Selbstdemontage. Eines wird jedoch klar: der Privatmann und Politiker Christian Wulff ist durch diese Skandalgeschichten in arge Bedrängnis geraten. Seine politische Zukunft ist nun mehr als fraglich.

Bleibt Wulff im Amt oder sollte er zurücktreten? Es ist kein Geheimnis, dass die Meinungsbildung zu dieser und anderen brisanten Fragen maßgeblich durch die Medien geprägt wird. Unbeteiligt und passiv kann sich angesichts der „Causa Wulff“ wohl kein Bundesbürger mehr verhalten. Die Blitzumfrage der ARD und ZDF ergab, dass nicht einmal die Hälfte der befragten Bürger den Bundespräsidenten Ende 2012 noch in seinem Amt sehen. Ob Rücktritt oder nicht – Politikberater sind überzeugt davon, dass nun für Bundespräsident Wulff ein langer schmerzhafter Prozess beginnen wird, um seine Glaubwürdigkeit und Autorität zurückzuerlangen. Letztendlich habe er durch die Kreditaffäre und sein Verhalten nicht nur das Amt, sondern auch sich selbst beschädigt.

Zusammengestellt von Malina Weindl.

Quellen: www.tagesschau.de, www.spiegelonline.de

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