Am 28. Januar wurde Sadyr Schaparow zum neuen Präsidenten Kirgisistans vereidigt. Während der Neue ambitionierte Pläne für seine Amtszeit verfolgt, muss sein Vorgänger wohl um Status und Privilegien bangen. Anderen vor ihm erging es nicht besser. Ein Überblick.

Wenn sich Ex-Präsidenten auf Pilgerreisen begeben, ist das normalerweise kein aufsehenerregender Vorgang. Im Falle von Sooronbai Scheenbekow dagegen schon. Anfang Februar reiste der im Herbst geschasste starke Mann Kirgisistans nach Mekka. Sofort flammten Spekulationen auf, wonach Scheenbekow nicht in sein Heimatland zurückkehren werde. Aus seinem Umfeld hieß es zwar rasch, der Ex-Präsident folge lediglich einer Einladung des saudischen Königs und sei in zehn Tagen wieder da. Doch in den sozialen Netzwerken hielt sich die Version, dass Scheenbekow mit seiner Ausreise einer drohenden juristischen Auseinandersetzung zu entgehen versuche.

Hintergrund ist unter anderem die Aussage einer Anwältin vom 29. Januar, Scheenbekow sei vom Stadtgericht Bischkek als Zeuge im Fall gegen Ex-Vize-Premierminister Duischenbek Silalijew vorgeladen. Diesem wird vorgeworfen, sich unrechtmäßig mit einer Million US-Dollar bereichert zu haben. Der Beschuldigte dagegen behauptet, das Geld sei für Scheenbekows Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2017 vorgesehen gewesen.

Am Wochenende zerstreute Scheenbekow dann zunächst die Exil-Spekulationen mit seiner Rückkehr, über die kirgisische Medien am Montag berichteten. Ob der Ex-Präsident sich nun auf ein entspanntes Leben im Ruhestand freuen darf, ist dagegen eine andere Frage – zumal auch Vorwürfe wegen der Niederschlagung von Unruhen rund um die Parlamentswahlen im Oktober gegen Scheenbekow im Raum stehen. „Wird Kirgisistan jemals ein behagliches Zuhause für seine Ex-Präsidenten sein?“, fragte Anfang Februar das Online-Medium Eurasianet mit Blick nicht nur auf Scheenbekow, sondern auch dessen Vorgänger, die zum Teil selbst die Macht abgaben, zum Teil aus ihren Ämtern gedrängt wurden.

Wir haben aus gegebenem Anlass einen kleinen Überblick darüber erstellt, wie Scheenbekow und die früheren Präsidenten Kirgisistans aus dem höchsten Staatsamt schieden und was anschließend aus ihnen geworden ist.

Sooronbai Scheenbekow (November 2017 bis Oktober 2020)

Scheenbekow selbst wurden die besagten Parlamentswahlen vom 4. Oktober 2020 zum Verhängnis, bei der zahlreiche Verstöße beobachtet wurden. Von den 16 angetretenen Parteien überwanden seinerzeit nur vier die Sieben-Prozent-Hürde. Stärkste Kraft wurde die präsidententreue „Birimdik“ vor „Mekenim Kirgisistan“, die mit dem korruptionsverdächtigen Ex-Leiter des Zollamts Rajimbek Matrajimow in Verbindung gebracht wurde. Die Opposition dagegen ging leer aus und rief zum Protest gegen die Wahl auf. Das Ergebnis: Ein Aufstand, bei dem Demonstranten das Weiße Haus (Sitz von Präsidentenverwaltung und Parlament) stürmten und nebenbei Politiker wie Ex-Präsident Almasbek Atambajew sowie den aktuellen Präsidenten Sadyr Schaparow aus der Haft befreiten. Wenige Tage später erklärte die Zentrale Wahlkommission die Wahlen für ungültig. Am 15. Oktober erfolgte der Rücktritt Scheenbekows.

Geschädigte der Oktober-Unruhen haben inzwischen eine gesellschaftliche Vereinigung namens „Kyrgyz Umutu“ gegründet und fordern, Scheenbekow den Status als Ex-Präsident zu entziehen und ihn zur Verantwortung zu ziehen. Scheenbekow habe befohlen, die Menschenmenge gewaltsam zu zerstreuen, was den Tod eines 19-jährigen Demonstranten und Verletzungen bei weiteren 1.221 Menschen nach sich gezogen habe.

Almasbek Atambajew (Dezember 2011 bis November 2017)

Atambajew war einst ein Verbündeter Scheenbekows. Als Letzterer 2017 mit 55 Prozent zum Präsidenten gewählt wurde, profitierte er von der Unterstützung seines Mentors. Schon bald jedoch traten persönliche Auseinandersetzungen an die Stelle des guten Verhältnisses. Scheenbekow wollte keine Marionette Atambajews sein.

Im Mai 2019 erließ er ein Gesetz, auf dessen Grundlage das Parlament einen Monat später Atambajew die Immunität entzog. So verlor dieser seinen Status als Ex-Präsident und die damit verbundenen Privilegien. Gegen ihn wurden Untersuchungen in Korruptionsfällen und wegen der mutmaßlich illegalen Haftentlassung der kriminellen Autorität Asis Batukajew beantragt. Atambajew aber ignorierte Vorladungen zum Gericht und erklärte seine Bereitschaft, sich im Falle einer Festnahme zu wehren. Hierfür mobilisierte er auch seine Anhänger.

Als im August ein Sondereinsatzkommando anrückte, um Atambajew tatsächlich in seiner Residenz im Dorf Kosch-Tasch festzunehmen, eskalierte die Situation. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen wurde ein Mitglied der Sondereinheit getötet. Atambajew kam in Untersuchungshaft und wurde angeklagt. Die Vorwürfe: Organisation von Unruhen, Geiselnahme, Terror und Mord. In einem ersten Strafverfahren wurde er bereits zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, das Strafverfahren zum Sturm in Kosch-Tasch läuft noch. Während der Oktober-Unruhen im vergangenen Jahr setzten Demonstranten Atambajew frei, doch bereits fünf Tage später wurde er wieder verhaftet.

Rosa Otunbajewa interimistisch, (Mai 2010 bis Dezember 2011)

Die „Aprilrevolution“ 2010 kostete den damals autoritär regierenden Präsidenten Kurmanbek Bakijew nicht nur das Amt. Sie legte auch den Grundstein dafür, dass Kirgisistan sich von einer präsidialen in eine parlamentarische Demokratie verwandelte. Der Präsident durfte nur noch einmal für sechs Jahre regieren. In der neuen Verfassung wurde dem Schutz der Menschenrechte eine besondere Bedeutung beigemessen.

Bis dieser Systemwechsel nach dem Sturz Bakijews mit dem Machtantritt Atambajews abgeschlossen war, spielte Rosa Otunbajewa eine Schlüsselrolle. Sie führte zunächst interimistisch die Regierungsgeschäfte und wurde kurze Zeit später zur Präsidentin für die Übergangsperiode ernannt. Ihre Amtszeit überschatteten derweil tödliche interethnische Unruhen im Süden des Landes.

Bis heute ist Otunbajewa neben Scheenbekow die einzige ehemalige Präsidentin, die den Titel „Ex-Präsident“ behalten durfte.

Kurmanbek Bakijew (Juli 2005 bis April 2010)

Kurmanbek Bakijew war zwischen 2000 und 2002 Regierungschef und trat danach in Opposition zum ersten Präsidenten Kirgisistans Askar Akajew. Dieser verlor sein Amt im Zuge der „Tulpenrevolution“ 2005, woraufhin Bakijew zunächst Interimspräsident wurde und anschließend die Präsidentschaftswahl im Juli gewann.

Dass Bakijew 2010, nur ein Jahr nach seiner Wiederwahl, im Zuge der Aprilrevolution seines Amtes enthoben wurde, hat mehrere Gründe. Ausschlaggebend waren regierungsfeindliche Demonstrationen, die Bakijew niederschießen ließ. Die Opposition verkündete den Sturz der Regierung und setzte die Übergangsregierung unter Otunbajewa ein. Nachdem er sich zunächst geweigert hatte, trat Bakijew schließlich mangels Unterstützung in seiner Heimatregion zurück und setzte sich ins Ausland ab. Seit April 2010 genießt der ehemalige Präsident politisches Asyl in Belarus. Dort soll er auch die belarussische Staatsbürgerschaft erhalten haben.

Der Aufenthalt Bakijews ist ein wiederkehrendes Thema in den Beziehungen zwischen Minsk und Bischkek. Im Zusammenhang mit dem Schießbefehl gegen Demonstranten wurde Bakijew 2014 in Abwesenheit zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Den Auslieferungsgesuchen Kirgisistans kam Belarus jedoch nie nach.

Askar Akajew – erster Präsident, (August 1991 bis April 2005)

Askar Akajew war nicht nur der erste Präsident des unabhängigen Kirgisistans. Er war auch der erste, den eine Revolution zu Fall brachte. Zuvor gewann der Langzeitherrscher vier Präsidentschaftswahlen, erweiterte seine Befugnisse durch zwei Volksabstimmungen, und regierte insgesamt 15 Jahre lang. Während seiner Amtszeit wurden Verfassungsänderungen viermal vorgenommen. Massenhafte Unruhen gegen Akajew entzündeten sich 2005 unter anderem an Wahlfälschungen und den Verfassungsänderungen, die als gesetzeswidrig angesehen wurden. Zudem war die Begünstigung von Akajews Familienmitgliedern den Protestlern ein Dorn im Auge. So zogen bei den zwei Runden der Parlamentswahlen im Februar und März 2005 seine Kinder Aidar und Bermet ins Parlament ein. Die Demonstranten forderten Akajews Rücktritt.

Die Unruhen im Süden Kirgisistans zwangen Akajew, mit seiner Familie nach Russland zu fliehen. Dort trat er am 4. April in der kirgisischen Botschaft in Moskau offiziell zurück. Seit 2005 ist Akajew wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Moskauer Staatlichen Universität. Er behauptet, formell gäbe es keine Hindernisse für ihn, in die Heimat zurückzukehren. Faktisch aber müssten er und seine Frau sich juristischen Verfahren stellen. Gegen den Wohltätigkeitsfonds seiner Frau wurden zahlreiche Strafverfahren eingeleitet.

Zusammengestellt von Aizere Malaisarova.

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