„Migrant … und nun? Das Leben des Alexander ‚Sascha‘ D.“ heißt das neue Werk des deutschen Schriftstellers Lothar Berg. Es erscheint am 7. März 2020 im Berliner Anthea Verlag und rückt die Themen Migration und Integration am Beispiel der Biografie eines jungen Russlanddeutschen in den Mittelpunkt. Die Publikation wird bei der Leipziger Buchmesse (12.-15. März 2020) präsentiert. Wir übernehmen die Rezension von „Volk auf dem Weg“ mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Das Buch ist ein Zeitzeugnis, das schonungslos und ungeschönt beide Seiten porträtiert – die der Zugewanderten (Migranten) und der sogenannten Aufnahmegesellschaft. Damit wollen sowohl der Autor als auch der Verlag die Öffentlichkeit für die aktuelle Problematik der Migration sensibilisieren. Die Biographie des Pro-tagonisten Alexander „Sascha“ D. ist eine in Fakten und Sprache ungeschönte Geschichte darüber, was man sich unter dem Migrantenschicksal, eines jungen Menschen mit Migrationshintergrund, tatsächlich vorzustellen hat.

Es ist keine Bilderbuchbiographie mit einem direkten Erfolgsweg, sondern eine mit Ecken und Kanten, die auf Umwegen dennoch zum Erfolg führt und zeigt: „Hinfallen ist keine Schande, nur Liegenbleiben“, um es mit dem Titel einer bekannten Biographie auszudrücken. So gesehen ist das Buch, dem ein authentischer Lebenslauf zugrunde liegt und für viele ähnliche Lebensläufe steht, vor allem auch eine dringend notwendige Diskussionsgrundlage.

Spagat zwischen russischer und deutscher Seele

Alexander „Sascha“ D. ist Russlanddeutscher, der 1992 als achtjähriges Kind aus Kasachstan nach Deutschland gekommen ist. In seiner Jugendzeit lässt er nichts an persönlichen Herausforderungen aus und verschweigt nichts von seinen Ängsten, seiner Wut, seiner Sehnsucht und nichts von seinem Hass. „Es ist schon nicht einfach, sein Leben vor anderen auszubreiten, geschweige denn es öffentlich zu machen. In meinem Fall verlangt es zudem den sensiblen Spagat zwischen der russischen und der deutschen Seele“, sagt „Sascha“. Im Autor Lothar Berg und dem Verleger Detlef Stein (Anthea Verlag) hatte er diejenigen gefunden, die diese Herausforderung mitzutragen bereit sind.

Zunächst nimmt Alexander den Leser mit in seine Kindheit nach Kasachstan, wo er bzw. seine Eltern als Russlanddeutsche das Etikett des „Faschisten“ aufgedrückt bekommen. Nach der Übersiedlung wohnt er mit seiner Familie lange Zeit im Aussiedlerheim Berlin-Hohenschönhausen, wo er sich zwischen den Wohnblöcken verschiedener Ethnien behaupten muss. Zusammen mit „Sascha“ geht der Leser in die Marzahner Schulen und in die Parks der Gangs. Man erlebt, wie er zum „Scheiß-Russen“ wird und wie er alle Klischees eines unangepassten Aussiedlers erfüllt. Gleichzeitig wird auch das Verschulden in der deutschen Gesellschaft schonungslos aufgezeigt, das ihn fast zwingt, diese Klischees erfüllen zu müssen, weil sie von Teilen der Gesellschaft quasi „erwartet“ werden.

Anerkennung durch Disziplin

Schon das Titelbild bedient absichtlich die verbreiteten Klischees. Dazu sagt Lothar Berg: „Wir wollen mit dem Titelbild bewusst nicht personalisieren. Das Thema ist die Migration an sich, an der Figur des Protagonisten deutlich gemacht und betrifft eine große Menge der zugewanderten Mitbürger. Als ich dieses Foto gesehen habe, war mir klar, was man so oft hört, wenn Vorurteile vorhanden sind, nämlich: Das sind die… / Das sind die Russen / Die führen nichts Gutes im Schilde. Sascha und ich denken, dass das Titelbild im Kontext zum Titel und Inhalt der richtige Eyecatcher ist.“

Im Buch lässt der Protagonist den Leser weitreichend an seinem Inneren teilhaben. Man erfährt, dass seine Wünsche und die Erwartungen der Gesellschaft gar nicht so sehr weit auseinanderliegen, aber die Verständigung scheitert zu oft am beiderseitigen Stolz, der Voreingenommenheit und den Ängsten.

„Sascha“ ist einer von denen, die sich nicht mit dem pauschalen Stempel des „Migranten“ zufrieden geben. Er sucht seine Chance und findet sie im Sport. Im Taekwondo und beim Kickboxen lernt er, dass Anerkennung nicht in der Unterdrückung von anderen liegt, sondern in der eigenen Disziplin. Er gewinnt Pokale und Auszeichnungen. Als er sich für eine Berufsausbildung entscheidet und dort begreift, dass von anderen zu lernen keine Schwäche bedeutet, wird ihm klar, dass ein Zusammenleben nicht isoliert voneinander funktioniert.

Gratwanderung zwischen Gefängnis und Integration

Mit dieser Geschichte, die Jahre der Kindheit in Kasachstan umfasst, das jahrelange Einleben in Deutschland und die Gratwanderung zwischen Gefängnis und Integration, das Leben als Gangmitglied in Berlin-Marzahn, Kampfsportler und Weltmeister im Taekwondo und auch das „Happy End“ als Familienvater und erfolgreicher Unternehmer, möchten der Autor Lothar Berg und sein Protagonist Alexander „Sascha“ D. ein Beispiel dafür geben, dass ein friedliches Zusammenleben keine Utopie sein muss. Das Buch will außerdem deutlich machen, dass wir alle gar nicht so verschieden sind, und wir nur den Mut haben müssen, miteinander zu reden, um einander zu verstehen.

„Sascha kenne ich schon viele Jahre. Wir haben uns aber dann aus den Augen verloren. Ich denke, dass wir uns nach etwa 15 Jahren auf Facebook wiedergefunden, verabredet und getroffen haben. Wir haben über die ganze aktuelle Situation im Land gesprochen. Dabei hat mir Sascha erzählt, dass er sich seit 2015 wieder als Migrant fühlt, weil ihm die Menschen (nach der Grenzöffnung) anders gegenübertreten oder mit ihm umgehen.

Dann haben wir das Gespräch vertieft und über seine Kindheit, die Übersiedlung und alles, was danach kam, gesprochen. Die Geschichte war so spannend und authentisch, dass mir der Gedanke kam, so etwas detailliert aus der Sicht des Migranten zu protokollieren. Sascha war einverstanden. Auch weil er nicht will, dass seine Kinder, die hier geboren sind, genauso für ihre Anerkennung in der Gesellschaft kämpfen müssen so wie er. So haben wir dann in zwei Jahren Recherchen und Arbeit das Buch geschrieben“, erzählt Lothar Berg über seine Motivation, diese außerordentliche Lebensgeschichte in Buchform zu fassen.

Lothar Berg, „Migrant … und nun?“ (Biografie) Anthea Verlag Berlin, 484 Seiten, Preis 19,90 Euro ISBN: 978-3-8998-332-6 Erscheint am 7. März 2020 Bestellungen über den Verlag (www.anthea-verlag.de), über Buchhandlungen und online.

Lothar Berg (geb. 1951 im Ruhrgebiet) ist ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Liedtexter.
Darüber hinaus arbeitet er als Regisseur und engagiert sich in sozialen Projekten. 2001 veröffentlichte er das Buch „Fenster der Gewalt“ und begründete damit auch einen gleichnamigen Verein, der sich für Gewaltprävention bei Jugendlichen stark machte.
Darauf folgten unter anderem die Buchveröffentlichungen „Schneeflöckchen, Mordsglöckchen“ (2009), „Cool – Ein ganz normaler Arbeitstag“ (2014), „Sozialismus, Skinhead, Sumo – Das Leben des Alexander Czerwinski – Biografie“ (2014), Ein ganz heißes Ding (2018) und aktuell „Migrant … und nun?“
Bergs Veröffentlichungen befassen sich zumeist mit menschlichen Schicksalen und den Abgründen des menschlichen Daseins. Er verbindet seine Lebenserfahrung, seine eigenen Erlebnisse mit Fiktion und erreicht so eine Authentizität, die seinen Werken Glaubhaftigkeit verleiht. Zu Beginn seines kreativen Schaffens arbeitete er mit Prominenten der Film- und Theaterszene zusammen, für die er die Lesungen inszenierte, bis er dann schließlich selbst auftrat: mal mit Solo Musikern, mal mit Rockband und GoGo Girls oder mit Kampfsportlern. Lothar Berg lebt und arbeitet in Berlin.

Nina Paulsen

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