Der Unternehmer Serik lebt zwischen den Kulturen. An Deutschland ärgert ihn das Schubladendenken. Aber auch in Kasachstan siehter Risse in der Multi-Kulti-Fassade.

Es wird eng und alle rücken zusammen. Denn mehr als 20 Personen haben sich an diesem Abend in einer beliebten Bar in Almaty versammelt, um am Deutschen Stammtisch Platz zu nehmen. Regelmäßig trifft sich hier Jung und Alt zum kulturellen Austausch, zur Sprachpflege und zum gemeinsamen Bier-Genuss während über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Kasachstan diskutiert wird.

Unter der Oberfläche

„In Kasachstan kannst du frei wählen, welcher Ethnie du dich zugehörig fühlst“, sagt etwa ein Student aus Deutschland mit koreanisch-kasachischen Eltern. Bei mehr als 100 Minderheiten, müsse man tolerant sein, ergänzen seine Landsleute. „Wir sind alle Kasachstaner, egal wo unsere Eltern herkommen“, lautet ihr Credo. In Deutschland würde viel zu oberflächlich zwischen „Deutschen“ und „Ausländern“ unterschieden werden.

Zusammenhalten ist in Kasachstan Tradition, meint der deutsche Auswanderer Serik T.

Das zeigt auch die aktuelle Bertelsmann-Studie, welche Deutschland im Vergleich zu anderen westlichen Ländern nur mittelmäßigen sozialen Zusammenhalt aufzeigt (siehe DAZ Nr.29). Besonders mangle es der Bevölkerung an Toleranz für Vielfalt. „Wenn aber Kasachstan in deinem Pass steht, bist du Kasachstaner. So einfach ist das hier“, hört man aus der Runde.

Für Menschen wie Serik ist die Frage der Identität etwas komplizierter. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Kasache. Aufgewachsen ist er in einem sibirischen Dorf. Mit 15 Jahren wandert er mit seiner Familie nach Deutschland aus und verbringt seine Jugend im Ruhrgebiet. Heute lebt und arbeitet Serik in Kasachstan. Ob er nun Russe, Deutscher, Kasache oder Kasachstaner sei? „Das ist kompliziert zu beschreiben“, beginnt Serik in akzentfreiem Deutsch.

Zuhause oder Heimat

„Ich habe mehrere Kulturen in mir. Meine Jugend habe ich aber in Deutschland verbracht, daher hat mich dieses Land wohl am meisten geprägt.“, erzählt Serik, der mittlerweile eine Kasachin geheiratet hat. Hier in Almaty fühlt er sich wohl und zuhause, aber „trotzdem irgendwie als Gast“. Einer der größten Unterschiede zwischen Deutschland und Kasachstan ist für Serik der Umgang mit Fremden: „Ich kam nach Deutschland ohne ein Wort Deutsch zu sprechen.

In der Schule hatte aber niemand Verständnis dafür, dass ich Zeit brauchen würde, um Deutsch zu lernen. Sie steckten mich sofort in eine Schublade.“ Da wieder herauszukommen war äußerst schwer, erzählt der 31-Jährige. „Ich merke auch heut noch, dass ich aufgrund meines Aussehens abgestempelt werde. In Kasachstan ist das anders. Die Menschen hier sind viel offener und neugierig.“

Trotz des friedlichen Zusammenlebens der Ethnien gebe es aber auch hier feine Unterschiede. „Almaty ist sehr tolerant, aber in anderen Gebieten Kasachstans ist das anders.“ Ethnischer oder religiöser Fanatismus würde in Kasachstan aber nicht geduldet werden.

Sozialer Zusammenhalt

„Am schwersten fiel es mir, mich an die Unpünktlichkeit in Kasachstan zu gewöhnen“,erzählt der selbstständige Unternehmer. „Dass meine Mitarbeiter mehrmals pro Woche über eine halbe Stunde zu spät kommen, wäre in Deutschland undenkbar“. Das gehöre aber zur Mentalität, „genau wie die Tatsache, dass hier die Verwandtschaft extrem zusammenhält. Das ist Tradition. Wenn das Auto des Cousins dritten Grades kaputt geht, sammeln alle Geld, um ihm einen neuen zu kaufen.“ In Deutschland sei das anders. „Da lebt man für sich, will keine Fremden in die Privatzone hineinlassen“. Als Teenager in Deutschland und 13 Jahre später in Kasachstan hat Serik eines gelernt: „Du kannst die Menschen nicht ändern. Akzeptiere ihre Mentalität und passe dich an!“

Von Daniela Neubacher

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