Seit drei Jahren dient Astana deutschen Studenten als Versuchsfeld für Architektur- und Städtebau-Projekte in Zentralasien

Die realsozialistische Ära, die mit ihrer Melange aus stalinistischem Gigantismus und industriellem Plattenbau die Architektur von Wladiwostok bis zur Elbe gleichschaltete, hat auch Zentralasien zu einem vernachlässigten Gebiet städtebaulichen Engagements gemacht. Neue Impulse waren hier in den vergangenen Jahrzehnten kaum zu erwarten.

Doch diese Situation ändert sich. Die wirtschaftlichen Umbrüche in den postsowjetischen Staaten ziehen eine Anpassung der Infrastruktur nach sich, und gerade dieser Zusammenhang zwischen Ökonomie und Architektur ist es, für den sich vor allem Stadtplaner interessieren. Das zeigt beispielsweise eine Zusammenarbeit der Technischen Universität Berlin mit kasachstanischen Architekten und der Eurasischen Nationaluniversität in Astana. Asad Mahrad, Wissenschaftler am Institut für Stadt- und Regionalplanung in Berlin, hat die Kooperation zwischen den Hochschulen vor drei Jahren initiiert.

Seit 2002 ist der enge Kontakt zwischen Deutschland und Kasachstan für angehende Stadtplaner der Berliner Universität eine Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln. Über 30 deutsche Studenten waren mittlerweile in Kasachstan und haben hier mehrmonatige Projekte durchgeführt.

Auch Oliver Niewald nutzte das Angebot seines Instituts, das Studienprojekt in Kasachstan zu absolvieren. Vor anderthalb Jahren kam der zukünftige Stadt- und Regionalplaner für drei Monate in die kasachstanische Hauptstadt. Zusammen mit zehn weiteren Studenten aus Berlin und Astana studierte er vor Ort die Neugestaltung der Stadt. „Eine unschätzbare Erfahrung”, wie Oliver Niewald heute meint. Neben stadtgeschichtlichen Studien und einer Bestandaufnahme in Industriegebieten und Mikrorayons, die sie für eine spätere Ausstellung betrieben, arbeiteten sich die Studenten anhand des „Masterplans Astana 2030″ in das kasachstanische Bau- und Planungsrecht und in die üblichen Abläufe bei der Umsetzung von Bauvorhaben in Kasachstan ein.

Vor allem die Recherchen bei Bauplanungsbüros, Behörden, Architekten und den Baufakultäten der Universitäten stelltendie Studenten bisweilen auf eine harte Probe. Denn ihre Arbeit stieß oft auf Unverständnis. „Da Stadtplanung in Kasachstan nur ein Teil der Architektur ist und nicht, wie in Deutschland, als eigenständiges Fach gelehrt wird, war es teilweise schwer zu vermitteln, was wir eigentlich genau machen”, erinnert sich Niewald. „Die Kombination aus Ingenieurwissenschaften mit Geistes- und Wirtschaftswissenschaften war”, so sein Eindruck, „noch einigermaßen fremd.”

Die gezielte Weiterentwicklung von Städten aufgrund sozialer und wirtschaftlicher Charakteristika ist ein wichtiger Teil der Arbeit von Stadtplanern. In Deutschland sind Stadtplanungsingenieure deshalb oft maßgeblich an Umbauten oder der Konzeption neuer Stadtteile wie zum Beispiel am Potsdamer Platz in Berlin beteiligt. Dass es sich auch in Kasachstan lohnt, einen derartigen Ansatz zu verfolgen, ist für Niewald offensichtlich.

Denn während des Projekts in Astana lernten die Studenten auch die Kehrseite des rasanten Wachstums Astanas kennen. So findet Niewald das Ziel der kasachstanischen Regierung, bis zum Jahr 2030 eine Million Einwohner in Astana anzusiedeln, bedenklich. Landflucht und der Verfall des ländlichen Raums seien noch nicht abschätzbare Folgen, kritisiert der Student die rigide Hauptstadt-Politik.

„Von einem aktiven Einfluss der deutschen Stadtplaner auf den Umbau Astanas kann man nicht sprechen”, räumt Niewald ein, obwohl weitere studentische Projekte auch Entwürfe für einzelne Mikrorayons der Stadt beinhalteten. Doch er zeigt Verständnis für diese Umstände: „Viele Firmen konkurrieren miteinander und lassen sich deshalb nur ungern in die Karten schauen.” Aus den Gesprächen mit Bauherren, Architekten und Planern seien aber gewiss gedankliche Anstöße bei den Verantwortlichen entstanden, ist sich Niewald sicher.

Die Zeit in Astana möchte der Student, der zur Zeit seine Abschlussarbeit schreibt, vor allem wegen der persönlichen Kontakte zu kasachstanischen Studenten und Dozenten nicht missen. Obwohl das eigenverantwortliche Projekt der deutschen Stadtplaner zunächst auf Misstrauen gestoßen sei, weil den Studenten in Kasachstan selbständige Arbeit kaum zugetraut wird, habe man letztlich auf beiden Seiten eingesehen, dass sich Erfolge nur durch Zusammenarbeit einstellen.

Die Kooperation der Stadtplaner aus Berlin mit kasachstanischen Universitäten wurde mittlerweile auf Aktau am Kaspischen Meer ausgedehnt. Aufgrund der guten Resonanz bei dortigen Behörden und Universitäten haben die Berliner bereits zahlreiche weitere Projekte geplant, um zukünftig auch die Bevölkerung in die Renovierung und Umgestaltung der Stadtbezirke mit einzubeziehen. In Aktau werde man, anders als in der Vorzeigestadt Astana, die Vorschläge der Berliner Studenten auch wirklich umsetzen können, hofft Projektleiter Mahrad. Und die Bewohner Aktaus wiederum könnten so von den Erfahrungen der Deutschen profitieren.

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