Eldar Aсhmetow, gebürtiger Almatiner, ist 23 Jahre alt. Er hat eine gute Ausbildung, einen Job, den er von ganzem Herzen liebt, und eine tolle Familie. Deren Geschichte verläuft entlang der Schnittstelle zweier Kulturen: der türkischen und der deutschen. Eldar respektiert beide – und kann uns eine Menge darüber erzählen, wie sie miteinander interagieren.

Eldar, Sie sind in einer internationalen Familie aufgewachsen. Haben Sie den Einfluss beider Kulturen – türkisch und deutsch – gleichermaßen gespürt?

Ja, ich bin in einer interethnischen Familie aufgewachsen. Mein Vater ist Türke und meine Mutter ist Deutsche. Ich respektiere alle Nationalitäten, aber ich betrachte mich als Türke. Unter meinen Verwandten sind Türken und Deutsche. Jede Seite hat ihre eigenen Bräuche und Traditionen, und es war für mich immer interessant zu beobachten, wie beide leben. Die türkische Kultur hatte einen größeren Einfluss auf mich, aber das entfernt mich nicht von meinen deutschen Verwandten. Sie kommen oft zu Besuch, und ich begrüße sie immer herzlich. Es gibt viele Türken in Deutschland, und ich weiß, dass beide Völker sich gegenseitig respektieren. Der Respekt für die Kulturen des anderen liegt auch in meiner Familie. Es gab immer ein gutes Verständnis zwischen meinen Verwandten. Ich kann daraus schließen, dass ich nicht nur in einer interkulturellen, sondern auch in einer glücklichen Familie aufgewachsen bin.

Haben Ihre Verwandten einen Zwischenweg des Zusammenlebens gefunden oder ist jede Seite in ihrem eigenen kulturellen Umfeld geblieben?

Als sich beide Seiten der Familie zum ersten Mal trafen, gab es einige Schwierigkeiten – vor allem für meinen Vater. Aber am Ende wurde alles positiv gelöst. Meine Eltern haben geheiratet, das ist die Hauptsache. Man muss mit der Person, die man liebt, leben, so sagte meine Großmutter. Das ist wahr, und man kann die Wahrheit nicht bestreiten. Also sind meine Verwandten ziemlich schnell zu einer Übereinstimmung gekommen. Ich kann sagen, dass jeder bei seinem geblieben ist, aber zwischen den Kulturen gibt es große Achtung.

Haben Sie sich jemals für Ihre deutschen Wurzeln interessiert? Was wissen Sie über das Land, aus dem dieser Teil ihrer Familie stammt? Über Ihre Vorfahren?

Natürlich war ich daran interessiert. Mein Großvater Victor Rapp ist Deutscher. Er hat eine lange Geschichte: Er wurde in Russland in der Stadt Solikamsk geboren, zog dann nach Kasachstan, wo er meine Großmutter heiratete und eine Tochter – meine Mutter – großzog. Die Mutter des Großvaters hat ebenfalls in Russland gelebt. Während des Krieges wurde sie nach Deutschland verbracht, musste aber nach einigen Jahren wieder zurück. Leider gingen Informationen über die Ahnen der Urgroßmutter verloren.

Haben Sie von Ihren Verwandten Eigenschaften übernommen, die Sie als typisch deutsch bezeichnen würden? Und wenn ja, welche?

Wenn man über typisch deutsche Charaktereigenschaften spricht, nennt man normalerweise Pünktlichkeit als Erstes. Aber ich kann mich nicht als pünktliche Person bezeichnen. Ein stereotypisches deutsches Merkmal, das auf mich zutrifft, ist Arbeitsdrang. Die Deutschen sind sehr arbeitsam und fleißig. Zum Beispiel verkörpert das mein Großvater auch: Er ist ein 71-jähriger Baumeister und baut immer noch ein Haus mehr; ich weiß nicht, wie viele Gebäude er noch bauen wird. Höchstwahrscheinlich habe ich den Arbeitsdrang von ihm bekommen.

Wie hat die ältere Generation Ihrer Familie den Wunsch Ihrer Eltern zur Heirat akzeptiert? Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?

Anfangs gab es Meinungsverschiedenheiten, aber sie betrafen nur Glaubensfragen: Meine deutschen Verwandten bekennen sich zum Christentum, und die türkischen zum Islam. Ein interreligiöser Konflikt ist aber nicht aufgetreten. Alle haben Verständnis füreinander gefunden und gehen jetzt sehr freundschaftlich miteinander um.

Welche Eigenschaften verbinden Ihrer Meinung nach alle Ihre Familienglieder? Was haben sie gemeinsam? Was bringt sie auf Feiern zusammen und sorgt dafür, dass sie zum Beispiel zusammen tanzen?

Wenn ich diese Frage beantworte, bin ich bei meiner Großmutter, und sie beantwortet sie mit einem Wort: „Liebe“. Meiner Meinung nach ist das wahr. Wir sind durch Liebe verwandt.

Erzählen Sie uns bitte mehr über dieses Foto. Wer ist darauf zu sehen? In welchem Kontext wurde es gemacht?

Das Foto entstand am 70. Geburtstag meines Großvaters, Victor Rapp. Verwandte kamen aus aller Welt angereist – auch meine Cousine Christina Rapp. Sie steht auf dem Foto neben uns. Dieser Tag hat uns viel Spaß gemacht: Es gab Wettbewerbe, Tänze, Gesang. Ich erinnere mich, dass mein Grossvater und mein Vater twisteten. Ich sah ihnen zu und laechelte. Es war, als ob es keinen kulturellen Unterschied zwischen den Gästen gegeben hätte: Alle waren glücklich, und die Freude brachte sie zusammen.

Denken Sie, dass Ihre kulturelle Prägung Ihnen bei der Berufswahl geholfen hat? Hat es Ihr Studium beeinflusst?

Ich glaube nicht. Meine persönlichen Erfolge habe ich nicht damit in Verbindung gebracht. Vielleicht hat mir der Arbeitsdrang, den ich von meinem Großvater geerbt habe, geholfen. Aber bei der Berufswahl habe ich mich ausschließlich auf mein eigenes Interesse verlassen. Ich arbeite im Fitnessbereich, obwohl ich eine Ausbildung im Restaurant- und Hotelgeschäft absolviert und ein Diplom erworben habe. Während des Studiums habe ich gelernt, besser mit Menschen zu kommunizieren, sie zu verstehen. Es war sehr nützlich für mich, aber ich bin diesen Weg nicht weiter gegangen. Ich interessiere mich zwar für das Restaurantgeschäft – aber Sport mag ich mehr; seit meiner Kindheit bin ich damit beschäftigt und finde es toll, Menschen zu motivieren, sich zu verbessern. Ich mag es, Trainer und Mentor zu sein. Oft gebe ich den Leuten Ratschläge – nicht nur zum Sportunterricht, sondern auch zur richtigen Ernährung. Und oft teile ich mit ihnen Rezepte für köstliches Essen. Ich selbst koche gut, wobei mir auch meine Ausbildung hilft. Denn ich habe die besten Köche meiner Stadt getroffen und von ihnen gelernt.

Viele Menschen meinen, dass Toleranz ein angeborenes Merkmal bei Kindern aus interethnischen Familien ist. Sehen Sie das auch so? Betrachten Sie sich als tolerant?

Kinder aus interethnischen Familien sind toleranter, das stimmt. Ich habe mein ganzes Leben lang zwei Kulturen beobachtet, ihre Bräuche, Traditionen. Eigentlich sogar drei: Meine Großmutter ist Ukrainerin. Ich habe auch ukrainische Verwandte, also kann ich darüber aus eigener Erfahrung sprechen. Ukrainer, Deutsche und Türken können bei uns an einem Tisch sitzen, und es ist für niemanden wichtig, welche Nationalität sie haben. Wir sind vor allem Menschen. So kommt es, dass ich viele Verwandte, Freunde und Kollegen verschiedener Volkszugehörigkeit habe. Daher halte ich Toleranz für eine wichtige Charaktereigenschaft. Ich setze „Toleranz“ mit dem Wort „Respekt“ gleich und denke, dass es der richtige Ansatz ist. Hoffentlich werden im Laufe der Zeit mehr Menschen diese Meinung für richtig halten.

Abschließend möchte ich noch fragen: Haben Sie in letzter Zeit eine Tendenz hin zu mehr Verständnis zwischen den Menschen bemerkt? Sind die Leute oft überrascht, wenn sie von Ihrer Herkunft hören, und machen grobe Bemerkungen? Gibt es viele, die in stereotypen Mustern über Ehen zwischen Menschen verschiedener Volkszugehörigkeit denken?

Interethnische Ehen schockieren die Menschen nicht mehr, sie werden ruhig zur Kenntnis genommen. Die Leute sind toleranter geworden, denke ich. Ich habe nie grobe Bemerkungen über mich ergehen lassen müssen. Die meisten Menschen auf meinem Lebensweg waren und sind verständnisvoll, worüber ich mich sehr freue.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Jana Iwtschenko

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