Turkmenistan hat eine Jahrtausende alte Geschichte. Archäologische Funde belegen, dass es schon vor 8000 Jahren erste Siedlungen auf dem heutigen Staatsgebiet gab. Turkmenen berufen sich in ihrer Geschichte unter anderem auf Alexander den Großen, die Parther, die Sassaniden, Dschingis Khan und Timur Leng. Orte wie Nisa, Merw oder Konya Urgench lassen zumindest erahnen, wie die kulturellen Hochzeiten im 2. und 3. Jahrhundert, aber auch später ausgesehen haben könnten. Leider sind – anders als bei den Seidenstraßenstädten in Usbekistan – von diesen Zentren der turkmenischen Geschichte meist nur noch Ruinen übrig.

Rauchen verboten

Mit etwas Verspätung machen wir uns auf nach Mary im Osten des Landes, um uns die Antike Stadt Merw anzuschauen. Es ist „Tag der Gesundheit“. Um die Leute heute dazu zu bringen, sich zu bewegen, sind die meisten Straßen für Autos gesperrt. Schon der erste Präsident des Landes, Saparmurad Nijasow, hatte angeblich einen Gesundheitstick. Anfang der 2000er ließ er am Stadtrand von Aschgabat, am Fuße des Kopet-Dag-Gebirges, einen Gesundheitspfad errichten: ein betonierter Wanderweg mit einer Länge von wahlweise acht, 15 oder 35 Kilometern. Einmal im Jahr soll sich Nijasow mit seinen Ministern und einigen tausend Staatsangestellten zum Wandern dorthin begeben haben.

Nick erzählt die Geschichte von Scheich Dschamaleddin. | Foto: Othmara Glas

Nach einem Herzinfarkt musste Nijasow außerdem das Rauchen aufgeben und verbot es zugleich in der Öffentlichkeit. Laut Weltgesundheitsorganisation hat Turkmenistan mit acht Prozent den niedrigsten Raucheranteil weltweit. Hinzu kommt, dass Zigaretten Mangelware sind und oft nur illegal erworben werden können. Einreisende dürfen maximal zwei Päckchen dabeihaben. Obwohl das Rauchverbot bis heute in Kraft ist, sehen wir immer wieder Menschen, die sich auf der Straße eine Zigarette anzünden. Unser Guide Nick meint, in der Nähe von Privatgebäuden, Hotels und Restaurants sei es kein Problem.

Auf dem Weg nach Mary halten wir in Anau. Dort stand einst eine prächtige Moschee, die jedoch durch das Erdbeben 1948 fast vollends zerstört wurde. Heute sind nur noch Mauerreste zu sehen. Auf dem Platz davor befindet sich das Mausoleum von Scheich Dschamaleddin. Vor allem Frauen mit Kinderwunsch kommen hierher, um Babyutensilien abzulegen und dafür zu beten, dass sie bald schwanger werden mögen. Aber auch Münzen für Reichtum oder Schlüssel für Glück in einer neuen Wohnung liegen umher. Damit der Wunsch wirklich in Erfüllung geht, muss noch ein Pilgerpfad rund um das Mausoleum drei Mal abgeschritten werden. Nick erzählt, dass Turkmenen sehr abergläubisch seien. Viele pilgerten zu Mausoleen, um dort zu beten. Tatsächlich sehen wir während unserer Reise, die uns noch zu vielen Pilgerstätten führen soll, so einige Frauen in bunten Kleidern, die ehrerbietig die Mausoleen umrunden.

Die heiligen Pferde

Doch nicht nur die Ruinen der alten Städte und religiöse Stätten haben einen besonderen Stellenwert in der turkmenischen Kultur, sondern auch Pferde. Der Achal-Tekkiner, eine der ältesten Pferderassen der Welt, gilt als besonders edel und widerstandsfähig. In Turkmenistan werden sie hauptsächlich bei Pferderennen eingesetzt. Seit 2011 gibt es auch einen Schönheitswettbewerb für die Pferde. Außerdem wurde der letzte Tag im April von Präsident Berdimuchamedow zum „Tag des turkmenischen Pferdes“ erklärt. Dann finden mehrere Rennen und Sprungwettbewerbe statt. Die Sieger erhalten ein Auto als Preis. In diesem Jahr hat der Präsident anlässlich des Feiertages eigens einen Rapsong für sein Lieblingspferd „Rowatsch“ veröffentlicht. Im turkmenischen Fernsehen trat er mit seinem Enkel auf, der die Musik dazu komponiert haben soll.

Wir halten auf einem Gestüt, wo uns die edlen Tiere gezeigt werden sollen. Obwohl ich mit Pferden wenig anfangen kann, muss auch ich zugeben: Schön sind die Achal-Tekkiner ja mit ihrem langen Hals und der güldenen Farbe. Die Vorführung scheint ihnen allerdings wenig Spaß zu machen. Ein Pferd nach dem anderen lässt der Trainer auflaufen und die verschiedensten Kunststücke vollführen – immer unter Androhung der Peitsche. 95 Tiere leben derzeit auf dem Gestüt. „Unser Ziel ist es, in diesem Jahr die 100 vollzubekommen“, erklärt der Besitzer. Stolz zeigt er auf seinen Geländewagen, den er persönlich vom Präsidenten erhalten hat, und präsentiert auf dem Smartphone gleich das passende Foto der Schlüsselübergabe dazu. Da ein Familienmitglied Geburtstag feiert, werden wir noch zu Plow, Wodka und turkmenischem Likör eingeladen. Das Essen ist zwar lecker, ein bitterer Nachgeschmack unseres Besuches bleibt dennoch.

Die Sängerin, die alles hat

Betende Frauen in traditioneller Kleidung an einer Pilgerstätte, | Foto: Othmara Glas

Anfang April ist die beste Reisezeit für Turkmenistan. Noch ist es nicht zu heiß, und die Steppe blüht in diesem Frühjahr durch den vielen Regen besonders schön. Wir passieren ein Mohnfeld – rot, so weit das Auge reicht. Zeit für eine kleine Fotosession. Geduldig warten Nick und unser Fahrer Artjom, bis wir gefühlt 1000 Fotos geschossen haben. Auf dem Weg zurück zum Auto treffen wir auf Maja und ihre 13-jährige Tochter, ganz tourimäßig mit Selfie-Stick ausgestattet. Sie sind ebenfalls auf dem Weg nach Mary. „Wir waren letztes Jahr in Thailand. Wir fahren immer weg, aber in Turkmenistan kennen wir nur wenig“, erzählt Maja. Deshalb habe sie beschlossen, mit ihrer Tochter diesen Ausflug zu machen, um etwas über die Geschichte ihres Landes zu erfahren.

Was sie denn beruflich mache, wollen wir wissen. „Ich bin Sängerin und trete fast jeden Abend in verschiedenen Restaurants in Aschgabat auf“, antwortet sie. Es sei nicht einfach als Alleinerziehende, aber sie komme schon klar. Sie zeigt auf ihr blaues Auto auf dem Parkplatz. Eine Frau am Steuer? Noch dazu in einem dunkelfarbigen Auto? Sie habe ihr Fahrzeug von einem Bekannten an den Stadtrand bringen lassen. Außerhalb der Hauptstadt sei es nicht so wichtig, ob das Auto hell oder dunkel ist. Die Weisung, dass Frauen in Turkmenistan nicht Auto fahren dürfen, scheint nicht mehr aktuell zu sein. Schon in Aschgabat war uns die ein oder andere Frau am Steuer aufgefallen. Wir verabschieden uns von Maja, tauschen aber noch Nummern aus. Vielleicht schaffen wir es noch zu einem ihrer Auftritte.

Alte Bekannte

Betender Präsident: Das Bildnis Berdimuchamedows an einer Moschee. | Foto: Othmara Glas

Doch auch wenn die Farbe des Autos in anderen Städten weniger wichtig ist: Sauber müssen die Autos dennoch sein, also ab in die Waschanlage. In Turkmenistan wird meist noch per Hand abgespritzt, nichts mit automatischer Waschstraße. Blitzblank geht es nach Mary, das auf den ersten Blick wie eine Kleinstadt wirkt. Kaum vorzustellen, dass hier angeblich 300.000 Menschen leben sollen, wie unser Guide erzählt. Nun gut, in meinem Reiseführer steht etwas von 156.000. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Das Zentrum erinnert mit seinen vielen weißen Gebäuden an Aschgabat. Die große Moschee in Mary ziert ein Bild des Präsidenten in betender Position.

Wir kehren in ein Restaurant ein. Hier scheinen auch einfache Ortansässige hinzugehen. Weder sind irgendwelche Ausländer außer uns zu sehen, noch ist es besonders schick. Dafür hat es mit seiner rustikalen Holzeinrichtung einen ganz eigenen Charme. Kinder rennen umher; die Frauen in ihren farbenfrohen langen Kleidern am Nebentisch machen erst einmal ein Selfie. Schaschlik wird draußen im Garten zubereitet.

Mary
Blick auf Mary bei Nacht. | Foto: Othmara Glas

Unser Hotel wirkt nicht gerade einladend und das Personal eher unfreundlich. Internet gibt es nicht, dafür eine Fußballmannschaft, die den ganzen Abend lang noch „Germaniya, Germaniya“ rufen wird. Irgendwann reißt mich ein laut an die Zimmertür klopfender Spieler aus dem Schlaf. Ein Anruf bei der Rezeption löst das Problem jedoch, und am nächsten Morgen sind die Fußballer zum Glück schon abgefahren. Dafür treffen wir beim Frühstück jemand anderen ganz unerwartet wieder.

Othmara Glas

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