Kasachstan und Russland sind übereingekommen, kooperativ die zivile Kernenergienutzung mit Hilfe von drei Gemeinschaftsunternehmen voranzutreiben. Ab 2007 soll die gemeinsame Urananreicherung starten. Dann wird Kasachstan vor allem für den Uran-Nachschub zuständig sein.

Vertreter Russlands und Kasachstans unterzeichneten in Moskau am 12. Oktober feierlich ein Vertragswerk, das die kooperative Entwicklung der zivilen Nutzung der Kernenergie vorsieht. Das soll mit Hilfe dreier spezialisierter Gemeinschaftsunternehmen, an denen Russland und Kasachstan je gleiche Anteile halten, passieren. Russland und Kasachstan verhandelten in den letzten Monaten intensiv über eine gemeinsame Urananreicherung. Russlands Präsident Wladimir Putin forcierte diese Idee im Zuge der Spannungen über die Urananreicherung im Iran und brachte sein Land als idealen Standort für eine internationale Anreicherungsanlage und eine neutrale und kontrollierte Urananreicherung ins Gespräch.

Lang angebahnte Joint Ventures

Zwei der drei kasachisch-russischen Atomfirmen sind in der Wirtschaftsmetropole Almaty ins Handelsregister eingetragen, eine im russischen Angarsk. Das in Almaty registrierte Joint Venture „Atomare Stationen“ wird sich der Reaktortechnologie widmen und soll diese dann in Russland, Kasachstan und Drittländern vermarkten. Das ebenso in Kasachstan registrierte Joint Venture „Akbatsu“ soll für die Erschließung und den Abbau von Uranvorkommen in Südkasachstan zuständig sein. Das Urananreicherungszentrum ist in Angarsk, unweit von Irkutsk im russischen Fernen Osten, registriert. Die Übereinkunft über die gemeinsame Urananreicherung kommt nicht überraschend. Schon zur Jahresmitte wurden zwischen den Staatsbetrieben Rosatom und Kazatomprom und auf höchster politischer Ebene Absichtserklärungen ausgetauscht, die eine enge Kooperation der Atombetriebe Russ-lands und Kasachstans vorsehen. Zumal sich das Atomabkommen in eine Reihe aktueller Abkommen der Energiepartner Kasachstan und Russland, vor allem im Gassektor, einfügt.

Russische und kasachische Nuklearpläne

Anfang Oktober signalisierte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew dann auf einer Konferenz im kasachischen Uralsk, dass sein Land ein vitales Interesse an einem gemeinsamen internationalen Urananreicherungszentrum in Russland habe. Mit der nun besiegelten Kooperation ist dem Kreml der Durchbruch gelungen. Seit Jahren versucht man, die Uranindustrie der Ex-Sowjetunion, die vor allem in Russland und Kasachstan konzentriert war, unter neuer Flagge zu integrieren. Das sowjetische Zeitalter der Nuklearinfrastruktur müsse sowohl für inländische Ziele als auch zur Deckung der globalen Nachfrage wiederhergestellt werden, so der Chef von Rosatom, Sergej Kirijenko. Denn bisher hatten Russlands ambitionierte Nuklearpläne einen entscheidenden postsowjetischen Haken: Russland verfügt selbst über zu wenig Uran. Das größte Land der Erde hat nur circa fünf Prozent der Welturanreserven. Der bevölkerungsarme Nachbar Kasachstan nennt hingegen mit seinen nur 15 Millionen Einwohnern über 15 bis 25 Prozent der Welturanreserven sein eigen und will bis 2010 eine Jahresproduktion von 15.000 Tonnen pro Jahr erreichen. Kasachstan alleine könnte den Weltbedarf an Uran für etwa 50 Jahre decken und als einer der weltgrößten Uranförderer verfügt das Land über mehr Uran, als es auf absehbare Zeit selbst nutzen kann.

Kooperation liegt auf der Hand

Kasachstan will aber nicht nur Uranexporteur sein. Laut Plänen der Regierung in Astana soll die zivile und kommerzielle Nutzung der Kernenergie auch im eigenen Land zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Pläne zum Bau von Kernreaktoren werden diskutiert. Die Regierung in Astana gab bereits Studien zur Errichtung eines Meilers am Balchaschsee in Auftrag. Das Problem der zivilen Nuklearpläne Kasachstans ist, dass es in den Bereichen Reaktorbau und -betrieb mittlerweile an Know-how und Erfahrung fehlt. Der seit 1972 laufende Reaktor im westkasachischen Aktau am Kaspischen Meer – der ehemals sowjetischen Planstadt Schewtschenko mit Nuklearzentrum und dem weltweit ersten Reaktor mit „schneller Brütertechnologie“ – wurde 1999 wegen Überalterung heruntergefahren. Derzeit gibt es nur noch kleine Testreaktoren und ein Forschungszentrum im Land. Der Nachbar Russland hat indes Erfahrung und praktisches Know-how, denn hier gibt es einen entwickelten Nuklearenergiesektor. Russland betreibt derzeit 31 Atommeiler, drei befinden sich im Bau, noch mehr in der Projektierung, Kerntechnologie wird exportiert und laut Rosatomprom soll mit Kernenergie in fünfzehn Jahren etwa 23 Prozent des Energiebedarfs Russlands gedeckt werden. In Anbetracht der Gesamtinteressenlage liegt eine enge Kooperation Kasachstans und Russlands in Fragen der zivilen Nutzung der Atomenergie, wie sie nun besiegelt wurde, auf der Hand.

Uran über Turk- und Transsib nach Angarsk

Mit ihren Anreicherungsplänen möchten Russland und Kasachstan die internationale Staatengemeinschaft nicht verschrecken. Im September sicherte Kirijenko von Rosatom einer Delegation der Internationalen Atomenergie-Agentur der Vereinten Nationen zu, dass ein Urananreicherungszentrum in Angarsk unter internationale Kontrolle gestellt werden könne und unterstrich, dass hier hervorragende Nuklearinfrastruktur vorhanden sei. Die südsibirische Stadt unweit von Irkutsk war schon immer mit der zivilen Nutzung der Kernenergie verbunden, und in Angarsk gebe es noch viele Reservekapazitäten, so der Chef der russischen Kernkraftagentur. Zumal die am Baikalsee gelegene Retorten- und ehemalige Gulag-Stadt Angarsk über die aus Kasachstan kommende Turksib, die die Transsibirische Eisenbahn kreuzt, verkehrstechnisch mit den kasachischen Uranvorkommen recht gut verbunden ist.

Von Gunter Deuber

27/10/06

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