Deutschland hat ausländische Vertretungen in den meisten Hauptstädten der Welt sowie in größeren Städten der Länder: insgesamt sind es 227 Stellen in 153 Staaten. Die „Augen, Ohren und Stimmen“ Deutschlands wahren seine Interessen, schützen seine Bürgerinnen und Bürger im Gastland und verhandeln mit der dortigen Regierung. In den Auslandsvertretungen Deutschlands sind derzeit mehr als 3.000 Mitarbeiter beschäftigt. Eine davon ist die junge Deutsche aus Kasachstan, Valentina Goldmann, die im September 2017 die Leitung der Abteilung für Politik, Kultur und Presse der Deutschen Botschaft in Kasachstan übernommen hat. Mit welchen herausfordernden Aufgaben sie in ihrer Arbeit tagtäglich konfrontiert wird, hat sie der Redaktion von „Volk auf dem Weg“ in einem Interview erzählt.

Lena Arent: Frau Goldmann, erzählen Sie bitte über Ihre Familie. Wann sind Sie nach Deutschland ausgereist?

Valentina Goldmann: Ich bin das jüngste von drei Kindern. Zu Weihnachten 1997, buchstäblich in der Heiligen Nacht, sind wir von Kasachstan nach Deutschland geflogen, ich war damals zehn Jahre alt. An Heiligabend feiern wir deshalb seitdem immer nicht nur das christliche Fest, sondern auch unseren Neuanfang in der neuen Heimat, der wunderbaren Stadt Biberach an der Riss in Baden-Württemberg. Wir kommen aus einem kleinen Dorf, einer Kolchose unweit von Karaganda namens Samarka. Dort wohnten wir, ganz typisch, in einer Doppelhaushälfte.

Weiß getüncht, mit hellblauen Fensterrahmen und Türen. Mit einem Blumengarten vorne, einem Gemüsegarten an der Seite und einem Kartoffelacker hinter dem Haus. Zwischen den letzteren beiden befand sich auch noch der Viehstall mit Hühnern, Schweinen, Kühen, Pferden (natürlich!) und manchmal auch Enten und Kaninchen. Außerdem hatten wir mehrere Hunde, die mehr oder minder auf das Haus aufpassten. Daheim gab es Katzen, von denen eine selbstverständlich immer den wohlklingenden Namen Murrrka trug. Es war eine sehr schöne Kindheit, umgeben von Tieren, der Natur, der Familie und Freunden. Meine Eltern arbeiteten einst als Lehrerin und Leiter des Gaswerks, wir Kinder gingen zur Schule.

Beim Auszug war ich gerade in der 4. Klasse. In Deutschland angekommen, besuchte ich zuerst die Vorbereitungsklasse für Migrantenkinder, es waren damals ja sehr viele, und dann die 5. Klasse an der Hauptschule. Sehr engagierten und aufmerksamen LehrerInnen war es zu verdanken, dass ich ab der 6. Klasse die Realschule besuchen konnte. Die 11. Klasse verbrachte ich mit einem Stipendium des Deutschen Parlaments und des US-Amerikanischen Kongresses an einer High School in den USA, und im Anschluss dann die beiden letzten Klassen am Allgemeinbildenden Gymnasium.

Die Schule fiel mir leicht; ich war auf vielfältige Weise engagiert, spielte beispielsweise in Theaterstücken und Musicals mit und war langjähriges Mitglied der Schülerzeitung und der Schülermitverwaltung. So konnte ich nach einem sehr guten Abitur erneut ein Stipendium, das der Studienstiftung des deutschen Volkes, beziehen.

Zwischen dem Abi und dem Studium der Osteuropawissenschaften, bei welchem ich nicht nur mein in den Hintergrund geratenes Russisch reaktivieren, sondern auch Polnisch und Tschechisch lernen konnte, lag ein Jahr Freiwilligendienst in Brüssel an einer Einrichtung für geistig behinderte Erwachsene. Diese wertvolle Erfahrung im Dienst unserer Mitmenschen möchte ich nicht missen und hoffe persönlich sehr, dass sich weiterhin viele Menschen finden werden, um sich ebenfalls freiwillig und ehrenamtlich zu betätigen.

Warum fiel Ihre Wahl auf einen diplomatischen Beruf?

Mein Beruf ist wohl eher eine Berufung! Ich mag es unheimlich gern, mich mit vielen unterschiedlichen Themen zu befassen und immer wieder Abwechslung zu haben. Im politischen und kulturellen Bereich zu arbeiten und dabei auch noch immer wieder in neue Länder umzuziehen, ist für mich wirklich ein Traum! In unserem Beruf ist man ganz nah dran an innen- und außenpolitischen Entwicklungen, was natürlich in der heutigen Zeit viel Spannung und viel Arbeit bedeutet.

Das kann man zugleich sehr genießen, weil es einen je nach Lage sehr gefragt macht – ist man doch derjenige, der die Ministerien und vor allem die Bundesregierung mit Informationen und Handlungsempfehlungen versorgen kann. Aber es kann zuweilen schon auch etwas stressig werden. Der diplomatische Dienst ist insgesamt ein ständiges Abenteuer im Dienste der Bundesrepublik, man weiß nie so recht, was einen am nächsten Tag erwartet und wohin die Reise das nächste Mal geht, aber man weiß genau, für wen und was man das tut. Mich für das Wohl Deutschlands einzusetzen, nach all dem, was dieses Land mir und meiner Familie gegeben hat, ist mir ein großes persönliches Anliegen.

Wie sieht Ihr Alltag in der Botschaft aus? Welche Aufgaben haben Sie zu erledigen?

Ich bin nun fast schon drei Jahre beim Auswärtigen Amt im Höheren Dienst tätig. Alle drei Jahre wird rotiert, d.h. wir wechseln nicht nur die Zuständigkeit, sondern auch den Ort. Nachdem ich nun also meine erste Verwendung als Referentin für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Albanien im Auswärtigen Amt hinter mir habe, bin ich seit Anfang September in meiner neuen Funktion als Leiterin der Abteilung für Politik, Kultur und Presse an der Deutschen Botschaft in Astana tätig.

Als solche beobachte ich die Entwicklung in all diesen Bereichen, erstatte dem Botschafter und der Zentrale in Berlin darüber Bericht, treffe mich zur Informationsgewinnung und etwaigen Besprechungen mit kasachischen Diplomaten und anderen Beamten, mit den KollegInnen aus anderen EU-Mitgliedsländern sowie anderweitigen Gesprächspartnern aus der diplomatischen, kulturellen und politischen Sphäre und natürlich auch mit den deutschen Minderheitenvertretern hier in Kasachstan.

Außerdem lese ich viel: Zeitung sowohl in Papierform als auch online, Blogs in Russisch, Deutsch, Englisch, Französisch – was immer verfügbar ist, denn Informationen sind unheimlich wichtig für unsere Arbeit. Mindestens genauso wichtig sind aber auch Gespräche mit den Einheimischen, denn wir und ich wollen wissen, was die Menschen hier denken, was sie umtreibt, sorgt, antreibt. Selbstverständlich berichtet die Botschaft nicht nur an das Auswärtige Amt, sondern bekommt von diesem auch so genannte Weisungen, d.h. Arbeitsaufträge, die es dann zu erfüllen gilt.

Wir vernetzen uns im Auftrag der Zentrale mit verschiedenen wichtigen Akteuren und übermitteln Nachrichten sowie Wünsche. Und selbstverständlich machen wir ganz viele Projekte aus eigenem Antrieb. In meiner Zuständigkeit bin ich mit der Organisation von drei Weihnachtskonzerten im Norden und in Zentralkasachstan beschäftigt sowie mit der Organisation einer dreimonatigen Ausstellung über das Leben und Wirken der Brüder Grimm, welche Ende November im hiesigen Nationalmuseum eröffnet wird. Da ist ganz schön viel zu tun, aber erfreulicher Weise ist man ja nicht allein: Die Mitarbeiter ziehen an einem Strang, meine KollegInnen aus Deutschland und Kasachstan, und natürlich auch der Botschafter selbst, sind eine große und großartige Unterstützung! Ohne echtes Teamwork ginge das alles nicht.

Wie empfinden Sie das heutige Kasachstan und seine Hauptstadt?

Ich erlebe ein Kasachstan, das sehr anders ist als vor 20 Jahren. Natürlich hat Astana, wie wohl jede Hauptstadt, eine ganz besondere Dynamik, und so kann nicht alles, was ich hier sehe, eins zu eins auf den Rest des Landes übertragen werden. Jede Region ist anders, und ich freue mich unheimlich drauf, das Land besser kennen zu lernen!

So viel aber schon mal vorweg: Astana gefällt mir unheimlich gut. Ich habe das Gefühl, dass sich hier gerade eine wunderbare gesellschaftliche Entwickelung vollzieht. Viele Menschen sind jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. Es wird im Freien getanzt, gesungen und gespielt. Diese gute Laune ist einfach ansteckend! Außerdem gibt es hier eine große Vielfalt an kulturellen, gastronomischen und sportlichen Angeboten, derer mein Mann und ich uns sehr gerne bedienen.

Zudem sind die Menschen bemerkenswert gastfreundlich und hilfsbereit! Und sobald sie merken, dass wir überhaupt nicht von hier sind – mein Mann spricht bislang noch kein Russisch –, geben sie sich sogar noch mehr Mühe. Sie geben ihr Bestes, um mit uns deutsch oder englisch zu sprechen, erzählen uns von ihren Freunden und Verwandten in Deutschland, von ihren Reisen dorthin, von ihren Erinnerungen an den militärischen Dienst in der ehemaligen DDR, ja sogar von ihrem deutschen Auto!

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit in Astana?

In meiner Freizeit lese ich gerne Belletristik, gehe viel joggen und mache anderen Sport. Außerdem spiele ich seit langem Theater und singe – mittlerweile sogar schon in einem Chor in Astana! Ich koche und esse auch gerne und das am liebsten gemeinsam mit vielen Freunden. Und natürlich liebe ich das Reisen, sowohl durch Deutschland als auch durch Europa und generell die weite Welt. Ich freue mich schon sehr, von Kasachstan aus den gesamten asiatischen Kontinent sowie Russland zu entdecken!

Worauf basiert und wie funktioniert Ihrer Meinung nach eine erfolgreiche Integration? Was würden Sie unseren Landsleuten mit auf den Weg geben?

Ich denke, dass zu einer gelungenen Integration auf jeden Fall viel eigener Wille und eine hohe Leistungsbereitschaft gehören. An erster Stelle steht dabei der Spracherwerb. Es muss nicht gleich muttersprachliches Niveau sein, Fehler sind in Ordnung, nach und nach verschwinden viele von ihnen ganz von allein, und auch der Akzent sollte als etwas Besonderes akzeptiert werden und einen nicht von Unterhaltungen mit den neuen MitbürgerInnen abhalten. Die Sprache hilft einem dann auch, ganz aktiv ein Teil der Gesellschaft zu werden, sich in dieser zu engagieren.

In den zahlreichen Clubs und Vereinen, die es in Deutschland wohl in jeder Stadt und Ortschaft gibt, kann man schnell andere Menschen und vor allem auch Einheimische kennen lernen und sich mit ihnen austauschen. Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass Deutsche sehr interessiert sind am Austausch mit Menschen aus fremden Kulturen – und da haben Migranten, so wie eben unsere Landsleute, doch sehr viel zu bieten! Nur nicht scheu sein, und nicht warten, dass andere den ersten Schritt unternehmen. Zugegeben, vieles ist Glückssache, aber dem Glück kann man manchmal auch etwas auf die Sprünge helfen.

Das Interview führte Lena Arent (VadW).

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